30.000km - 4 Monate - 1 Paar Schuhe

Reisezeit: November 2012 - März 2013  |  von Marcus W.

Singapur - Insel Natuna

Von Singapur hat mich ein Schnellboot nach Tanjung Pinang, auf der indonesischen Insel Bintan, gebracht. Bei Ankunft im Hafen musste ich 10 USD fuer ein sieben Tage Visum bezahlen und hab mich gleich darauf am naechsten Bankautomaten mit der indonesichen Waehrung eingedeckt. 1,6 Millionen Rupiah fuer eine Woche sollten ausreichen. Dann noch den Preis fuer den Minibus nach Kijang um 30.000 Rupiah gedrueckt und als einziger Fahrgast neben einem Dutzend brauner Kartons Platz genommen. Bei jedem Stop, an dem neue Kartons zugeladen wurden, hat der Fahrer mir entweder eine Flasche Wasser oder Fruechte ausgegeben - ein klares Zeichen dafuer, dass ich fuer die Fahrt zuviel bezahlt habe. Egal, er bringt mich direkt zum Hafen von Kijang und zeigt mir, wo ich das Ticket fuer die Faehre nach Natuna kaufen kann. Ich hatte bereits in Singapur zwei Stunden damit verbracht, das kleine Buero der indonesischen Faehrgesellschaft Pelni aufzusuchen, um mein Ticket im Voraus zu kaufen. Dort konnte man mir zwar keines verkaufen, hat mir aber versichert, dass es kein Problem sei, das Ticket vor Abfahrt am Hafen zu erstehen. Es war auch kein Problem - ich musste nur 40 Minuten in einer hektischen Menschenansammlung vor dem Ticketschalter mit meinen Geldscheinen wedeln. Dann hatte ich endlich mein Ticket zur Insel Natuna in der Hand.

Ich muss ehrlich sein, und sagen, dass ich mir soetwas aehnliches wie eine Kreuzschifffahrt vorgestellt habe. Eine dreitaegige Kreuzfahrt, vorbei an traumhaften Inseln, waehrend ich auf Deck unter einem Sonnenschirm liege - und das fuer 15,87 Euro. Okay, bei diesem Schnaeppchenpreis wuerde ich wohl nur ein Bett in einem Schlafsaal bekommen. Aber es kam noch viel besser! Die KM Binaiya - deutsches Fabrikat, Baujahr 1994 - fuhr mit einer Stunde Verspaetung im Hafen ein. In Indonesien umgebaut als massentauglicher "Viehtransporter" fasst das Schiff 3500 Passagiere, in Schlafsaelen mit je circa 500 Pritschen. Nach ueber einer Stunde warten hat sich das Schiffsinnere mit Menschen gefuellt. Es stroemen aber immer noch Leute die Treppen hinauf an Board.

Ich warte zusammen mit Arif und seiner Familie. Er ist Englischlehrer auf den Anambas Inseln; wir haben uns kurz vorher kennengelernt. Nach einer weiteren halben Stunde gehen auch wir endlich an Board. Nur gibt es schon lange keine freien Schlafplaetze mehr. Wir muessen, wie hunderte andere Passagiere, draussen an Deck schlafen. Selbst hier ist es schwierig einen freien Platz zu finden, ueberall liegen Menschen auf Plastikmatten, die man im Hafen fuer 50 Cent kaufen konnte. Man muss ueber ihr Gepaeck springen, um voran zu kommen. Arif, seine Frau, sein vierjaehriger Sohn und ich gehen dann aufs Oberdeck, zusammen mit Freunden, die sich uns auf der Suche nach den letzten freien Plaetzen angeschlossen haben. Dort breiten wir dann unsere Matten aus und setzen uns. Ich werde nach und nach anderen Lehrern, dem Schulleiter, dem Buergermeister der Insel und der gesamten Englischklasse vorgestellt. Es waren gerade Ferien und beinahe alle Inselbewohner haben zusammen auf Bintan den Jahreswechsel verbracht. Alle sind sehr interessiert an mir, wollen Fotos mit mir; Maedchen sagen mir ich sei "handsome" und notieren sich meine Emailadresse, ausserdem wollen sie, dass ich mit ihnen auf ihre Insel komme.

Die Nacht wird dann etwas unbequem, das Deck ist nicht aus Holz, sondern aus einwandfrei gehaertetem Stahl. Ich wache nachts oefters vom Wind auf, der auf hoher See sehr stark blaest; wickel mich dann in meine 1,5mx1,5m kleine Plastikmatte ein, lege meinen Kopf auf meinen Rucksack und schlafe weiter. Am naechten Tag verliere ich Arif und seine Familie aus den Augen, sie und alle anderen Leute, dich ich zuvor kennengelernt habe, verlassen dann gegen Abend im Hafen von Tarempa das Schiff. Ich habe mich den Tag ueber in schattigen Ecken vor der gnadenlosen Sonne versteckt.

Die zweite Nacht suche ich mir einen neuen Schlafplatz. Ich klettere eine Leiter hinauf und springe in ein Rettungsboot, wo schon ein paar Leute verstreut liegen. Ich lege mich zu ihnen. Bequem ist es hier nicht, dafuer aber windgeschuetzt. Bleibt nur zu hoffen, dass ueber Nacht keine Evakuierungsuebung durchgefuehrt wird. Am dritten Tag bin ich dann ziemlich geraedert - zwei Naechte auf hartem Untergrund gehen nicht spurlos an einem vorbei. Hinzu kommt noch die Toilettensituation an Board. Die Toilettenbecken wurden irgendwann einmal entfernt und es blieb nur noch ein Loch im Boden; aufgrund von ueber 30 Grad Lufttemperatur steigt ein beissender Gestank aus der Sammelgrube hinauf. Das, und die riesigen Kakerlaken, die aus diesem Loch hinausgekrochen kommen, machen die Toilettengaenge nicht gerade zu einem Vergnuegen. Einmal war der Gestank so aetzend, dass ich unverrichteter Dinge die Toilette verlassen musste - weil meine Augen brannten. Haette ich in dem Moment ein Streichholz entflammt, waere wahrscheinlich das gesamte Schiff explodiert.

Nichtsdestotrotz habe ich die Fahrt genossen; auf ein Stueck Pappe an Deck sitzen, meine Fuesse ueber die Reling haengen lassen und hinaus aufs Meer zu schauen. Mit einer Verspaetung von 13 Stunden erreichen wir dann am 8. Januar den Hafen von Natuna.

vom 12.01.2012

am Hafen von Kijang

am Hafen von Kijang

auch draussen kaum noch Platz zum schlafen

auch draussen kaum noch Platz zum schlafen

Arif, seine Familie, Freunde und ich

Arif, seine Familie, Freunde und ich

das Toilettenloch

das Toilettenloch

in Letung kommen noch mehr Leute an Board

in Letung kommen noch mehr Leute an Board

Letung (1)

Letung (1)

Letung (2)

Letung (2)

die Rettungsboote

die Rettungsboote

schlafen im Rettungsboot (ich liege gleich links)

schlafen im Rettungsboot (ich liege gleich links)

auf meiner Pappe an Deck....

auf meiner Pappe an Deck....

... mit Blick auf kleine Inseln, die vorbei ziehen

... mit Blick auf kleine Inseln, die vorbei ziehen

Ankunft in Natuna

Ankunft in Natuna

© Marcus W., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Vier Monate lang werde ich den asiatischen Kontinent bereisen. Am 14. November starte ich mit dem Zug von Berlin aus Richtung Osteuropa. Die genaue Route lasse ich mir offen, fest steht nur, dass ich spätestens Mitte März wieder hier ankommen möchte. Dazwischen liegen Russland, China, Südostasien, Indien und Nepal, die ich bereisen werde. Zurück gehts über den Iran, wenn die politische Lage es zulässt. Insgesamt liegen geschätzte 30.000 km vor mir.
Details:
Aufbruch: 14.11.2012
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: März 2013
Reiseziele: Russland / Russische Föderation
China
Singapur
Indonesien
Nepal
Indien
Vereinigte Arabische Emirate
Iran
Deutschland
Der Autor
 
Marcus W. berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.