Badeinsel ohne Baden – oder die letzte Kanareninsel

Reisezeit: März 2017  |  von Herbert S.

die nördliche Insel-Mitte : das Ecomuseo de la Alcogida (Tefia)

Auf Ulrikes Programm steht sodann das Ecomuseum bei Tefia mit einer Reihe von alten bäuerlichen Gebäuden auf dem Programm. Der Besucherstrom nimmt rapide ab, nachdem ein Bus seine Ladung wieder einverleibt hat.
Die Siedlung von La Alcogida befindet sich im südlichen Teil von Tefia, gelegen in einer weitläufigen Ebene im Nordosten der Insel. Im Osten wird sie von einer Bergkette flankiert.
Im Süden sticht der Berg Montaña Bermeja mit seinem roten Bimsstein hervor, ein Material, dass traditionell für die Eckkanten von Bauten genutzt wird, wie man bei mehreren Häusern der Siedlung sehen kann. Im Westen erstreckt sich eine riesige Ebene, wo sich eine Gofiomühle befindet. Diese hat die Besonderheit mit sechs Windmühlenflügeln ausgestattet zu sein, wohingegen die Mehrheit der Mühlen auf der Insel vier haben.

Warum sieh einst Menschen Él dieser Gegend niederliessen liegt darin begründet, dass sie sich in der Nähe einer 'alcogida' ansiedelten, d.h. einem Gelände, das zum Sammeln von Regenwasser diente, indem das Regenwasser mittels Abzugsgräben in die dafür geschqffenenen Wassersammelbecken geleitet wurde.
Die hier ansässige Bevölkerung widmete sich traditionell der Viehwirtschaft und dem Getreideanbau. Diese wirtschaftlichen Aktivitäten haben ihre Spuren in der Landschaft hinterlassen; im Verlaufe der Zeit wurde diese sowohl von Ackerbau als auch von der Nutzung der Wasserresourcen geprägt. Die Siedlung setzt sich aus einer Ansammlung von Wohnhäusern zusammen, wie sie für die traidtionelle häusliche Architektur Fuerteventuras repräsentativ ist.

HAUS VON HERRN JACINTO
Typologie.- Dieses Wohnhaus besteht auf zwei Teilen; dem Wohntrakt - mehr zum Norden hin gelegen - und dem anderen Teil, welcher für die Tiere bestimmt war.
Bauelelemente.- Sämtliches Mauerwerk des Wohnhauses ist aus Kalkstein und Steinen errichtet; die Zwischenräume sind mit Füllsteinen und Lehm geschlossen. Die Verkleidung aus Mörtelkalk und Sand lässt einige Steine grösserer Ausmasse umbedeckt wie auch Quadersteine, die die Eckkanten, sowie die Tür - und Fensterhohlräume bilden.

Bergkette im Osten

Bergkette im Osten

HAUS NR. 2 -HAUS VON SEÑA HERMINIA
Typologie*- Das auf seine Basisfunktion reduzierte Bauernhaus, die Architektur der einfachsten Familien, wird durch dieses bescheidene Wohnhaus repräsentiert. Es besteht aus drei nebeneinanderliegenden Hauptzimmern und zwei kleinen angebauten Nebengelassen an der Westseite.
Bauelemente.- Die aus Steinen und Lehm gebauten Mauern verfügen über bearbeitete Quadersteine an den Ecken sowie den Tür - und Fensterkanten. In den Haupträumen sind sie teilweise mit Kalk und Sand verkleidet, wobei einige der grösseren Steine und die Eck-Quadersteine freigelassen wurden. Schuppen und Küche wurden aus Trockengestein, ohne Aussenverkleidung, gebaut. Die Decken variieren in den verschiedenen Zimmern. Der am östlichsten gelegene Raum, welcher im Rahmen einer nachträglichen Erweiterung entstanden war, hat ein Flachdach aus Holzbalken, die
der Schrägausrichtung des Zimmers folgend, auf den Mauern lagern. Die zwischen den Balken aufgebrachten Matten aus Rohrgeflecht sind das stützende Element für die Schicht aus Lehm und Stroh. Für die anschliessenden Zimmer wurde ebenfalls Rohr verwendet; in diesem Falle ist die Decke jedoch beidseitig schräg abfallend. Diese hat eine Aussenkante aus Steinplatten zum Schutz des Lehm-Strohgemischs. Die Küchendecke hat eine leichte Neigung, damit das Wasser besser abfliessen kann. Verwendete Materialien sind Stämme aus Tarajal (fichtenähnliches Holz) für die Balken und und Stöcke von Mimosen und Tarajal zum Ausfüllen der Räume zwischen den Balken.
Die Kargheit dieses Wohnhauses zeigt sich eindrücklich in der winzigen Küche. Auf deren Sockel befindet sich die Kochstelle, eine Öffnung, die aus drei Steinen gebildet wird; auf diese wird der Topf gestellt und darunter das Feuer entfacht.
Das Haus ist von Süden her mittels einer niedrigen Mauer aus Trockengestein geschlossen, wobei ein kleiner, geschützter Innenhof gebildet wird.

ANWESEN DES HERRN TEODOSIO RAMOS
Typologie.- Dieses, in der Mitte der Siedlung "la Alcogida" gelegene, Wohnhaus ist vom funktionellen als auch architektonischen Gesichtspunkt her eines der Komplettesten. Es ist ein aus zwei Teilen bestehendes, grossflächiges Gebäude, welches durch einen geschlossenen Innenhof miteinander verbunden ist. Im Osten erstreckt eich eine hohe Mauer mit einer Holztür; die nach Süden abschliessende, kleine Mauer hat eine Gittertür.
Die Wohnräume sind nach Süden gerichtet. Die übrigen Zimmer werden anderweitig, im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Aktivitäten, genutet.
Bauelemente.- Sämtliches Mauerwerk besteht aus Steinen und Lehm, die Ecken sowie Tür- und Fensteröffnungen sind aus bearbeiteten Vulkan-Quadersteinen gefertigt. Die Hausfassade ist mit Kalk und Semd verputzt, wobei einige Steine frei gelassen wurden, so wie auch die Eckquadersteine und die Tür-und Fensterpfosten.
Dächer: Bei den Dächern gibt es einerseits das beidseitige Schrägdach und andererseits das Flachdach. Als Stützelment des Lehm-Strohgemisches werden in den Haupträumen Rohrgeflechtmatten verwendet, bei der Bodenkammer mit Flachdach ist die Holzplatte das tragende Element und in Stall und Tahona übernehmen Stöcke aus Tarajal diese Funktion.
Diese Haus hat Wassersammelbecken mit vorgelagerten Filterkammern. Eins befindet sich im Innenhof welches mit einer Struktur aus Mauerbögen mit daraufgelagerten Kalksteinplatten abegedeck ist. In diesem Becken wird das Wasser gespeichert, welches von den Dächern in den Hof fliesst und es gibt noch ein weiteres Becken, dass sich ausserhalb des Innenhofes, an der Rückseite des Hauses, befindet. Das Wohnhaus hat Räumlichkeiten, die in direkter Verbindung mit der wirtschaftlichen Aktivität dieser Region stehen. Das sind die Stallungen, die Futterkammer, ein Zimmer unten und die Dachkammer bzw. der Oberboden, ein kleiner Stall ohne Dach und die Tahona. Im Stall wurden die wertvolleren Tiere untergestellt, wie z. B. Rinder, Kamele, Esel und Maultiere.
Das Gelass mit ebenerdigen Raum und Oberboden wurde als Lager genutet. Unten wurden Geräte und Werkzeuge aufbewahrt. Der, vor Feuchtigkeit und Nagetieren geschützte, Oberboden diente als Lagerraum für die aus der Landwirtschaft und Viehhaltung gewonnenen Produkte (Käse, Trockenfeigen, getrocknete kaktusfeigen,
getrocknete Sardinen, Trockenfisch usw.) Dieses Haus verfügt ausserdem über eine Tahona, was nicht immer überall der Fall war. Deshalb hatten oftmals mehrere Erben das Recht auf deren Nutzung. Das Haus hat ebenfalls einen Backofen aus Lehmziegeln.

Tahona ist ein Raum, wo das Korn geröstet und anschliessend per Handmühle oder mit von Kamel betriebener Mühle zu Gofiomehl gemahlen wurde.

Gofio-Handmühle

Gofio-Handmühle

Tahona

Tahona

HAUS DER HERRERA
Typologie,- Das ist eines der komplettesten Wohnhäuser hinsichtlich seiner Struktur. Es verfüugt über zwei Wohnungen: eine in L-Form, nach Süden und Osten ausgerichtet und die andere, grössere, in U-Form, welche zur ersteren hin offen ist.
Bauelemente.- Die Mauern dieses Gebäudes sind aus Stein und Lehm errichtet, die Ecken aus Quadersteinen, ausgenommen die Südmauer der östlich gelegenen Wohnung. Die Verkleidungen sind teilweise mit Kalk und Sand vorgenommen, wobei die Eckquadersteine und Pfosten, sowie einige grössere Steine freigelassen wurden.
Dächer.- Es gibt die zwei Dachtypen: das Flachdach als auch das beidseitige Schrägdach. Beide haben als Aussenabdeckung das Lehm-Strohgemisch, Lehm und Sprue.
Das zweiseitige Schrägdach wiederum lässt sich in zwei Systeme aufteilen:
Die Dachbalken lagern vertikal zum Dachfirst. Die Dachbalken verlaufen horizontal, dh. sie sind parallel zum Giebel verlegt.
Als Stützelement der Schicht aus Lehm-und Strohgemisch werden in einigen Räumen miteinander vernutete Holzplatten verwendet.
Auf dem kleinen Vorplatz des Hauses sind noch Überreste der früher angebauten Kaktusfeigen sowie Agaven vorzufinden, Überbleibsel der verschiedenen wirtschaftlichen Etappen, die Fuerteventura durchlebte, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Aufschwung des Handels mit Cochinellenläusen und nach dem Bürgerkrieg der Handel mit aus Agaven gewonnenem Hanf.

Käseherstellung

Käseherstellung

U.a. können wir auch hier eine Dame bei der Hohlsaumstickerei bewundern, das uns ja in Lajares verweigert wurde.

Die Lochstickerei ist eines der bedeutendsten traditionellen Handwerke auf den Kanarischen Inseln. Der Ursprung dieses Handwerks geht auf die Ankunft der Siedler zurück, die nach der europäischen Kolonialisierung auf die Insel zogen. Seitdem hat sich eine Vielzahl verschiedener Muster entwickelt.
Bei der Lochstickerei werden Fäden aus dem Stoff herausgezogen, wodurch Löcher entstehen, die dann umstickt werden. So entstehen wunderschöne Designs mit geometrischen Mustern.
Auf Fuerteventura genießt dieses Handwerk eine sehr alte Tradition. Das Design Redondillo majorero wird ausschließlich auf Fuerteventura angefertigt, obwohl es dort nur eines von vielen Mustern ist.
Über viele Jahre verdienten sich die Handwerkerinnen ihren Lebensunterhalt, indem die Stickereien auf dem spanischen Festland verkauft wurden. Die Nachfrage nach diesen Stickereien ist jedoch stark zurückgegangen, nachdem aus Asien deutlich günstigere Waren importiert werden können, die die kanarischen Stickereien imitieren.
Materialien: Baumwollstoffbahnen, Garn, Batist oder Seide
Werkzeuge: Stickrahmen, ein Gestell zum Abstützen des Rahmens, Nadeln, Scheren, Stickring. Am häufigsten wird ein rechteckiger Rahmen mit vier Holzleisten verwendet.

Weben

Weben

Im letzten Raum befindet sich dann - wie es sich gehört - der Museumsshop, in dem man aus der Stickerei, Weberei und den per Hand gefertigten kleinen Bastelarbeiten erstehen kann.

Gofiomühle im Westen

Gofiomühle im Westen

© Herbert S., 2017
Du bist hier : Startseite Europa Spanien das Ecomuseo de la Alcogida (Tefia)
Die Reise
 
Worum geht's?:
Alle Freunde und Bekannten haben uns gefragt, ‚was macht Ihr denn auf Fuerteventura?’. Zunächst wollten wir nur dem deprimierenden Wetter aus Deutschland entfliehen. Dann lieben wir Vulkanlandschaft und Wüste. Und beides hoffen wir eine Woche lang genießen zu können.
Details:
Aufbruch: 09.03.2017
Dauer: 8 Tage
Heimkehr: 16.03.2017
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
Bild des Autors