30.000km - 4 Monate - 1 Paar Schuhe

Reisezeit: November 2012 - März 2013  |  von Marcus W.

Varanasi - Gwalior

In Varanasi habe ich einige Tage gebraucht, um mich an Indien zu akklimatisieren - den Laerm und das Gedraenge auf den Strassen zu ignorieren, nicht zu reagieren wenn jemand "Hello my friend!" ruft - was ungefaehr alle drei Minuten der Fall ist - und meinen Durchfall, der einen Tag nach Uebertreten der Grenze einsetzte, zu akzeptieren. Dann sollte die Reise weitergehen; und zwar mit dem Zug. Am Bahnhof habe ich mich in die lange Schlange am Ticketschalter eingereiht. Ich wurde aber an das 'Tourist Office' verwiesen. Alle Nicht-Inder muessen dort ihr Ticket kaufen. Im Tourist Office sitzt jemand an einem kleinen Monitor mit DOS Betriebssystem, tippt auf seine Tastatur und sagt dann "Train is full". Man fragt nochmal nach und er sagt: "Look, Computer says no." Ein Ticket muss lange im Voraus gekauft werden. Die Zuege sind regelmaessig ausgebucht - kein Wunder bei 1,2 Milliarden Indern. Man hat dann nur die Moeglichkeit sich auf die Warteliste setzen zu lassen. Ich war Nr. 61 auf der Liste und sollte einen Tag vor der geplanten Zugfahrt nochmal ins Buero kommen. Wenn ich der erste oder zweite in der Warteschlange sein wuerde, haette ich die Chance auf ein Ticket; so wurde mir gesagt.

Also bin ich zwei Tage spaeter nochmal zum Bahnhof gefahren. Um 7 Uhr, eine halbe Stunde vor Oeffnung, als Siebter in die Schlange gestellt und die Hoffnung auf ein Zugticket schon verloren. Ich musste einen Antrag auf ein EMERGENCY (Tatkal) Ticket stellen. In jedem Zug gibt es ein gewisses Kontingent an Plaetzen, die nicht reserviert werden koennen, sondern erst einen Tag im Voraus verkauft werden. Der Ticketverkaeufer hatte alle Antraege auf seinem Schreibtisch gelegt (in der Reihenfolge wie man vorher angestanden hat) und begann um exakt 10 Uhr die Ticketantraege in seinen Computer einzutippen. Denn das Buchungssystem wird um 10 Uhr freigeschaltet - und zwar in ganz Indien. Ich hatte also nur die Chance auf ein Ticket, wenn er schnell genug meinen Antrag eintippt bevor das Kontingent aufgebraucht ist. Um 10:30 Uhr waren dann alle Plaetze verkauft und ich hatte mein Ticket eine halbe Stunde spaeter ausgedruckt in der Hand. Glueck gehabt!

Am naechsten Tag bin ich dann in den "Bundelkhand Express" gestiegen, der mich von Varanasi nach Gwalior bringen sollte. Ich hatte ein Ticket fuer die vierte Klasse. Im Wagon war es ein wenig schmutzig, ich hab die ein oder andere Kakerlake gesehen und es gab keine Zudecken. Also habe ich meinen Rucksack als Kopfkissen und meine Jacke als Decke genommen. Am folgenden Tag ist der Bundelkhand Express mit einer Verspaetung von 8,5 Stunden im Bahnhof von Gwalior eingefahren. Ich frage mich bis heute, wie das moeglich sein kann. Verspaetungen sind in Indien nicht ungewoehnlich, mir wurde von Zuegen berichtet, die 20, ja sogar 30 Stunden spaet waren. Aber mein Zug hat fuer die nur 624km lange Strecke 19,5 Stunden gebraucht. Das ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 32km/h. Wir sind aber schneller gefahren. Also wo ist die Zeit geblieben?! Es gab keine Unfaelle und niemand hat sich auf die Gleise geworfen. Meine einzige Erklaerung ist, dass der Zugfuehrer, als alle Passagiere nachts schliefen, den Zug irgendwo geparkt und auch ne Muetze voll Schlaf genommen hat.

Nach Gwalior bin ich gefahren, weil ich mir dort das Fort anschauen wollte. Ich bin dann morgens dort hoch, fand den Eintrittspreis aber unverschaemt hoch und wollte umdrehen. Der Preis war 10 Rupie fuer Inder und 250 Rupie fuer Auslaender. Ich bin dann aber noch einen Tee trinken und habe dabei Kadu kennengelernt. Er hat sich mir als Guide angeboten und wollte mich mit seinem Roller zu zwei Tempeln fahren, was mir sehr lustig erschien, in Anbetracht dessen, dass Kadu gerade einmal 10 Jahre alt ist. Ich habe mir dann ein Ticket fuer 100 Rupie gekauft und bin zu Kadu auf den Roller gestiegen. Seine Beine waren etwas zu kurz und ich zu schwer fuer ihn; schlangenlinien-fahrend sind wir dann losgeduest. Er wohnt ganz in der Naehe und hat sich oft bei den Tempeln aufgehalten. Indem er Touristenfuehrern zugehoert hatte, hat er Englisch und Spanisch gelernt und wusste ueber die Tempel zu erzaehlen. Nach unserer Tour haben wir noch einen Tee getrunken, besser gesagt, ich habe Tee getrunken, er eine Zigarette geraucht. Dabei hat er mir noch ein wenig ueber sich erzaehlt. Bevor er naemlich Guide wurde, war er "Salesman" und hat so Geld fuer seine Familie verdient.

vom 20.02.2013

Im Zug nach Gwalior - vierte Klasse, oberstes Bett

Im Zug nach Gwalior - vierte Klasse, oberstes Bett

Gwalior Fort (1)

Gwalior Fort (1)

Gwalior Fort (2)

Gwalior Fort (2)

Tempel

Tempel

Skulpturen am Tempel

Skulpturen am Tempel

zweite Tempel

zweite Tempel

Kadu mit seinem Roller

Kadu mit seinem Roller

Ghaus Tomb in Gwalior

Ghaus Tomb in Gwalior

Friseur auf der Strasse (Gwalior)

Friseur auf der Strasse (Gwalior)

© Marcus W., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Vier Monate lang werde ich den asiatischen Kontinent bereisen. Am 14. November starte ich mit dem Zug von Berlin aus Richtung Osteuropa. Die genaue Route lasse ich mir offen, fest steht nur, dass ich spätestens Mitte März wieder hier ankommen möchte. Dazwischen liegen Russland, China, Südostasien, Indien und Nepal, die ich bereisen werde. Zurück gehts über den Iran, wenn die politische Lage es zulässt. Insgesamt liegen geschätzte 30.000 km vor mir.
Details:
Aufbruch: 14.11.2012
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: März 2013
Reiseziele: Russland / Russische Föderation
China
Singapur
Indonesien
Nepal
Indien
Vereinigte Arabische Emirate
Iran
Deutschland
Der Autor
 
Marcus W. berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.