Nepal, Indien und andere Abenteuer - von fantastico bis ungeheuer

Reisezeit: Februar - Juli 2008  |  von Christian L.

Indien II: Amritsar

Nach 12stündiger Zugfahrt kam ich in Amritsar, einer Stadt mit gut einer Million Einwohnern, an.

DER GOLDENE TEMPEL

Amritsar, oder besser gesagt der Goldene Tempel von Amritsar, ist das spirituelle Zentrum der Sikhs. Die Sikh-Religion (Sikhismus) ist in Nordindien (Punjab) im 15. Jhdt. gegründet worden und hat rund 20 Millionen Anhänger. Die Sikhs distanzieren sich klar von den beiden Hauptreligionen in der Gegend, nämlich dem Islamismus und dem Hinduismus. Sikhismus will religiöse Weisheiten für den Alltag nutzbar machen. die heilige Schrift der Sikhs ist die "Guru Granth Sahib".

Praktizierende Sikhs müssen einige äußere Auflagen einhalten, wie z.B. Haare und Bart nicht schneiden und einen kleinen Dolch, einen Turban, einen eisernen Armreifen und eine Kniehose tragen. Buben tragen anstatt des Turbans einen "Patka" (siehe Foto).

Der Eintritt in den Goldenen Tempel ist kostenlos und steht jedem offen. Allerdings muss jeder ein Kopftuch (bzw. Turban oder Patka) tragen, das man entweder ausleihen oder für wenig Geld kaufen kann. Zudem müssen - wie so oft in Tempeln üblich - die Schuhe abgegeben werden.

Mein erster Eindruck, als ich in das Tempelareal gegangen bin, war: "Was, wegen diesem kleinen Tempel bin ich soweit gefahren?". In der Tat ist der Goldene Tempel, der auf einer Insel in der Mitte eines quadratischen Sees (sogennanter Nektarteich) liegt, selber nicht besonders groß. Größe macht es aber nicht immer aus, und mein Besuch enttäuschte mich nicht.

Beim Taj Mahal war es schlicht und einfach das Gebäude, das sehr beeindruckend war. Stimmung kommt im Taj Mahal indes wenig auf, wozu auch lästige Verkäufer und Gauner rund um das Taj Mahal herum etwas beitragen. Beim Goldenen Tempel sind es hingegen sowohl das Gebäude (wenn auch nicht vergleichbar mit einem Taj Mahal), als auch die Stimmung im Tempel, die den Besuch zum Erlebnis machen.

Der Goldene Tempel hat seinen Namen nicht umsonst, denn er ist mit echtem Blattgold bedeckt. Das Wasser des Teichs wird gefiltert und beherbergt viele große Karpfen. Umgeben ist der Tempel von einer Palastanlage mit je einem Tor auf allen vier Seiten (symbolisiert Offenheit gegenüber anderen Religionen und Kulturen). Die gesamte Anlage ist sehr schön gepflegt. Wer direkt in den Goldenen Tempel in der Mitte des Sees will, muss dafür meist mehr als 1 h anstellen, was man aber jedenfalls tun sollte.

In 3stündigen Schichten wechseln sich Gruppen von 3 bis 4 Sikh-Musikern/Sängern ab und geben mitten im Goldenen Tempel ihre spirituelle, meditative Musik von sich, die sehr beruhigend wirkt, und mit der das ganze Tempelareal 21 h pro Tag beschallt wird. Nur in der Zeit von 0:00 bis 3:00 gibt es keine Musik; der Tempel ist aber 24 h offen.

Beeindruckend sind aber auch die den Tempel besuchenden Menschen - viele Sikhs, aber auch Menschen anderer Religionen und ein paar ausländische Touristen. Die Leute sind sehr hilfsbereit und suchen das Gespräch, aber im Gegensatz zu vielen anderen Situationen in Indien endeten die Gespräche nicht mit "und übrigens, bitte gib mir ein paar Rupien" oder "und übrigens, kauf mir dies oder das ab".

Wie hilfsbereit die Menschen sind, zeigte sich, als uns (ich war am späten Abend mit einer Österreicherin und einer Kanadierin noch einmal in der Tempelanlage) ein Sikh namens Amar, der den Tempel regelmäßig besucht, einfach so 2 h durch den Tempel führte, ohne irgend eine Gegenleistung dafür zu wollen. Er zeigte uns die gewaltige Großküche, in der u.a. eine riesige, ca. 15 m lange Chapati-Maschine steht, die aus Teig mehrere tausend Chapatis (Brotfladen) pro Stunde erzeugen kann. Diese Küche versorgt an Spitzenzeiten bis zu 50.000 (!) Pilger pro Tag mit Speis und Trank. Auch wir aßen in einem der zwei großen Speisesäle, in denen man auf dem blanken, aber sauberen Boden sitzt. Das kostenlose Essen war einfach, aber recht schmackhaft. Zu trinken gab es - wie könnte es in Indien anders sein - Chai, also Gewürz-Milch-Tee. Ein paar Minuten half ich dann Amar noch beim Chapati-Austeilen, was recht witzig war. Danach führte uns Amar auch noch direkt in den Goldenen Tempel hinein, vorbei an all den wartenden Pilgern. Und im Anschluss bebachteten wir noch die Zeremonie, bei der das heilige Buch der Sikhs aus dem Goldenen Tempel über die Nacht in ein Gebäude der Palastanlage gebracht wird.

Neben dem kostenlosen Essen können Pilger auch gratis in der Tempelanlage in einfachen Schlafsälen schlafen. Ich habe es aber vorgezogen, außerhalb der Tempelanlage in einem nahe gelegenen Guest-House zu schlafen.

Insgesamt ist die Atmosphäre im Goldenen Tempel trotz der großen Menschenmassen sehr relaxed und spirituell, und man sollte sich jedenfalls ein paar wenige Stunden Zeit nehmen und diese Atmosphäre auf einen wirken lassen, idealerweise zur Morgen- und zur Abendzeit.

GRENZSPEKTAKEL IN WAGAH

Zwischen meinem Vormittags- und Spätabendbesuch im Goldenen Tempel bin ich per Touristen-Gemeinschafts-Jeep zur ca. 30 km entfernten indisch-pakistanischen Grenze in Wagah gefahren (hin und retour 75 INR = ca. EUR 1,2). Dort findet jeden Tag eine volksfestartige Megashow statt, bei der es um die Schließung des Grenzpostens zwischen den beiden Atommächten und Erzrivalen Indien und Pakistan geht.

Auf beiden Seiten der Grenze sind große Tribünen aufgebaut, die sich gegen 4 Uhr nachmittags nach und nach mit Menschen befüllen. Als ausländischer Tourist bekommt man einen Ehrenzplatz in einer übersichtlichen Tribüne nahe des Grenztors und kann sich daher Zeit lassen, um in das Gelände zu kommen.

Auf der pakistanischen Seite sitzen Frauen und Männer getrennt. Nicht so auf der indischen Seite, auf der sich auch wesentlich mehr Menschen versammeln und viele keinen Sitzplatz mehr bekommen. Vor der eigentlichen Show der Grenzsoldaten wird lange die Stimmung aufgeheizt. Jede Seite spielt ihre eigene, stark patriotische Musik. Je ein Animateur heizt die Massen an, die dann in Sprechchören für Indien ("Hindustan, Hindustan") bzw. Pakistan ("Pakistan, Pakistan") jubeln. Einzelne Zuschauer laufen mit einer großen Flagge ihres Landes bis zum Grenztor des Erzfeindes und wieder zurück. Auf der Straße wird wild zur Musik getanzt - auf der indischen Seite deutlich ausgelassener als auf der pakistanischen.

Dann marschieren die riesigen Grenzsoldaten - beiderseits wohl alle von ihnen über 2 m groß - mit ihrem hahnenkammartigen Kopfschmuck zur Parade auf. Dabei bewegen sie sich nach einem lauten, sehr lange anhaltenden Schrei des Offiziers in schnellem Exerziertempo mehrmals auf das Grenztor zu und schwingen dort in witzigen Bewegungen synchron zur gegenerischen Mannschaft ihre Beine bis in Gesichtshöhe auf und ab.

Nach ein paar Wiederholungen in jeweils abgewandelter Form wird zum Ende der Zeremonie das Grenztor weit geöffnet. Die Flaggen werden eingeholt - natürlich wieder synchron - und von einer Gruppe von Soldaten feierlich abtransportiert. Anschließend geben sich ein pakistanischer und ein indischer Offizier kurz die Hand. Der Eindruck der respektvollen Feindschaft muss dabei gewahrt werden. Und dann werden die Grenztore beidseitig zugeschmettert, und die Parade ist beendet.

Im Anschluss drängeln noch viele Inder zu den Elitesoldaten und wollen sich mir ihren riesigen Helden fotografieren lassen. Und dann ziehen die riesigen Menschenmassen von dannen.

Das ganze Ritual dient der Demonstration militärischer Präsenz und Kampfbereitschaft. Schließlich haben die beiden Atommächte aufgrund historischer (Stichwort z.B. Teilung Indiens 1947 in Indien und Pakistan mit Umsiedlung von 10 Millionen Menschen und über 1 Million Toten) und auch neuerer Feindseligkeiten (Stichwort z.B. Kaschmirkonflikt) ein teilweise sehr angespanntes Verhältnis. Manchmal hat man beim Beobachten dieses Spektakels mit so viel Patriotismus, ja Nationalismus schon ein mulmiges Gefühl, aber im Endeffekt ist es nur eine große Show und durchaus witzig. Wer in der Gegend ist, sollte sich das Spektakel keinesfalls entgehen lassen!

Nach dem Besuch an der Grenze war noch ein Nachtbesuch inkl. Essensverkostung im Goldenen Tempel angesagt (siehe oben), und im Anschluss Schlafenszeit.

Am nächsten Tag 8 Uhr früh ging es per 9-stündiger Zugfahrt gleich weiter nach Delhi (siehe eines der vorigen Kapitel), wo ich nach einem Tag weiterem Sightseeing einen Flug mit Go Air (Kosten INR 3500 = EUR 55) nach Mumbai, der größten Stadt Indiens und meiner letzten Station, antrat (to be continued...)

Lage von Amritsar im Bundesstaat Punjab, sehr nahe an der Grenze zum muslimischen Staat Pakistan

Lage von Amritsar im Bundesstaat Punjab, sehr nahe an der Grenze zum muslimischen Staat Pakistan

hier eine kleine Verkostung vor dem Haupteingang des Goldenen Tempels - die Dimensionen in der Hauptküche des Tempels sind nochmal völlig andere

hier eine kleine Verkostung vor dem Haupteingang des Goldenen Tempels - die Dimensionen in der Hauptküche des Tempels sind nochmal völlig andere

im heiligen Wasser baden sich jung...

im heiligen Wasser baden sich jung...

... und alt

... und alt

das nennt sich mal ein waschechter Sikh - das Turbantuch dürfte mehrere dutzend Meter lang sein!

das nennt sich mal ein waschechter Sikh - das Turbantuch dürfte mehrere dutzend Meter lang sein!

jeder muss im Goldenen Tempel einen Turban, einen Patka oder zumindest ein einfaches Kopftuch tragen

jeder muss im Goldenen Tempel einen Turban, einen Patka oder zumindest ein einfaches Kopftuch tragen

wer über die Brücke in den Goldenen Tempel selbst hinein will, muss einiges an Wartezeit in Kauf nehmen

wer über die Brücke in den Goldenen Tempel selbst hinein will, muss einiges an Wartezeit in Kauf nehmen

direkt im Goldenen Tempel (eigentlich Fotografieverbot...), wo heilige Sikhs jeden Tag 21h spirituellen Gesang und Musik erklingen lassen (jeweils 3stündige Schichten)

direkt im Goldenen Tempel (eigentlich Fotografieverbot...), wo heilige Sikhs jeden Tag 21h spirituellen Gesang und Musik erklingen lassen (jeweils 3stündige Schichten)

im obersten Stock des Goldenen Tempels, wo ebenso gebetet wird

im obersten Stock des Goldenen Tempels, wo ebenso gebetet wird

Hier ist die Stelle, bei der beim Rundgang durch den Goldenen Tempel das für Sikhs heilige Wasser getrunken wird. Die Qualität des Wassers ist wegen Wasserfiltern nicht so schlecht, weshalb sich auch die Fische wohl fühlen

Hier ist die Stelle, bei der beim Rundgang durch den Goldenen Tempel das für Sikhs heilige Wasser getrunken wird. Die Qualität des Wassers ist wegen Wasserfiltern nicht so schlecht, weshalb sich auch die Fische wohl fühlen

Zwei Jungs mit Patka (Kopfbedeckung), in den die Haare eingewickelt sind. Praktizierende Sikhs dürfen sich die Haare nicht schneiden und den Bart nicht rasieren!

Zwei Jungs mit Patka (Kopfbedeckung), in den die Haare eingewickelt sind. Praktizierende Sikhs dürfen sich die Haare nicht schneiden und den Bart nicht rasieren!

Blick zum Haupteingang

Blick zum Haupteingang

im Hintergrund links die lange Menschenschlange, die in den Goldenen Tempel hinein will

im Hintergrund links die lange Menschenschlange, die in den Goldenen Tempel hinein will

ein Sikh mit Speer

ein Sikh mit Speer

auf dem Weg nach Wagah zur Grenze zwischen Indien und Pakistan

auf dem Weg nach Wagah zur Grenze zwischen Indien und Pakistan

das Grenztor in Wagah

das Grenztor in Wagah

einer der riesigen Elitesoldaten

einer der riesigen Elitesoldaten

eine alte Frau läuft voller Stolz mit der indischen Fahne zum Grenztor und zurück - danach ist der nächste dran, den inidischen Nationalstolz hoch leben zu lassen

eine alte Frau läuft voller Stolz mit der indischen Fahne zum Grenztor und zurück - danach ist der nächste dran, den inidischen Nationalstolz hoch leben zu lassen

vor der Grenzschließungszeremonie wird wild abgeshaked zu indischer, poppiger, nationalbewusster Musik

vor der Grenzschließungszeremonie wird wild abgeshaked zu indischer, poppiger, nationalbewusster Musik

einer der Elitesoldaten

einer der Elitesoldaten

die indischen Tribünen im Bild sind wesentlich voller als die auf der pakistanischen Seite

die indischen Tribünen im Bild sind wesentlich voller als die auf der pakistanischen Seite

Mit Fotos lässt sich das ganze Spektakel der Elitesoldaten, sprich deren wilde Fußausschläge bis in Kopfhöhe, deren urschneller Schritt oder deren lauter, langanhaltender Ruf leider nicht darstellen. Es sieht jedenfalls wirklich ulkig aus, und die Soladaten werden im Anschluss an die "Show" wie Helden gefeiert.

Mit Fotos lässt sich das ganze Spektakel der Elitesoldaten, sprich deren wilde Fußausschläge bis in Kopfhöhe, deren urschneller Schritt oder deren lauter, langanhaltender Ruf leider nicht darstellen. Es sieht jedenfalls wirklich ulkig aus, und die Soladaten werden im Anschluss an die "Show" wie Helden gefeiert.

Popcorn mal anders gemacht...

Popcorn mal anders gemacht...

...offensichtlich recht anstrengend, diese Zubereitungsart

...offensichtlich recht anstrengend, diese Zubereitungsart

am Abend im einem der beiden Speisesäle des Goldenen Tempels

am Abend im einem der beiden Speisesäle des Goldenen Tempels

hier wird kostenlos Essen für täglich bis zu 50.000 Pilger serviert!

hier wird kostenlos Essen für täglich bis zu 50.000 Pilger serviert!

DAS nennt sich mal ein richtiger Kochtopf (Großküche des Goldenen Tempels)

DAS nennt sich mal ein richtiger Kochtopf (Großküche des Goldenen Tempels)

dieser nette Sikh namens Amar hat uns durch die Küche und andere Teile des Tempels geführt

dieser nette Sikh namens Amar hat uns durch die Küche und andere Teile des Tempels geführt

riesige Chapati-Maschine, die pro Stunde mehrere tausend Chapatis für die Gäste des Goldenen Tempels produziert

riesige Chapati-Maschine, die pro Stunde mehrere tausend Chapatis für die Gäste des Goldenen Tempels produziert

der Goldene Tempel bei Nacht

der Goldene Tempel bei Nacht

im Zug (hier nach Delhi) huschen kleine Straßenkinder am Boden durch, kehren den Dreck vom Boden weg und erbetteln sich damit ein paar Rupien

im Zug (hier nach Delhi) huschen kleine Straßenkinder am Boden durch, kehren den Dreck vom Boden weg und erbetteln sich damit ein paar Rupien

Reisfelder zwischen Amritsar und Delhi

Reisfelder zwischen Amritsar und Delhi

tonnenweise Schmuck zB am Arm ist bei  vielen indischen Frauen sehr beliebt

tonnenweise Schmuck zB am Arm ist bei vielen indischen Frauen sehr beliebt

eines der Slumgebiete auf dem weg Richtung Delhi

eines der Slumgebiete auf dem weg Richtung Delhi

verdreckter Fluss

verdreckter Fluss

© Christian L., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Bei meiner Solo-Anschlussreise an Thailand und Laos (siehe http://www.umdiewelt.de/Asien/Suedostasien/Thailand/Reisebericht-3264/Kapitel-0.html - gemeinsam mit Freundin Gertraud) hab ich mir vorgenommen, vor allem Bergluft zu schnuppern. Grober Plan daher Zwischenstation Kolkata, Nepal 2 Monate, wieder Indien, und evtl. je nach Lust und Laune weitere asiatische Länder. Also, mal sehen was rauskommt dabei :-) _ _ _
Details:
Aufbruch: 02.02.2008
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: Juli 2008
Reiseziele: Indien
Nepal
Der Autor
 
Christian L. berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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