Woanders iss auch schoen!
China: Neue und alte Huete: eine tibetische Familie
Das, was wir an unserer Radtour nicht gefunden haben, haben wir dann nachgeholt. Ich habe mit Piet und Kevin aus Canada ein Homestay (zu deutsch Uebernachtung in einem anderen Zuhause) bei einer tibetischen Familie ueber unser Hostel "gebucht". Wir wurden morgens dort hin gefahren, und verbrachten den Tag und die Nacht in dem Dorf, das gar nicht weit von der Stadt entfernt war.
Der Vater der Familie, er heisst Kesang, ist der Brennholzlieferant des Hostels, und ich weiss nicht ob er auf die Idee gekommen ist, den Reisenden sein Zuhause gegen Entgelt zu zeigen, aber es war eine gute Idee fuer alle Beteiligten!
Wir waren dort um ca. 12Uhr, und bekamen erst einmal einen leckeren Yak-Butter-Tee serviert. Das ist ein Gebräu aus gefuehlten mind. 50% Butter, Wasser und Salz. Wir fanden es ziemlich EKLIG, bekamen aber immer nachgegossen... Ja, das sind echte Strapazen! Dazu gabs frittiertes Brot, mit scharfen Gewuerzen zum Dippen. Lecker, aber auch fettig
Die Verstaendigung mit der Familie funktionierte mehr oder weniger mit Hand und Fuss, und auch mal wieder mit Hilfe meines ultrapraktischen Phrasenbuches und Woerterbuches. Es war lustig, aber manchmal auch frustrierend, weil ich so gern sooooo viel gefragt haette!! AM Anfang hat uns noch Joey, der Angestellte des Hostels der uns hin gefahren hatte, uebersetzt. Kesang (36 Jahre) erzaehlte uns, dass seine Familie frueher zu kommunistischen Zeiten ein hartes Leben hatte. Als er ein Junge war, haben sie oft zuwenig Essen und Geld gehabt. Denn zu kommunistischen Zeiten erhielten die Bauern nur einen minimales Entgeld fuer ihre Waren. Nun, mit dem kapitalistischen System, koennen sie individuelle Preise in der Stadt verhandeln und leben nun mit einem viel besseren Standard. Sie haben einen Fernseher, ein Fahrrad, Kesang hat sogar einen recht neuen nagelneuen Traktor und ein Motorrad, abgesehen von dem neuesten hoelzernen Wandschmuck in dem Gemeinschaftszimmer. Er zeigte uns nach dem Begruessungstee sein Gelaende, und den Stall, in dem seine Yaks unterkommen (die Yaks haben wir aber nicht gesehen, nur den Hirten, der es sich in dem Stall gemuetlich gemacht hatte ). Das alles machte auf uns einen "gut situierten" Eindruck, also in Relation zu dem, was wir erwartet hatten. Die Menschen hier sind mit wenig zufrieden, und kennen auch wenig Luxus oder den Ueberfluss, den wir bei uns haben mit unseren tausenden von Supermaerkten etc.
Aber auch hier wird es westlicher. Die Kinder lernen alle Mandarin, Pinyin und Englisch in der Schule, und viele junge Frauen tragen Baseball-Kappen und "westliche" Klamotten wie Trainingshose etc. Die Toechter sassen bis spaet abends vor dem Fernseher, der auch ununterbrochen lief.
Die Familie hat zwei Toechter. Sie leben in einem recht grossen Haus, das zweistoeckig ist. Im oberen "Stock" sind die Reaume fuer die Familie, unten sind Arbeits- oder Lagerraeume. Oben gibt es den zentralen Gemeinschaftsraum, in dem der Kamin gleichzeitig ein Herd ist und um den sich alle versammeln. Auch die Katzen kriechen gern darunter. Angrenzend ein kleiner Schlafraum fuer die ganze Familie. Wir schliefen im Gebetsraum, in dem neben einem Altar und diversen Heiligenbildern raetselhafterweise auch vier weitere Betten standen (kleine Besucher-Investition?).
Ein Badezimmer oder aehnliches gab es nicht. Die Geschaefte werden auf dem Feld hinter dem Haus verrichtet (vorsicht in der Dunkelheit! ). Morgens wurde uns ein Becken mit kaltem Wasser gereicht. Ich weiss nicht, wo sich alle am ganzen Koerper waschen, aber ich konnte leider schlecht fragen, wegen eventueller Missverstaendnisse...
Nachdem wir Kejongs Land gesehen hatten, fuerhte er uns noch ein wenig in der Gegend herum, und spaeter sind wir zu dritt weiter gegangen. Auf dem Rueckweg trafen wir auf eine Gruppe DOrfjungs, mit denen wir dann Basketball gespielt haben und auch Fussball. Ich als einzige Frau, auch noch aus dem Westen, anfaenglich wurde ich etwas beaeugt, aber nach einer Weile doch ins Spiel integriert.
Und dann hatten wir HUnGER!! wir wurden aufs neue auf einen delikaten Yak-Butter-Tee eingeladen, und bekamen auch fettiges Brot, aber irgendwie wollten wir MEHR. Anstelle dessen schenkte man uns den Reiswein in unsere Glaeser, und nicht zu knapp zu uns gesellten sich noch der Bruder und ein Freund von Kesang, und nach einigen Schlueckchen klappte es auch wunderbar mit der Kommunikation herrlich! Aber nach zwei Stunden und warscheinlich diversen unbemerkten Missverstaendnissen war er dann fertig: der Hotpot. Ein Topf, der sehr viele leckere Bestandteile hatte und ungefaehr vier Stunden gekocht hatte. Es versammelten sich alle: Kesangs Frau und seine zwei Toechter, die Grossmutter, sein Bruder und Freund und noch eine Frau, und alle sassen wir vergnueglich um den Hotpot herum und assen aus demselben. Es war koestlich, und danach ging es mir wieder sehr gut (und mir war warm!).
Links ueber mir: Chairman Mao (erstaunlicherweise, in einem tibetischen Zuhause), Fruechteposter , auf mir: ein klassischer Hut fuer die tibetische Frau (den hatte mir die Grossmutter aufgesetzt und immer gesagt, wie schoen das aussieht), in meinen Haenden der phaenomenal eklige tibetische Yak-Butter-Tee, den wir immer nachgefuellt bekamen... Es war toll!!!
Familienportraet am Kamin (etwas dunkel, aber so war es auch in dem Raum, und kalt!) um diesen Tisch herum haben wir den Hotpot gegessen.
Aber um 22Uhr wurden wir sehr muede und krochen in die eiskalten Betten (nachts und abends wird es hier oben ziemlich kalt), wobei unsere Gastgeber hier erst zu (akustischen) Hoechsttouren auffuhren! Auch morgens um 9Uhr waren sie schon wieder munter und aktiv wie abends. Wir schaemten uns ziemlich, dass wir einen so faulen und verwichlichten Eindruck machten. Aber anscheinend hatten wir viel Schlaf gebraucht, nach all den Eindruecken. Ach ja, und die Hoehenluft ...
Zum Fruehstueck gabs, dreimal duerft Ihr raten... YAK-BUTTER-TEE und FETTIGES BROT aber mit Gurkensalat! Um 11Uhr wurden wir wieder abgeholt.
Also es war ein sehr sehr schoenes Erlebnis gewesen, bei dieser Familie zu sein. Unsere Vorstellungen der armen, spartanischen und sehr urspruenglichen tibetischen Familie hatten sich durch den Besuch relativiert, und ich glaube, wir waren in einer "ganz normalen" modernen tibetischen Familie zu Gast gewesen, in der man sowohl die traditionellen Huete als auch Baseball-Kappen tragen kann. Ich wuerde gern in 10 Jahren wieder hinfahren und sehen, was aus dem Dorf und seinen Leuten geworden ist.
Aufbruch: | 01.03.2009 |
Dauer: | 12 Wochen |
Heimkehr: | 23.05.2009 |
Gokarna
China