OUT OF THE OFFICE - ON TOUR IN SOUTH AMERICA
6 Monate Südamerika - Was, schon vorbei???
Mittwoch, 4. April 2007 Über den Dächern Palermos... 10:24
Ja, was soll ich jetzt sagen bzw. schreiben? Schön ist es hier in der Herbstsonne auf der Dachterrasse im 4. Stock unseres Apartments in der Straße El Salvador. Strahlend blauer Himmel, ein leichter Wind, der ein bisschen Bewegung in die Palme auf halblinks bringt und die Gewissheit, dass sich unsere 6monatige Reise mehr sicher als langsam zu Ende neigt...
Sie wird auf angenehme Art und Weise enden. Angefangen hat es einen Tag nach dem letzten Reisebericht in Buzios. Auf Portugiesisch erklärte uns die Dame an der Rezeption unserer Unterkunft "Marismar", dass das Hotel samt Kundschaft verkauft worden sei und wir deshalb umziehen müssten. Oder so ähnlich... Jedenfalls verließen wir das Raucherzimmer wie sämtlichen Ameisen und zogen in die Posada "Saint Tropez". Dort erwartete uns ein herrlicher Meerblick und zum Glück keine kleinen Kriecher auf dem Kopfkissen.
Vielleicht sollte ich mich in Zukunft öfter "verkaufen" lassen
Das muntere Unterkunft-Wechsel-Spiel ging hier in Buenos Aires weiter, als uns unser Vermieter offenbarte, wir können nicht wieder in das alte Apartment, in dem wir zuvor 4 Wochen gehaust hatten. Doppelbuchung, welch Pech! Dummerweise war nur noch sein eigenes Apartment frei. Im absoluten Herzen von Palermo Viejos. Ricky, so nennt sich unser argentinischer Vermieter Enrique, besitzt hier in Buenos Aires 17 Häuser, arbeitet nebenbei als Kardiologe und wenn er von allem zu viel hat, dann kommt er hier in sein Loft und malt Ölbilder... Wenn man seinen Fuß vor das Eingangstor setzt, dann kommen einem entweder shoppingwütige Frauen mit bunten Einkaufstaschen entgegen, oder gestylte Szenegänger, die sich nebenan vorm Cafe "Mark´s" am Gehweg anstellen, um mal eben eine halbe Stunde zu warten, bis ein Tisch frei ist...
Habe ich nicht vor kurzem in Brasilien erwähnt, "ich möchte jetzt dann heim..."? Es war irgendwie eigenartig als unser Flieger von Rio hier in Buenos Aires ankam. Die Leute sprechen wieder eine Sprache die man versteht, die Umgebung kommt einem bekannt vor, man trifft wieder auf Menschen, die man schon mal gesehen hat... Bin ich schon vor meinem Rückflug am kommenden Wochenende "heim" gekommen?
Nun gut, damit wir pünktlich am Ostersonntag das Eiersuchen nicht verpassen, wird uns am Samstag Air France von Buenos Aires über Paris nach München fliegen. Der eigentliche Abschied hat im Prinzip jedoch schon vor ein paar Tagen in Rio begonnen. Die letzten Tage hier sind für uns so etwas wie eine Zugabe und eine Gelegenheit, die Reise langsam ausklingen zu lassen.
"RIO - BUENOS AIRES - PARIS..." Danach wird es heißen; "münchen - fürstenfeldbruck - mittelstetten..." Jaaaa, der Kulturschock könnte hart werden
Puh, die Herbstsonne hat es in sich... Der Wind hat sich auch verflüchtigt. Das Aprilwetter hier ist genauso wechselhaft wie die Gedanken, die man über die Rückkehr nach so einer unvergesslichen Reise in sich hat. 3 Tage hat es fast ununterbrochen wie aus Eimern geschüttet. Und seit wiederum 3 Tagen ziert keine einzige Wolke den Himmel über den Hochhäusern dieser Stadt.
Zeit Bilanz zu ziehen
179 Tage - 59 verschiede, harte, weiche, durchgelegene, neue, alte, benutzte, kuschelige, gepflegte oder weniger gepflegte BETTEN.
179 Tage - 267 Stunden in Fliegern, Zügen und vor allem Bussen. Ohne Navimag! Inklusive unserer Erlebnisschifffahrt + weitere 183 Stunden = 450 Stunden südamerikanische Transportmittel...
179 Tage - 5,57 Gigabyte Fotos...
179 Tage - x,00 Euro. Es war jeden Cent, oder Centavos, wie es in den meisten Ländern dieses Kontinents heißt, wert! Irgendwie muss doch ein Banker an mir verloren gegangen sein. Die Budgetprognose wäre sogar fast auf den Euro genau aufgegangen, wenn wir nur wenige Tage früher heim geflogen wären - oder wenn wir auf die Erinnerungsschnäppchen verzichtet hätten... Unmöglich bei den Preisen hier. Wer Lust auf Shopping-Urlaub hat sollte nach Buenos Aires kommen und in Boutiquen zu H&M Preisen kaufen...
Der Rucksack wird also voller sein, als beim Hinflug. Hoffentlich kriege ich den Rest in meinen neuen Ziehkoffer rein. Die Wäschereien hier in Südamerika haben zwar ihr Bestes versucht, unser Gepäck zu erleichtern, geschafft haben sie es allerdings nicht. Wie viel Unterwäsche, Socken oder T-Shirts am Ende spurlos verschwunden oder bei jemand anderem im frisch gewaschenen Kleidersack gelandet ist, wissen wir schon gar nicht mehr. Interessant war es auch oft, auf seinen Lieblingsklamotten Flecken zu finden, die gewiss nicht von einem selbst da rein gekommen sind. Noch interessanter waren die Ausreden der Profiwäscher...
Vielleicht hätten wir einfach mal unsere 2,99 Euro OBI-Wäscheleine benutzen sollen. Aber faul wie zwei Traveller so sind... Die ominöse Wäscheleine war letzten Endes der einzige Gegenstand, den wir vollkommen umsonst eingepackt hatten. Meine Ballpumpe samt Mini-Lederball waren die Schlepperei aber auch nicht wert... Wichtiger waren da schon mein Schweizer Taschenmesser, 35 Gigabyte MP3-Musik, unsere hauchdünnen Schlafsäcke (siehe Bettenstatistik) und unerlässlich unser Deutsch-Spanisch Wörterbuch... Wer also Tipps für eine sinnvolle Packliste für eine Langzeitreise braucht, nur zu, wendet Euch an uns! Nie schlecht für Ereignisse jeder Art ist auch ein Flachmann, befüllt mit Bodensee-Obstler von Opa Willi...
Was Nicole und ich gerne wieder unbenutzt zurückbringen, ist eine randvolle Kulturtasche mit Pillen, Fläschchen, Pflastern und sonstigen Arzneigegenständen (abgesehen von den Durchfallmitteln...)! Ich glaube, die Tatsache, dass wir gesund und vollkommen wohl auf zurückkommen, ist das größte Geschenk dieser Reise. Es lief wirklich alles wie am Schnürchen. In keinem Land hatten wir irgendein Sicherheitsproblem. Wenn man sich ein bisschen an die Tipps des Reiseführers hält, seinen gesunden Menschenverstand einschaltet, oder keine Scheu hat, einfach mal Leute zu fragen, wo man sich ohne Probleme bewegen kann, dann muss man schon Pech haben wenn einem etwas geschieht.
Wahnsinn, wie ein halbes Jahr an einem vorbeirasen kann! Vom Prinzip verläuft es nicht schneller als daheim, wenn man seinen Alltag lebt. 6 Monate auf Reisen, oder 6 Monate Alltag - der Unterschied sind die Erinnerungen. Nicole und ich können uns noch an jeden einzelnen Tag seit dem 11. Oktober 2006 erinnern. Wenn mich jemand fragen wird, wo warst Du zum Beispiel am 39igsten Tag Deiner Reise und was hast Du gemacht, dann muss ich kurz überlegen... (was ich jetzt auch schnell tue... okay, dauert 2 Minuten...)
Am 19. November waren wir in Puno am Titicaca-See in Peru. Nachdem ich am Tag davor die meiste Zeit der Zugfahrt von Cusco dorthin entweder horizontal auf der Sitzbank liegend oder auf der Toilette verbracht habe, war an jenem Novembertag nicht viel mit mir anzufangen, außer Suppe löffeln und peruanische Schuhputzer zu beobachten...
Vielleicht nicht das beste Beispiel Oder doch? So ist es letztlich mit jedem Tag dieser Reise. Ich bin mir sicher, hätte ich meine Zeit in der Arbeit verbracht, wüsste ich mit Sicherheit nichts mehr von dem, was am 13. November letzten Jahres geschah...
Es gab keinen einzigen Tag, an dem ich die Entscheidung bereut habe, meinen Job zu kündigen, meinen Mietvertrag aufzulösen, sämtliche Besitztümer unterzustellen, auf finanzielle Sicherheit zu verzichten und andere Schwierigkeiten überwunden zu haben.
Auch nicht an den Tagen, von denen ich keine Reiseberichte veröffentlicht habe. Mal ganz ehrlich - nur weil man auf einem fernen Kontinent verweilt, ist das ganze Leben nicht gleich Eitel Sonnenschein. Aber angenehmer ist es schon
Was bleibt noch zu sagen? Wer noch nicht in Südamerika war, der sollte schleunigst hier herkommen. Sei es wegen der Kultur und der Indios in Peru, wegen der landschaftlichen Abwechslung Chiles, der Strände Brasiliens und Uruguays, oder einfach wegen Argentinien an sich! Zu den Vorteilen hier brauche ich nichts mehr zu erwähnen. Das vielfältige Land der Gauchos hat es Nicole und mir angetan. Verständlich, warum so viele Europäer hierhin kamen. Es ist einfach lebenswert hier! Und für mich eine ernsthafte Alternative, falls man mal fluchtartig weg muss...
Wie geht es weiter? Nun, anders lautenden Gerüchten zufolge haben Nicole und ich nicht auf dem MacchuPicchu geheiratet, wir haben uns auch nicht so sehr zerstritten, dass ich sie in Patagonien in eine Gletscherspalte schmeißen musste und ja: Wir betrachten uns auch nach 179 Tagen Lotterleben noch als resozialisierungsfähig - auch wenn wir vorübergehend aus der Gefangenschaft des "Systems" ausgebrochen sind und das "wahre Leben" kennen gelernt haben
Nicole fängt am 01. Mai wieder in ihrer alten Firma an, ich hingegen biedere mich am Arbeitsmarkt an... Das Abenteuer geht also weiter, die Reise dementsprechend unter Umständen auch. Ob es nun ein Vor- oder Nachteil ist, nach diesem Trip einen festen Arbeitsplatz zu haben, oder nicht - man ist motiviert, frei und offen für Neues. Zustände und eine Tatsache, die ich in diesem Moment unter keinen Umständen missen möchte! Man redet viel von Horizonterweiterung, über den Tellerrand hinausblicken und all diese Reiseweisheiten. Entscheidend ist, dass egal wo man sich gerade befindet, man immer eine Perspektive hat. Wenn man sich auf den Weg von einem Ziel zum Nächsten begibt, dann hat man sie. Und von dieser Perspektive aus gesehen, freut man sich auf alles was kommt!
In diesem Sinne hoffe ich, dass Ihr Spaß beim Mitverfolgen unserer Reise hattet. Wir hatten ihn Wer nun auf den Geschmack gekommen ist, dem empfehle ich noch ein gutes Buch: "Das Sabbatical Handbuch - Aussteigen auf Zeit" von Anke Richter! Nach 3mal lesen war ich dann soweit...
Der Rucksack kann immer wieder gepackt werden - und ein bisschen von Opas Bodensee-Obstler ist auch noch da
Unsere Route - In grün die Flüge, in rot Busse, Schiffe oder Mietautos... Eigentlich gibt es noch genug zu erkunden! Vielleicht lassen wir den Flieger doch sausen
Aufbruch: | 11.10.2006 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 08.04.2007 |
Peru
Chile
Argentinien
Paraguay
Brasilien
Uruguay