Nepal, Indien und andere Abenteuer - von fantastico bis ungeheuer
Indien II: Besonderheiten Indien
Wer noch an allgemeinen Informationen zu Indien interessiert ist, kann hier ein paar sinnvolle Basisinfos erhalten. Ich möchte hier nur ein paar Besonderheiten erwähnen, die mir auf meiner Reise durch (vorwiegend Nord-)Indien so aufgefallen sind.
HYGIENE
In Indien gibt es abweichende Hygienevorstellungen, was zum Teil aber alleine schon mit den Hygienemöglichkeiten (z.B. Verfügbarkeit von Toiletten) zusammen hängt.
So wird z.B. In Indien (und einigen anderen asiatischen Ländern) kein Klopapier verwendet. Hmmm, wie geht denn das, fragen sich jetzt wohl einige. Ganz einfach, die Formel heißt: linke Hand + Wasser = indischer Toilettgang (daher gilt die linke Hand als die "unreine" Hand). Wenn man seine Gedanken dann mal weiterspinnt und beobachtet, wie oft linke Hände auch zum Kochen, Kautabak präparieren oder ähnlichem verwendet werden, dann... naja, aber lassen wir das.
Jedenfalls ist es witzig, vor allem morgens aus dem Zugfenster zu sehen. Oft sieht man die Leute mit Wasserkübeln, in der Gegend herumhocken und ihr Geschäft verrichten, oft allerdings auch ohne (wie die dann genau tun ohne Wasser, weiß ich nicht wirklich...). Einmal bei einer Fahrt aus Mumbai hinaus war es besonders lustig: Im Abstand von vielleicht 5 Metern hockten direkt neben dem Gleis 7 oder 8 Männer, die jeweils einen Kübel bei sich hatten und fleißig ihren Morgenstuhlgang verrichteten.
In den Slumgebieten sind die hygienischen Bedingungen meist katastrophal. Es gibt kein Fließwasser, keine geregelte Müllentsorgung und kein Abflusssystem. Infektionskrankheiten können sich so natürlich leicht verbreiten.
Rülpsen ist sozial akzeptabel, und manchmal hört man lautstarke Röhrer.
Da keine Taschentücher verwendet werden, ist auch das Hochziehen durch die Nase mit anschließenden Ausspucken oft zu hören bzw. bestaunen. Überall ausgespuckt wird außerdem der von vielen Männern verwendete Kautabak.
ESSEN
Im Gegensatz zu Nepal bietet Indien eine wesentlich reichhaltigere Küche, die bei vielen Touristen gut ankommt.
Gegessen wird vorwiegend mit den Händen. Oft auf dem Speiseplan stehen Reis, Chapati und viele andere Brotarten, diverse Gerichte mit Paneer (lokaler Weichkäse), und vieles mehr. Die meisten Gerichte werden mit einer Fülle von Gewürzen zubereitet. Fleisch wird sehr wenig gegessen (u.a. weil zu teuer), und wenn, dann vor allem Huhn. Kühe sind wie in Nepal heilig, weshalb sie nicht gegessen werden. So gibt es in Großstädten zwar McDonalds, allerdings ohne Big Mac & Co.
Sehr beliebt ist bei den Männern und leider mittlerweile auch vielen Kindern ein kautabakähnliches Produkt namens Guthka (gemahlener Tabak + Betelnuss + Catechu + Gewürze verschiedenen Geschmacks), das nach Verwendung dann durch die Gegend gespuckt wird. Außerdem verursacht der Konsum Mundkrebs und schlechte Zähne.
Ich konnte mich aus ein paar Gründen nicht so recht für die indische Küche begeistern:
Zum einem vertrage ich Korianderkraut, das in sehr vielen indischen Gerichten Einzug findet, absolut nicht. Eigentlich seltsam, denn normalerweise habe ich mit keinem mir bekannten Gewürz bzw. Zutat so ein Problem.
Ein weiterer Grund war Angst aus Vorerfahrungen: Dreimal hat es mich in Nepal und Indien mit Magen-/Darmbeschwerden so stark erwischt, dass ich zu Antibiotika greifen musste, und man wird dann sehr vorsichtig. Die wenigen Touristen, die es nicht erwischt, können auf Holz klopfen, denn den durchschnittlichen Indienreisenden erwischt es vielleicht einmal im Monat mit Magen-/Darmbeschwerden, die manchmal auch wochenlang anhalten können.
Außerdem werden für meinen Geschmack in Indien einfach zu viele und zu stark vortretende Gewürze verwendet.
Natürlich gibt es einige Sachen, die auch mir geschmeckt haben, sofern sie ohne Korianderkraut zubereitet wurden, wie z.B. Samosas (mit Zwiebel, Kartoffelbrei und anderem befüllte, dreieckige, frittierte Teigtaschen) oder Dosas (mit verschiedenem Gemüse befüllte Crepes, stammen aus Südindien), etc. Auch Chai (ein in Indien weit verbreiteter, süßer Milch-/Gewürz-Tee) habe ich recht gern getrunken. Insgesamt ist mir aber die chinesische oder thailändische Küche wesentlich sympathischer als die indische.
MÜLLENTSORGUNG
Die Müllentsorgung ist, wie einige der Fotos erahnen lassen, an den meisten Orten katastrophal. Im Zug wird zum Beispiel einfach alles aus dem Fenster geschmissen, und zwar von jedem. In den meisten Orten sind keine Mistkübel zu finden, weshalb auch dort der Müll am Boden landet und diverse Tiere und Menschen anzieht. Mangels Entsorgungsmöglichkeiten verfällt man hin und wieder leider auch selber diesen indischen Gewohnheiten.
In den Großstädten wie z.B. Delhi oder Mumbai ist es in den moderneren, besser entwickelten Stadtteilen mittlerweile allerdings anders, und man findet tatsächlich Mistkübel und eine funktionierende Müllentsorgung.
RELIGION
Rund 80% der Inder sind Hinduisten. Die zweitstärkste Religionsgruppe wird mit ca. 14% von den Muslims gestellt. Buddhismus ist im Gegensatz zu Nepal - obwohl aus Indien stammend - nicht weit verbreitet.
Alleine schon geschichtlich bedingt ist das Verhältnis zwischen Hinduisten und Muslims nicht das beste, was zum Teil durch die starke Polizeipräsenz vor Tempeln belegt wird. Bei der Teilung des alten Indiens 1947 in Indien und Pakistan wurden rund 10 Millionen Menschen entwurzelt. Hinduisten und Sikhs wurden aus dem heutigen Pakistan vertrieben, Muslims aus Indien. Bis zu 1 Million Menschen kamen bei diesen Geschehnissen ums Leben. Regelmäßig werden in Indien terroristische Anschläge verübt, meist von muslimistischen Extremistengruppen. Der jüngste größere Anschlag geschah kurz bevor ich von Nepal nach Indien kam. Bei diesen Bombenanschlägen in Jaipur (nordöstlich gelegener Bundesstaat Rajasthan) kamen über 80 Menschen ums Leben.
TRINKGELD
"Baksheesh" ist etwas Alltägliches in Indien. Grundsätzlich versteht man die ganze Bandbreite zwischen Trinkgeld bis zu Bestechungsgeld darunter. Das Zahlen von Baksheesh verbessert so manches Service, macht nicht erhältliche Fahrkarten erhältlich, oder verhindert unter Umständen auch einen Gefängnisaufenthalt. Polizisten nehmen gerne Baksheesh. Ein Beispiel: Autorikshas dürfen manche Straßen nicht durchfahren, was von einem Polizisten kontrolliert wird. Wenn der Polizist jedoch 10 oder 20 Rupien (EUR 0,16 / EUR 0,32) bekommt, ist es plötzlich kein Problem mehr. Anderes Beispiel: Laut Erzählungen eines jungen Inders hat er schon mehrmals Polizisten, die ihm beim Joint Rauchen erwischt haben, 100 bis 200 INR (ca. EUR 1,6 bis 3,2) bezahlt, um eine Anzeige zu verhindern.
HOCHZEIT
So wie in Nepal sind auch in Indien die meisten Ehen noch von den Familien arrangiert (arranged marriages), wobei die Eheleute meist aus der selben Kaste kommen. Ehen wie bei uns (love marriages) sind allerdings vor allem in den wohlhabenderen Kreisen in den Großstädten am Zunehmen. Der Mann ist klassisch für die Ernährung der Familie inklusive der Eltern zuständig. Scheidungen gibt es selten, wobei die noch weit verbreitete wirtschaftliche Unselbstständigkeit der Frau, deren Aufgabe der Haushalt ist, ein wesentlicher Grund dafür sein dürfte.
KÖRPERSPRACHE
Hier gibt es ein paar wenige markante Unterschiede. "Ja" bzw. Zustimmung, was bei uns durch ein Vor- und Rückkippen des Kopfes signalisiert wird, funktioniert in Indien anders: Der Kopf wird abwechselnd links und rechts gekippt.
Ein gesprochenes "Danke" gibt es kaum, stattdessen wird der Kopf einmal nach links gekippt.
Eine weitere Besonderheit sind Händchen haltende oder sich seitlich umarmende Männer, was nicht bedeutet, dass diese schwul sind. Vielmehr wird so oft Freundschaft ausgedrückt.
FOTOGRAFIEREN
Meist ist es lustig, manchmal nervt es aber dann doch ziemlich, wenn die Leute ihre Handys (sofern vorhanden) zucken und fast bis zu den Nasenhaaren herankommen, um ein Foto von "diesem Ausländer da" zu ergattern. Teilweise kommt man sich dabei wie der Löwe im Schaukasten vor. Noch ärmer sind allerdings weibliche Touristen, die zum Teil wirklich unverfroren fotografiert werden, meist sogar ohne vorheriges Fragen.
Ja, natürlich habe auch ich viele Menschen fotografiert, aber meistens entweder unbemerkt, oder eben nach Rückfrage.
TEMPERAMENT
Meinem Empfinden nach ist das Temperament der Menschen in Indien um einiges höher als das der Menschen in Nepal oder auch Thailand, was u.a. an den riesigen Menschenmassen in Indien liegen mag.
Ich habe in Indien schon die eine oder andere Rauferei oder Beinahe-Rauferei gesehen. In Delhi hätte einmal ein anderer Riksha-Fahrer meinen Riksha-Fahrer fast aus der Riksha herausgefasst, und ich saß hinten drinnen, hörte mir das Brüllkonzert an, und wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte.
Meinen Empfinden nach sind Inder im Allgemeinen auch lauter und ausgelassener als etwa die Menschen aus Nepal, Thailand oder Laos.
ZEITUNTERSCHIED
Der Zeitunterschied von Indien zu Österreich (MEZ) beträgt in der Sommerzeit 3 1/2 Stunden - schließlich will man doch nicht in der selben Zeitzone wie der Erzfeind Pakistan (3 Stunden in der Sommerzeit) leben.
Witzigerweise ist die Zeit in Nepal nochmal 1/4 Stunde vor der Zeit in Indien, d.h. Zeitunterschied zur MEZ 3 3/4 Stunden. Und ich dachte bis vor kurzem noch, es gäbe nur Zeitzonen im Stundentakt...
VERHANDELN
Verhandeln ist in Indien ein eigenes Thema. Grundsätzlich muss man sagen, dass man als Tourist so richtig arm ist, wenn man den angemessenen Preislevel nicht kennt. Denn sobald dies die Leute merken, wird man gnadenlos über den Tisch gezogen.
Man muss allerdings unterscheiden: Im Lebensmittelbereich (d.h. Kauf von Bananen, Mineralwasser, Süßigkeiten oder anderem) läuft es sehr fair ab, und man zahlt zwar manchmal etwas mehr als lokale Leute, aber im Allgemeinen wird man kaum "gelegt".
Beim Shopping in anderen Bereichen sieht es allerdings wieder anders aus. Nur ein paar Beispiele:
- In Delhi (Connaught Place - Palika Bazar) wollte ich mir mal ein T-Shirt kaufen, wobei T-Shirts üblicherweise 100 INR - 200 INR (EUR 1,6 - EUR 3,2) kosten. Ich zeigte mich an einem T-Shirt interessiert und fragte nach dem Preis: "Nur 700 INR" war die Ansage des Verkäufers. Als ich ihn fragte, ob er denn noch bei Sinnen sei (ok, etwas freundlicher formuliert , war der nächste Preis 200 INR...
- Vor dem Agra Fort in Agra wollte ich mir Duracell-Batterien kaufen, und ich wusste, dass diese normalerweise 49 INR (ca. EUR 0,75) oder weniger kosten. 200 INR wollte der Verkäufer haben, aber ich bekam sie dann auch für die angesprochenen 50 INR, was allerdings nichts daran änderte, dass sie trotzdem Schrott waren.
- So richtig gelegt werden kann man z.B. auch bei Fahrkarten. Beispielsweise gibt es in New Delhi am Bahnhof jede Menge Keiler, die einem Zugtickets u.U. für den 5fachen Preis andrehen wollen, wenn sie merken, dass man nicht über Preise Bescheid weiß. Zugtickets daher immer direkt am Bahnhof kaufen, und nicht über Vermittler!
- Auch Taxifahrer/Rikshafahrer kassieren meist recht willkürlich, und gerade in diesem Bereich ist hartes Verhandeln angesagt. Sehr sinnnvoll ist es in diesem Zusammenhang, nach Möglichkeit immer im Guest-House/Hotel zu fragen, was denn eine Taxifahrt von dort nach dort kosten darf.
- Das Provisionsgeschäft blühnt natürlich auch in ganz Indien. Liefert dich ein Taxifahrer bei einem Hotel ab, will er meist Provision vom Hotelbetreiber abkassieren, was den Preis für das Zimmer in die Höhe treibt.
TRANSPORTMITTEL IN INDIEN
Indien ist groß, und zu Fuß lassen sich die weiten Distanzen zwischen den diversen Sehenswürdigkeiten nicht überwinden. Daher kurz ein paar Bemerkungen zu Transportmitteln:
Flug:
Wohl die angenehmste, aber auch teuerste Variante des Reisens. Billigfluglinien wie Kingfisher, Spicejet, Go Air, Indigo, oder die etwas teurere Jet Airways mit dafür besserem Service haben die Preise fürs Fliegen in Indien günstig gemacht. Mein Flug von Delhi nach Mumbai kostete z.B. EUR 55 (Go Air).
Zug:
Es gibt verschiedenste Klassen, wobei man die Allgemeine Klasse unbedingt vermeiden sollte! Für diese Klasse werden nur allgemeine Streckentickets ausgestellt, und einen Platz bekommt man dann, wenn man ihn sich im Wagon erkämpft! Sowohl das Ein- als auch das Aussteigen wird oft zum Horrortrip, vor allem dann, wenn man einen großen Rucksack mitschleppt. Die Enge und der Gestank während der Fahrt können auch sehr fordernd sein. Aber es ist auch eine gute Erfahrung, das zumindest einmal zu erleben. Ich hatte gezwungener Maßen dreimal die Ehre (keine anderen Tickets mehr verfügbar). Naja, wenigstens unschlagbar billig.
Man sollte daher jedenfalls ein "reserved booking"-Ticket erwerben, d.h. Klassen, wo man fix einen Platz zugeteilt bekommt. Schon SL-Klasse (sleeper class) reicht hier aus; man bekommt hier einen fixen Sitzplatz, und in der Nacht kann man die Sitze zu Liegen umlegen. Etwas komfortabler sind dann z.B. noch 3AC oder 2AC (wie SL, aber mit Bettzeugs und Air Condition), oder gleich die 1. Klasse, wobei die für einen Rucksacktouristen wirklich nicht notwendig ist. Problematisch ist, dass die Züge meist schrecklich überbucht sind, und man bei kurzfristigem Buchen oft keinen Platz mehr bekommt. Zwei Lösungen gibt es für diese Fälle:
- Ticket aus der tourist quota: auf Bahnhöfen mit kleinen Büros für Touristen (z.B. Delhi, Agra, Varanasi) sind bestimmte Quoten für Touristen reserviert, und mit etwas Glück bekommt man so noch ein Ticket
- Tatkal-Ticket: Wenn man beim normalen Reservierungsschalter die Auskunft bekommt, dass kein Ticket mehr verfügbar ist, kann man nach einem "tatkal-ticket" fragen. Dieses Notfallticket kostet halt dann noch einiges mehr (Tatkal-Aufschlag), aber man kommt so oft zumindest noch zu einem Ticket.
Bus:
Bus fahren ist sicher das gefährlichste und unbequemste der 3 erwähnten Transportmittel. Die staatlichen Busse sind 5-Reiher (3 Sitzreihen rechts vom Gang, 2 Sitzreihen links vom Gang). Man sollte es tunlichst vermeiden, ganz hinten der Nähe des Radkastens zu sitzen, denn das sind die Katapultplätze!
Und im nächsten Kapitel noch ein paar abschließende Worte zur Reise (the end is near...)
die indische Nationalflagge
Aufbruch: | 02.02.2008 |
Dauer: | 5 Monate |
Heimkehr: | Juli 2008 |
Nepal