OUT OF THE OFFICE - ON TOUR IN SOUTH AMERICA
Angra dos Reis & Buzios
Montag, 26. März 2007 Buzios 17:38
Als ich gerade das Datum getippt habe, musste ich nebenbei imaginär an den Fingern abzählen wie viel Nächte wir noch hier in Südamerika haben. Zwölf! Lächerliche zwölf Nächte... Oder soll ich sagen zum Glück nur noch zwölf? Denn ich muss etwas zugeben. Es geschah gestern bei Dunkelheit. Wie spät es genau war weiß ich nicht mehr. Nebensächlich. Wir lagen in unserem Bett auf Zimmer 9 unserer Posada Marismar hier in Buzios, 190km nördlich von Rio de Janeiro. Wenige Minuten davor lagen wir ebenfalls horizontal, allerdings in der Nr. 11. Und auch nur ca. 5 Minuten als ich bemerkte dass mir erstens Ameisen über den Fuß krabbeln und ich zweitens einen mir sowie Nicole unbekannten, fremden Blutfleck auf dem Bettlaken entdeckte.
Nein! Nach 166 Tagen auf Reisen ist die Toleranzgrenze auf ein Niveau nahe Null angekommen. Eine kurze Reklamation und schon lagen wir eben in einem anderen Bett. Es war ein Raucherzimmer aber gut, man kann nicht alles haben. Als ich aber kurz darauf die nächste Ameisenstraße am Kopfkissen entdeckte kam es mir über die Lippen. Ein Satz, den ich nicht von mir erwartet hätte: " Ich glaub ich will jetzt dann heim"...
Heim? Was rede ich da? Schließlich gibt es hier rund um Rio wirklich sehr schöne, beinahe schon idyllische Strände! Nachdem mich heute Morgen beim Strandlauf die Sonne so schön angeblinzelt hat, waren sämtliche Gedanken an die Heimat wieder im Nirwana meines Gehirns. Man kann es hier schon aushalten. So bei Temperaturen um die 30 Grad, im kühlen Atlantik
Eine wirklich schöne Landschaft haben sie hier, südlich wie auch nördlich von Rio. Man kann sie auch schon einige Kilometer entfernt vom Zuckerhut genießen. In jede Richtung muss man einfach nur ca. eine halbe Stunde die Augen zu machen. Wenn man sie danach wieder öffnet, sieht man im Süden tropisch bewachsene Berghänge und nach 150km das nette Städtchen Angra dos Reis auf einer Halbinsel. Dort liegen rund herum lauter kleine grüne Inseln die zu einem Bootsausflug locken.
Im Norden erinnerte es mich hingegen eher an eine Art Allgäu nach einer Dürreperiode. Auch die Kühe fehlten in der hügeligen Landschaft nicht. Sie sehen zwar eindeutig magerer aus als bei uns daheim, später jedoch auf dem Churrasco-Grill, trieft das Fleisch der Wiederkäuer aber nur so vor Fett Was immer die hier auch der guten Kuh beim Schlachten noch beifügen... Aber die (un)gesunde Esskultur hier ist ein anderes Thema.
Wenn man nun aber die Augen auf der Fahrt aus Rio´s Zentrum nicht schließt, dann sieht man ein anderes Brasilien. Oder ist es vielleicht das Wahre? Die Slums scheinen nicht enden zu wollen. Selbst wenn es nach einigen Kilometern keine Slums mehr sind, sehen die Gebäude immer noch unglaublich runtergekommen aus. Nicole und ich sind uns einig. So viel Armut konnte man nicht einmal in Peru sehen. Ein Land das wirtschaftlich nicht so gut dasteht wie Brasilien und auch nicht zu den "BRIC-Staaten" gehört, in die seit Jahren Risikokapital investiert wird weil es dort unendliche Rohstoffe oder Arbeit für umsonst gibt... Das Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC) nicht nur wirtschaftliches Potenzial haben, sondern auch eine spektakuläre Schieflage in der Einkommensverteilung kann man an dem erst genannten Land eindrucksvoll feststellen...
In Angra dos Reis angekommen vergisst man aufgrund der wunderschönen Umgebung die Kehrseite des Landes jedoch ziemlich schnell wieder. Unser Hotel dort war zwar auch nicht der Hit, lag aber direkt am "Praia do Bonfim". Auf der Halbinsel jagt ein Strand den Nächsten. Nicht alle sind wirklich sauber, aber nachdem man die Auswahl hat, liegt man schon nach kurzer Zeit woanders im Sand. Werktags unter Umständen sogar ganz alleine Perfekt um sich von einer wirklich sehr anstrengenden, sich zu Ende neigenden Südamerikareise zu erholen...
Am Wochenende wandelt sich dann ein ruhiger, relaxter Strand zur Partymeile. Am "Praia Grande" holte der DJ das Letzte aus den Boxen heraus. Kurzzeitig dachte ich, wir liegen am Bora Bora Strand auf Ibiza oder am Ballermann 6, auf der Mutter aller Inseln, kurz bevor dort Micki Krause mit "Zehn nackten Friseusen" einen Live Auftritt hinlegt
Ein Hubschrauber, der auf einem pompösen Anwesen am Ende der Bucht landete, holte mich aus den Träumen meiner Jugendurlaube zurück in die Realität. Vermutlich flog der Pilot in einer halben Stunde von Rio aus hierher. Die Slums schauen von oben bestimmt auch nicht so schlimm aus...
Trotzdem wirkt Angra dos Reis im Großen und Ganzen recht ursprünglich, vielleicht auch weil es uns so vorkam, als ob dort fast nur Einheimische Urlaub machen würden. Anders als hier in Buzios gab es nahe unserem Hotel auch nur 2 so genannte Restaurants, die zu jedem Gericht Pommes, Reis und Bohnen servierten und als Sitzgelegenheiten bequeme Plastikstühle anboten. In Buzios hat man fast eine unerschöpfliche Auswahl an Essgelegenheiten der verschiedensten kulinarischen Richtungen, ein Bikini-Geschäft nach dem Nächsten (zur Freude von Nicole) und abends sogar Leute auf der Straße. Und das alles nur wegen Brigite Bardot 1964 war die Biggi hier am Strand flanierend von Fotografen abgelichtet worden, was Buzios laut dem Southamerican Handbook von einem Fischerdorf in eine Touristenhochburg verwandelt hat. Vermutlich sind deshalb die Kosten 3x so hoch wie in Angra... Ein gepflegtes Ortsbild hat natürlich seinen Preis. Früh morgens wenn der gemeine Tourist noch schläft, läuft hier schon eine Hundertschaft durch die Straßen und räumt den Saustall des Vorabends auf. Auch die Sicherheitsvorkehrungen für nordamerikanische oder europäische Urlauber sind wohl nicht ganz billig. Immerhin riegelt die Militärpolizei den Ortseingang höchstpersönlich von ungern gesehenen Gästen ab...
Trotz der künstlich erschaffenen Atmosphäre kann ich nicht behaupten dass dies kein schöner Ort sei, um seine letzten Tage in Brasilien zu verbringen und noch mal richtig Sonne zu tanken Donnerstag geht's zurück nach Buenos Aires, wo wir die letzten Tage unserer Reise verbringen werden und wo wir wohl die vielen Erlebnisse und Eindrücke des letzten halben Jahres Revue passieren lassen werden... Mit Sicherheit bei der ein oder anderen Flasche Wein
Aufbruch: | 11.10.2006 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 08.04.2007 |
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