Asien 2005: Der Weg BLEIBT das Ziel
THAILAND: Goldener Sand, der zerrinnt
15.Juni, Ko Tao, Südthailand und 28.Juni, Berlin, Deutschland
[Die nackten Fakten: Taxi vom Guest House in Pokhara zum Flughafen, Flug von Pokhara nach Kathmandu, Taxi ins Guest House in Kathmandu, Taxi zum Flughafen, Flug nach Delhi, Flug nach Bangkok, Taxi zum Guest House in Bangkok, zu Fuß zum Reisebüro, Pick-Up zum Bus, Bus nach Chumporn, Katamaran-Faehre nach Ko Tao (Mae Haad), Taxi-Boot zum Sai Thong-Resort, Taxi-Boot nach Mae Haad, Katamaran-Faehre nach Ko Samui, Taxi zum Flughafen, Flug nach Bangkok, Flug nach Zürich, Flug nach München, PKW in die Baldurstrasse, PKW nach Berlin in die Mittenwalderstrasse. Ende.]
Tut uns leid, treuer und interessierter Leser. Seit über fünf Monaten liest Du nun schon unsere Reiseberichte. Hast vielleicht bereits verdrängt, dass keine Reise ewig dauert. Glaubst, dass weiter und weiter alle paar Wochen ein neues Kapitel erscheint. Aber irgendwann müssen sie geschrieben werden, die letzten Zeilen, oder vielleicht die vorletzten. Sei versichert, dass es auch uns nicht leicht fällt, beileibe nicht, und selten war ein Satz so war wie dieser. Irgendwann schliesst sich der Kreis, und die nächste Destination am Horizont ist der Ausgangspunkt, zu dem man zurückkehren muss. Auch wir haben uns an der schieren Dauer unserer Reise berauscht, immer gab es nach dem nächsten Ziel ein übernächstes, und dann noch eins, und der zur Verfügung stehende Zeitraum erschien nicht endlos zwar, aber seine Umgrenzung war lange nur vage zu erahnen. Nun ist sie klar und deutlich erkennbar, und natürlich macht sich Melancholie breit, aber auch Staunen und Dankbarkeit.
Melancholie versteht sich von selbst. Einige Worte über das Staunen. Manchmal lassen wir abends unsere Reise Revue passieren und sind immer wieder aufs Neue und nachdrücklich erstaunt über Menge und Intensität des Gesehenen, des Erlebten, des Durchschrittenen. Noch stärker wird dieses Empfindung, wenn wir durch unsere mittlerweile zig-tausend Bilder scrollen und bereits jetzt halb Vergessenes wiederbelebt wird. Unglaublich, hier sind wir gewesen, und da auch, und weisst du noch. Dankbarkeit ist vor diesem Hintergrund leicht erklärt und tief empfunden: DANKE, an welche Meta-Instanz auch immer gerichtet, dass uns dies geschenkt wurde, dass wir gesund geblieben sind, dass wir es eigentlich immer gut angetroffen haben, dass zu Hause nichts passiert ist, dass wir uns zu diesem Abenteuer entschlossen haben, dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist. DANKE.
Eine Frage wird sich vielen, die unsere Reise verfolgen, aufdrängen. Für uns ist sie (überraschend vielleicht) ziemlich irrelevant. Wo hat es Euch am besten gefallen, was hat Euch am meisten beeindruckt? Dennoch hier der Versuch einer Antwort, weit ausgeholt. Reisen über einen längeren Zeitraum ist (im Gegensatz zu Kurzreisen) nicht mehr (oder sollte nicht sein) die Aneinanderreihung von Höhepunkten, das Abarbeiten von must-see Sehenswürdigkeiten, das Kategorisieren nach nett, schön, supergeil. Eine Reise über viele Monate ist vielmehr (bei den meisten ...) ein Gefallenfinden am Unterwegssein als solchem. Zwar planen zu dürfen, was als nächstes kommt, es aber nicht wissen zu müssen, denn kommt es anders ist es auch gut. Die Herausforderung mit eigentlich immer unvorhersehbaren Umständen nicht nur zurecht zu kommen, sondern sie wenn irgend möglich sogar zu geniessen. Das Alltägliche in Ländern beobachten zu können, die in des Wortes aufregendster Bedeutung fremd sind. Nicht das Herausgeputzte, das Erhobene, schlimmstenfalls sogar Inszenierte. Auch das Schmutzige, das Ungeschönte, das Authentische eben. "Authentisch" taucht als höchste Auszeichnung häufig in unseren Berichten auf, und darum geht es, und das haben wir gefunden, oft. Darum bleibt, muss bleiben, die Frage nach dem liebsten Ort, dem schönsten Land unbeantwortet. Als undifferenzierbares Ganzes war die Reise so unsagbar schön, dass feuchte Augen diese Zeilen begleiten, so unsagbar schön. Beantworten lässt sich ansatzweise, was uns am meisten beeindruckt hat: das Alltägliche (schon erklärt), die Menschen, die Landschaften.
In Mekongdelta in Vietnam im Februar
Das Beeindruckendste unserer Reise waren die Menschen! Das klingt so phrasenhaft, so abgedroschen, so gezwungen. Aber dennoch ist es wahr. Nur mit äußerster Konzentration können wir uns an Begegnungen erinnern, die unangenehm waren. Nicht weil wir das Negative verdrängt haben, sondern weil es praktisch nicht stattgefunden hat. Um so erstaunlicher, da wir kaum abseits der ausgetretenen Touristenpfade gewandelt sind, sondern hauptsächlich mit Menschen konfrontiert waren, deren Broterwerb Tourismus ist. Eigentlich überall sind uns die Menschen freundlich, herzlich, hilfsbereit, liebenswürdig entgegengetreten und das trifft (mit einer regelbestätigenden Ausnahme) insbesondere auf alle unsere Unterkünfte zu, die meist nicht nur Schlafplatz waren, sondern Rundumversorgungsstätte. Wie man in den Wald hineinruft ... gilt natürlich auch, gerade, auf Reisen. Wir haben ohne jeden Zweifel diesen unseren Anteil geleistet, aber dennoch, welch einen Widerhall haben wir empfangen!
Die Landschaften. Kann man nicht beschreiben. Nicht mit Worten. Nicht mit Fotos. Sich die Grandiosität mancher Landschaften, durch die wir gereist sind, anhand unserer Texte und Bilder auszumalen ist, als ob man sich einen Baum durch die Betrachtung eines Streichholzes vorstellen müsste (Vergleich geklaut: stammt aus dem Lonely Planet Nepal, auf etwas anderes gemünzt, trotzdem treffend). Der Mekong zwischen Luang Prabang und Vientiane in Laos, Si Phan Don, das Land der Tausend Inseln im äußersten Süden von Laos, der Mekong kurz hinter der laotischen Grenze bis Stung Treng in Kambodscha, das Mekongdelta in Vietnam, Felsformationen und Unterwasserwelt in Ko Tao, die Szenerie in Sikkim oder entlang unseres Treks in Nepal: alle unterschiedlich, alle berauschend schön ... und alle bedroht.
Noch zwei Analogien unserer Reise: als Achterbahnfahrt und als Traum.
Man kann eine Reise minutiös planen, alle Reiseziele schon zu Hause selektieren, eine Route vorab festlegen und dieser prä-determinierten Perlenkette folgen. Genau das haben wir ganz bewußt nicht getan. Festgelegt war nur das erste Ziel (ursprünglich Sri Lanka, dann wenige Tage vor der Abreise tsunami-bedingtes Umschwenken auf Bangkok), alle weiteren Perlen haben wir jeweils vor Ort ausgewählt. Unsere Reisevorbereitungen waren demzufolge wie das kettengetriebene Hochziehen eines Achterbahnwagens. Irgendwann ist der höchste Punkt erreicht (die Reise beginnt), ab da folgt man der Schwerkraft und der Wagen rollt, mit einer endlichen Menge an Bewegungsenergie aufgeladen. Mal rasant, mal gemächlich rauscht man jeweils der nächsten Kurve entgegen ohne den jenseitigen Streckenverlauf zu sehen und sehen zu wollen. Dabei stellt sich immer mal wieder ein Gefühl ein, das mancher vielleicht von der Achterbahn kennt. Man erreicht einen Schwellenpunkt, der plötzlich und unvermittelt den Blick freigibt auf ein irrsinnig steiles Gefälle, das man in den nächsten Sekunden hinunterstürzen wird. Oh, verdammt! Der Mut sinkt, warum hab' ich nur diese Achterbahn bestiegen? Aber es gibt kein Zurück, denn die Schwerkraft saugt einen unentrinnbar in die Zukunft, solange bis der Nullpunkt erreicht ist.
Reise als Traum (oder Rausch). Vor der Reise waren wir häufig mit Fragen konfrontiert, ob wir in Anbetracht des Bevorstehenden schon aufgeregt seien, ob wir uns schon vorstellen könnten, unterwegs zu sein. Nein, waren wir nicht und konnten wir nicht. Die Reise war, sogar unmittelbar vor Abreise noch, sehr weit weg, irgendwie in einer anderen Wahrnehmungssphäre. Aber dann, wie mit dem Umlegen eines Schalters, brachen wir durch zur anderen Seite, und (fast) alles Zurückgebliebene war augenblicklich ebenso weit weg und ebenso unwirklich wie zuvor die Reise ... und blieb es bis zum Schluss. Reisen als andere Existenzform, eine Parallelwelt, nur durch wenige Fäden verbunden mit der Tagwelt. Bis man erwacht.
Aber ein ganz kleines bisschen bleibt doch noch zu erzählen, von Sai Thong, dem goldenen Sand. Rückkehr nach Ko Tao, wo wir uns bereits im April vor unserem München-Intermezzo von den Strapazen in Laos und Vietnam erholt hatten. Diesmal ist Nebensaison, wir sind praktisch die einzigen Gäste in Sai Thong, Wetter und insbesondere Meer sind rauher, aber nicht weniger reizvoll. Wir bewohnen wieder "unsere" Hütte (Nr.11), und wir werden wieder liebevollst umsorgt von der burmesischen Mannschaft im Israeli-betriebenen Resort am Golf von Thailand. Machen wieder den Schnorchelausflug (diesmal bewaffnet mit Unterwassergehäuse für die kleine Kamera), sehen wieder einen (kleinen ...) Hai, können wieder die surreale Unterwasserwelt kaum fassen. Und bezahlen den Preis für eine unschätzbar kostbare Zeit, die beginnt hinter uns zu liegen, denn trotz aller Mühe gelingt es uns nicht, das Heraufziehen des Tages am Horizont zu übersehen. Unsere Bewegunsenergie ist aufgebraucht, der Traum ist ausgeträumt, der Rausch rauscht dahin. Der Morgen kommt, wir besteigen ein Boot. Nächste Destination: Das andere Leben.
[Alle Schwarz-Weiss-Bilder sind übrigens von Petra!)
Aufbruch: | 01.01.2005 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 23.06.2005 |
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