30.000km - 4 Monate - 1 Paar Schuhe
Berlin - Bratislava - Kiev - Moskau
Jetzt habe ich ein Gefuehl dafuer, wie gross die Entfernung zwischen Berlin und Moskau ist... 2500km mit dem Zug in 54 Stunden plus 8h Umsteigezeit in Bratislava. Zur Veranschaulichung: Abends in Berlin in den Zug gestiegen, die Nacht durchgefahren, morgens Bratislava erreicht, 8h warten, in den Zug gestiegen und dort den Rest des Tages verbracht, die Nacht durchgefahren, es wird wieder Tag und es wird nochmal Nacht; ankommen in Moskau um 11:30 Uhr Ortszeit.
Schlafen konnte ich nicht viel. Im Zug nach Budapest ueber Bratislava hatte ich einen Sitzplatz in einem Abteil mit sechs Plaetzen. Bis Prag war ich in Begleitung einer Amerikanerin. Ab Prag hatte ich dann das ganze Abteil fuer mich allein und konnte mich quer ueber drei Sitzplaetze schlafen legen. Nach gerademal einer Stunde Schlaf bin ich um 2 Uhr wach geworden und blicke ploetzlich auf einen Typen, der mir gegenueber sitzt, grinst und mich dabei anstarrt und dies wahrscheinlich auch schon getan hat, waehrend ich geschlafen hab. Ich schaue ihn verstoert an, er spricht irgendwas unverstaendliches (slowakisch?) und reicht mir seine Hand mit einer selbstgedrehten Kippe. Ich lehne dankend ab, er steht auf und verlaesst das Abteil. Kann mir gut vorstellen, dass er den richtigen Moment abwarten wollte und meinen Rucksack im Blick hatte. Jedenfalls ist er nicht mehr zurueck gekommen, ausgestiegen ist er nicht, denn der Zug hat nicht gehalten, und Gepaeck hatte er auch nicht bei sich, keinen Koffer, keine Tasche. Alles sehr suspekt. Die naechsten zwei Stunden bin ich erstmal wach geblieben.
Mein Wecker hat versagt, aber ich wache noch rechtzeitig auf, um den Zug in Bratislava zu verlassen. Ich kaufe mir sofort das Ticket fuer den Schlafwagon nach Moskau, der jeden Tag um 13:57 Uhr abfaehrt. Die Zeit bis zur Abfahrt nutze ich, um mir Proviant zu kaufen und erstmal was gegen den Hunger zu unternehmen. Leider gibt es in Bratislava vor 10 Uhr nichts was meinen Hunger stillen koennte, ich muss also vier Stunden warten.
Um halb zwei faehrt die Regionalbahn nach Kosice ein. Ich laufe zum Ende des Zuges, wo ein olivfarbener Schlafwagen der russischen Eisenbahn angehaengt ist. Der Provodnik und die Provodniza (Schlafwagenschaffner/in) nehmen mir mein Ticket ab und behalten es bis zur Ankunft in Moskau. Der Wagon wird laut meinen Informationen unterwegs zweimal abgekoppelt und an jeweils andere Zuege angehaengt. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass uns beinahe jeder slowakische und ukrainische Regionalzug fuer ein paar Kilometer mitgenommen und wieder an einen anderen weitergegeben hat. Die Bahnstecke ist nicht die Beste, man wird hin und her, rauf und runter geschuettelt, man spuert wie das Fahrgestell unter den Fuessen rattert und Schlauchleitungen unterm Fussboden in wechselnden Rhythmen an den Wagon schlagen. Mein Schlafabteil war kleiner als ein Ehebett und fuer drei Personen konzipiert. Die Einrichtung stammt aus den 60er Jahren (der Wagon war Baujahr '68/'71) und die Matratzen haerter als der Rote Platz in Moskau. Alles in allem, ein echtes Bahnabenteuer in Osteuropa!
Was bei einer Zugfahrt durch die ehemaligen Ostblockstaaten auf keinen Fall fehlen darf, sind die Grenzkontrollen. Mitten in der Nacht klopft der Provodnik an die Abteiltuer, man oeffnet die Tuer, setzt sich wie ein unschuldiges Lamm auf sein Bett und wartet darauf, dass die Grenzbeamten/soldaten in Flecktarnuniformen und Kaninchenfaellmuetzen kommen und deinen Pass kontrollieren. Dies geschieht einmal an der slowakisch-ukrainischen Grenze und an der ukrainisch-russischen Grenze. Den ukrainischen Beamten hab ich, wohlgemerkt unbeabsichtigt, darauf getestet, ob er korumpierbar ist. Als er vor meinem Abteil stand und meinen Pass sehen wollte, hab ich den Pass locker aus der Hosentasche gezogen. Nur leider hing daran noch ein gefaltetes Buendel 100 Rubel Scheine, das zwischen uns beiden auf den Boden fiel. Er verhielt sich aber tadellos und hat es freundlich zurueckgewiesen.
In Chop, an der ukrainischen Grenze, wurden in der ersten Nacht zwischen 0:30 und 4:00 Uhr die Fahrgestelle gewechselt, da die Schienen in der Ukraine und Russland eine andere Spurbreite haben als im Rest Europas. Dazu wird der gesamte Wagon mit Spindelantrieben in die Hoehe gehievt, waehrend die Bahnarbeiter die alten Fahrgestelle beiseite schieben und durch die neuen austauschen. Dieses aussergewoehnliche Schauspiel konnte ich mir natuerlich nicht entgehen lassen. Zusammen mit Sascha, meinem ukrainischen Abteilnachbarn, habe ich die Arbeiten vom Wagon aus verfolgt, wahrend er mir ausfuehrlich erklaerte was gerade vor sich geht.
Jetzt bin ich in Moskau und schlafe bei meinem Gastgeber Ilian fuer zwei Naechte auf dem Fussboden seiner Einzimmerwohnung. Dazu dann mehr im naechsten Kapitel...
vom 17.11.2012
Aufbruch: | 14.11.2012 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | März 2013 |
China
Singapur
Indonesien
Nepal
Indien
Vereinigte Arabische Emirate
Iran
Deutschland