Asien 2005: Der Weg BLEIBT das Ziel

Reisezeit: Januar - Juni 2005  |  von Armin und Petra Storek

VIETNAM: Carmen in Hoi An

01. Maerz, Hanoi, Vietnam

[Die nackten Fakten: Bus von Nha Trang nach Hoi An, auf Schusters Rappen ins Hotel]

Dem aufmerksamen Leser unseres Reiseberichtes wird nicht entgangen sein, dass sich aus allen Kapiteln seit Verlassen des Mekongs eine leichte Katerstimmung bei den Reisenden attestieren laesst. Mancher wird sich gar gefragt haben: Werden unsere Helden je wieder gaenzlich gluecklich sein? Dieses Kapitel soll ihm Antwort geben.

Da eine direkte Zugverbindung von Nha Trang nach Hoi An nicht existiert, froenen wir ein weiters Mal dem Ungeist der Bequemlichkeit und fahren mit dem Bus, diesmal gar fuer 12 Stunden. Wie immer stehen wir sehr frueh auf, um bis weit ueber die angegebene Abfahrtzeit hinaus auf unser Gefaehrt wartend der entgangenen Zeit im weichen Bett nachzutrauern. Dann aber sitzen wir zwar nicht beim ZDF so doch im Bus in der ersten Reihe, haben ungeahnte Beinfreiheit und unverbaubaren Blick nach vorne.

Der National Highway No.1, Vietnams Hauptverkehrsschlagader zwischen Saigon und Hanoi, schlaengelt sich zweispurig ueber 1800 km durchs Land, dabei immer wieder unmittelbar der Kuestenlinie folgend. Zwischen Nha Trang und Hoi An fuehrt er entlang zahlreicher dramatisch schoener Buchten, die alle touristisch voellig unerschlossen sind. Nha Trang als Strandlokation erster Guete zu vermarkten, diese Buchten aber unbeleckt zu lassen, zeugt ein weiteres Mal von fehlendem aesthetischen Gespuer der Vietnamesen. An mangelndem Geschaeftssinn liegt es sicher nicht.

Hoi An vom Fluss

Hoi An vom Fluss

In den Gassen

In den Gassen

In den zahlreichen chinesischen Tempeln

In den zahlreichen chinesischen Tempeln

Am Abend erreichen wir Hoi An und sind platt. Noch aber steht uns die uebliche Pruefung bevor an allen Schleppern vorbei bis zu einem (diesmal telefonisch reservierten) Hotelzimmer vorzudringen. Es ist dies wahrlich eine unschoene Seite des Reisens: du faellst muede aus dem Bus (wie mag nur der Rucksack wieder aussehen, nachdem er aus dem Gedaerm des Busses hervorgezerrt ist?), zig Typen labern dich an, welches Hotel du suchst (klar kennen sie ein besseres ...), wie du dort hinzukommen und was du eigentlich morgen zu tun gedenkst (sie haben da gewisse Vorschlaege). Du wuchtest den echt schweren Rucksack auf den Ruecken und laeufst zunaechst orientierungslos nur weg vom Bus. Dann Standortbestimmung. Bibel raus, Stadtplan pruefen und mit den deutbaren Gegebenheiten vor Ort abgleichen. Starren in den Stadtplan und suchendes Umherrirren der Augen wiederum lockt weitere Klein- und Kleinstunternehmer an. Ob man helfe koenne, man kenne da so ein schnuckeliges Hotel. Ob man nicht aufs Moped hintendrauf steigen wolle. Ob man nicht gerade jetzt (mit serioes geschaetzten 21 kg auf dem Buckel) mal in aller Ruhe durch wunderschoene Zeichnungen blaettern wolle. Auch friedensbewegteste Gutmenschen (sind wir eh nicht ...) koennen in solchen Situationen milde aergerlich werden oder gar die Contenance verlieren.

Menschen in Hoi An

Menschen in Hoi An

In so strammem Tempo bewegen sich anschliessend zwei grosse Rucksaecke durch Hoi An, dass keiner mehr sich in den Weg zu stellen wagt. Wir erreichen das Hotel, das vorbestellte Zimmer ist eine Innenkabine ohne Fenster nach draussen. Wollen wir nicht. Also einen "River-View-Room". Die Inneneinrichtung ist eine bizarre Mischung aus Tropenholz rustikal, Stuckdecke und Schmuddel, garniert mit Muecken von angsteinfloessender Groesse und Menge, River-View entlarvt sich als Blick auf die Fruehstuecksterrasse. Dafuer stolze $25 erscheint uns doch arg deplaziert, aber fuer heute ist unsere Kampfeslust erlahmt. Jetzt nur noch duschen, essen, schlafen, morgen neues Quartier suchen. So geschieht es.

Impressionen

Impressionen

Hoi An, das vorneweg, versoehnt uns mit Vietnam. Die Stadt ist ein pittoreskes begehbares Museum und als Weltkulturerbe deklariert. Vom 15. bis ins spaete 19. Jahrhundert war Hoi An ein wichtiger Umschlagplatz im internationalen Seehandel und fuehrte insbesondere chinesische und japanische aber auch indische, philippinische, indonesische, thailaendische sowie hollaendische, portugiesische, spanische, franzoesische, britische und spaeter auch amerikanische Kaufleute in die Stadt. Solange die oertlich vorherrschenden Winde einzige Antriebskraft waren, kamen Chinesen und Japaner im Fruehjahr mit dem Nordost-Monsun, um bis zum Sommer zu bleiben und dank suedlicher Winde nach Hause geblasen zu werden.

In der Zwischenzeit mieteten sie Haeuser in der Stadt als Warenlager und repraesentative Bleibe, die bis heute erhalten sind bzw. wiederhergestellt wurden. Romantische Vorstellungen vom alten China: hier sind sie materialisiert und konserviert in einer Form, die man im rapide extrem unromantisch werdenden China nur noch sehr punktuell finden duerfte.

Die historische und aesthetische Substanz von Hoi An ist derart, dass auch die doch heftige Anzahl von Laeden, die einzig dem touristischen Bedarf dienen, zu einer (noch) gelungenen Synthese assimiliert sind. Dieses dynamische Gleichgewicht wird aber wahrscheinlich nicht von Dauer sein, denn Tourismus hat etwas von Brandrodung: irgendwann ist die fruchtbare Krume erschoepft, jede Authentizitaet der austauschbaren Kulisse gewichen und das naechste Biotop muss niedergebrannt werden. Aber das ist in Hoi An erst morgen und wir geniessen das Hier und Jetzt :

Einen sehr lebhaften, regional bedeutsamen Fischmarkt.

Enge Gassen mit Tempeln, abends erleuchtet mit Lampions und altstadtweit einheitlich beschallt mit klassischer Gitarrenmusik bevorzugt spanischer Provinienz (passt nicht? Stimmt nicht! Carmen mag in diesem Setting eklektizistisch sein, ergibt aber nach unserem Empfinden ein sehr gelungenes Gesamtkunstwerk).

Nette Restaurants mit hervorragender vietnamesicher Kueche.

Frisch gezapftes vietnamesisches Bier, das auch den bayerisch geschulten Durst koestlich zu stillen vermag.

Aparte Seidenkleider, massgeschneidert.

Am Morgen auf dem Fischmarkt

Am Morgen auf dem Fischmarkt

Leider erst gegen Ende unseres Aufenthaltes (wir sind noch mal umgezogen ...) finden wir zufaellig eine dieser Unterkuenfte, wie wir sie immer suchen: "Minh A Ancient Guesthouse", altes chinesisches Handelshaus, nicht luxurioes aber um so authentischer restauriert, mit Blick in eine staendig belebte Marktgasse, mit eigenem Altar im Zimmer und einer Belueftungsoeffnung im Fussboden, die zwar die Intimitaet einschraenkt, aber interessante Einblicke in den darunterliegenden
Haustempel im Erdgeschoss ermoeglicht.

Haustempel im Minh A Guest House

Haustempel im Minh A Guest House

Ueber dem Haustempel unser Zimmer -man beachte das quadratische hoelzerne Lueftungsgitter

Ueber dem Haustempel unser Zimmer -man beachte das quadratische hoelzerne Lueftungsgitter

Unser Zimmeraltar

Unser Zimmeraltar

Aussicht auf das Marktgeschehen

Aussicht auf das Marktgeschehen

G l u e c k l i c h ziehen unsere Helden von dannen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Soll man nach der Tsunami-Katastrophe nach Asien reisen? Wir denken ja. Die Rückkehr zur Normalität ist die einzige Perspektive auch angesichts dieser apokalyptischen Tragödie. Wem ist geholfen, wenn Reisende nun Asien jenseits der unmittelbar betroffenen Regionen meiden würden? Wir beginnen nicht in Sri Lanka (...) sondern in Bangkok, um in den Süden von Laos weiterzureisen. Kambodscha und Vietnam könnten nächste Stationen sein, aber weiterhin entscheidet sich die Reiseroute spontan vor Ort.
Details:
Aufbruch: 01.01.2005
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 23.06.2005
Reiseziele: Indonesien
Bangkok
Laos
Kambodscha
Vietnam
Indien
Nepal
Der Autor
 
Armin und Petra Storek berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Armin und Petra sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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