Asien 2005: Der Weg BLEIBT das Ziel
LAOS: Herz aus Fels
20.-23.Maerz, Nong Khai, Thailand
[Die nackten Fakten: Motorrad vom Hotel zur Bootsanlegestelle, Frachtboot von Luang Prabang nach Pak Lay, Passagierboot von Pak Lay nach Vientiane, Motorrad zum Hotel ]
Luang Prabang wird von vielen der mittlerweile sehr zahlreichen Besucher nach zweitaegiger Bootsfahrt mekongabwaerts von Hua Xay in Nordlaos aus erreicht. Waehrend 1997 noch ausschliesslich reine Frachtboote die Reisenden (mit)befoerderten, sind seit einigen Jahren regulaere Passagierboote im Einsatz, gefuellt mit bis zu 70 Touristen. Der unglaublichen Dramatik dieser Flussreise tut dies nur bedingt Abbruch, und wir haben diesen Abschnitt des Mekongs (flussaufwaerts, Luang Prabang - Hua Xay) bereits 2003 befahren. Nun aber gilt es unser Versprechen einzuloesen und einen uns noch unbekannten Teil des Mekongs zu erkunden (-> "Adieu Mekong"). Und zwar mit Motorrad huckepack. Wieder werden wir mit dem Herdentrieb konfrontiert. Waehrend ALLE (vermeintlich so selbstbestimmten) Backpacker zwischen Hua Xay und Luang Prabang den Mekong bereisen, faehrt KEINER flussabwaerts die zugegebenermassen dreitaegige Tour nach Vientiane. Unser Fragen nach einem Boot nach Vientiane wird daher zunaechst mit mitleidigem Laecheln quittiert. Wir aber sind wild entschlossen, nicht zuletzt aus Respekt vor den Strassen, die wir andernfalls nach Vientiane zurueckfahren muessten, um eine Wiederholung des Hinweges zu vermeiden. Wir bleiben hartnaeckig, finden einen Flusstour-Betreiber, der nach einer Mitfahrgelegenheit auf einem Frachtboot fuer uns Ausschau halten will, und wandern am Mekong entlang, um selber ein Boot zu finden. Es ergeben sich Gespraeche, aber wir sind weder bereit noch budgettechnisch in der Lage ein ganzes Boot nur fuer uns und unseren Mustang zu chartern. Wir beginnen uns bereits einzureden, dass die Rueckreise per Motorrad sowieso schoener waere und gehen mit sehr wenig Hoffnung am Abend zurueck zur "Mitfahrzentrale". Doch siehe da, auch der Mekong will uns offenbar wiedersehen und das Schicksal hat sich gewendet. Morgen schon geht ein Frachtboot! Zu frueh!! Und ueberuebermorgen auch! GEIL!!, das wollen wir. 120$ fuer uns drei, Aussenkabine auf der MS Laos und Kaept'ns-Dinner.
Aus ueberuebermorgen wird ueberueberuebermorgen. Ist recht. Der Tag kommt, und wir sind aufgeregt. Was fuer ein Boot wird es sein? Wie kriegen wir unseren Mustang an Bord? Zunaechst Unerfreuliches in der Mitfahrzentrale. Unerwartete Mehrkosten wegen ... ja wegen was? Wir lehnen entschieden ab. Man geleitet uns dennoch zur Bootsanlegestelle, dort kurz weitere Preisdiskussionen, aber wir lassen uns nur einen symbolischen Betrag abhandeln. Dann setzt es sich fort: das Abenteuer (das Abenteuer!) und mit gemeinsamen Anstrengungen wird das Motorrad ueber zwei andere Frachtkaehne hinweg auf die MS Laos gewuchtet, wo es im Bug einen sicheren Platz findet. Noch ein bisschen hin und her, dann legen wir gemeinsam mit einem Schwesterschiff ab. Wir beziehen Position auf dem Sonnendeck, erkunden unsere Kabine, die Kapitaensbruecke und stellen fest, dass der regulaere Zugang zur Bordtoilette ganz im Heck durch den Frachtraum wegen der Ladung versperrt ist. Bleibt nur der Weg ueber Dach und seitlich die Bootswand herunter, der aber (so soll sich zeigen) fuer uns nicht mit vertretbarem Risiko zu begehen ist. Na und: Abenteuer (Abenteuer!), sollen wir uns da Gedanken machen ueber eventuell draengende Ausscheidungen ...
Wir haben wichtigeres zu tun. Wir muessen schauen. Welch urgewaltige Szenerie, die alle immer wieder kolportierten Plaene, den Mekong alljaehrig fuer grosse Schiffe befahrbar zu machen als groessenwahnsinniges Geplapper Ahnungsloser entlarven, gluecklicherweise. Jetzt in der Trockenzeit zeigt der laotische Mekong sein unzerstoerbares Herz aus Fels. Der Fluss, der eine Breite von 14 Kilometern ereichen kann (in Si Phan Don im aeussersten Sueden von Laos, -> "Mutter aller Wasser") ist schon Mitte Maerz ueber weite Strecken zwischen Luang Prabang und Vientiane auf einen verbleibenden wasserfuehrenden Felskanal von weniger als 100 Meter (!) reduziert, durch den die Wassermassen tosend hindurchschiessen. Beidseitig des Felskanals erstrecken sich zerklueftete Felsplateaus, die haeufig erst nach jeweils vielen hundert Metern das eigentliche Ufer erreichen. Diese zu anderen Jahreszeiten ueberfluteten Felsbaenke sind jetzt sichtbar und beweisen beaengstigend eindruecklich, welche Kunst das Navigieren auf dem Mekong zu jeder Zeit sein muss. Spaetestens hier und jetzt wird klar, warum die Boote in Laos ihre einzigartige Form haben: sehr lang und sehr schmal, aeusserst wendig, die "Kapitaensbruecke" meist im Bug. Mit groesstem Respekt beobachten wir unseren Kapitaen, wie er, haeufig unterstuetzt von einem der beiden Schiffsjungen, das Steuerrad des Bootes (Low-Tech in Vollendung) staendig heftig hin- und herbewegt und mitunter frontal auf Felsinseln zusteuert, um erst im letzten Moment, unterstuetzt durch die reissende Stroemung, das Boot behende um das Hindernis herum zu manoevrieren.
Wie kann man einen solchen Fluss befahren? Lotsen, die kurze Stuecke eines Gewaessers wie ihre Westentasche kennen, sind in Laos nicht im Einsatz. Da kein Mensch zwei Tagesreisen lang einen Fluss, dessen Wasserstand um viele Meter variiert und ueber einen derartig tueckischen Untergrund fuehrt, an jeder Stelle kennen kann, muessen unsere Mekongkapitaene ihren Fluss also lesen, d.h. anhand der Wasserstroemungsmuster die sichere Fahrrinne erkennen koennen. An einer Stelle verlassen sich unsere Kapitaene aber nicht nur auf ihre Lesekuenste, sondern lassen ein Kanu aussetzen, um mit Peilstangen ausgeruestet fuer ueber eine Stunde flussabwaerts zu verschwinden. Anschliessend durchfahren wir aeusserst behutsam einen -fuer unsere Augen nicht erkennbaren- sehr flachen Flussabschnitt.
Da es unmoeglich ist den Mekong bei Nacht zu befahren, legen wir mit beiden Booten gegen Abend an einer voellig einsamen Stelle an. Die Bootsbesatzungen beginnen augenblicklich mit Koerperpflege, und auch wir waschen uns nach kurzem Entleerungslandgang ausgiebig im Mekong. Dann machen wir uns ueber unsere riesige Provianttasche her, die bereits fuer grosses Gelaechter gesorgt hat. Nie schmeckte Baguette mit Gurken, Tomaten und Streichkaese so gut. Schon pappsatt werden wir noch zum gemeinsamen Nachtmahl der Besatzung geladen (Kaept'ns-Dinner ...) und nehmen wenige Hoeflichkeitshappen (lecker!) und viele Schluecke Lao Lao (lokaler Reisschnaps) zu uns. Dann klaert sich die Nachtlagerfrage. Die Mannschaftskabine wird incl. schmaler Matratze und Moskitonetz exklusiv uns ueberlassen. Um acht geht man ins Bett, und nachdem wir dem zarten Schnarchen des Kapitaens neben uns in der Kapitaensbruecke eine Weile gelauscht haben schlafen auch wir bis wir am naechsten Morgen durch ein heftiges Gewitter geweckt werden.
Um sieben Uhr sind wir bereits wieder unterwegs. Deutlicher als am Vortag sehen wir die Auswirkungen der Urwaldausbeutung, ueberwiegend als Branddrodung durchgefuehrt, offensichtlich weniger zur Anbauflaechengewinnung denn um an begehrte Tropenhoelzer zu gelangen. Teilweise sind vom Fluss weg ueber Kilometer ins Hinterland Huegelreihen bereits vollstaendig abgefruehstueckt. Wie haeufig in den Tropen dient auch hier der Fluss als primaere Erschliessungsschneise, um zu den Baeumen zu gelangen und sie nach dem Faellen abzutransportieren. Die vielen verbleibenden Urwaldsprengsel, die wir merkwuerdigerweise zumeist unmittelbar am Ufer sehen, sind daher gleichzeitig grandios und deprimierend. Am fruehen Nachmittag erreichen wir Pak Lay, eine Relaisstation der Tropenholzindustrie, mit der Aussenwelt nur verbunden durch den Mekong und staubige Urwaldpisten. Hier muessen wir einen Bootswechsel durchfuehren, denn unsere Boote werden hier ihre vieltausendsaeckige Ladung lichten (ein haselnussfoermiges weisses Korn, das bei der Bierherstellung verwendet wird ... ? ... mehr konnten wir sprachbarrierenbedingt nicht herausfinden) und kehren dann nach Luang Prabang zurueck.
Wie seit Jahrhunderten werden Elefanten eingesetzt, um die gefaellten Baeume aus dem Wald zu den Schiffen am Mekong zu bringen
Das Passagierboot nach Vientiane, so stellt sich heraus, faehrt erst uebermorgen. Wir bleiben entspannt, beschliessen ob der Toilettenproblematik aber, nicht eine weitere Nacht auf der MS Laos zu verbringen, sondern ziehen in ein aeusserst rudimentaeres Guest House. Nachdem unser Mustang abgeladen ist, erkunden wir den Ort. Nach ungefaehr fuenf Kilometer in Summe in alle Richtungen haben wir alles Asphaltierte befahren und das gesamte pulsierende Pak Lay gesehen: uff ... laengere Zeit will man hier nicht stranden. Die Bootsanlegestelle ist der bei weitem aufregendste Ort, und wir beobachten, wie unsere Boote entladen werden.
Am naechsten Morgen sind wir in aller Hergottsfruehe an der Anlegestelle und bald hieven kraeftige Haende unser Motorrad auf das Dach des Passagierbootes. Es dauert weitere geraume Zeit, bis alle Passagiere eingestiegen sind. Wie immer, wenn moeglich, sitzen wir auf dem Dach und geniessen den Panoramablick. Der Flussabschnitt zwischen Pak Lay und Vientiane ist eine irrsinnig schoene und hoechst aufregende Mischung aus Felskanal, Stromschnellen und kilometerbreiten Flusspassagen, die an Si Phan Don erinnern. Auf ungefaer halben Weg markiert eine riesige Buddha-Statue die Stelle, ab der das westliche Mekongufer zu Thailand gehoert. Die krass unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Laos und Thailand zeigen sich deutlich an den gegenueberliegenden Ufern. Das Abenteuer (das Abenteuer!) holt uns ein letztes Mal so richtig ein. Wir geraten in einen heftigen Tropenregenschauer und koennen auf dem Dach sitzend nur mit viel Glueck unsere Ausruestung vor dem totalen Nasswerden retten. Wir selbst werden kraeftigst nass und erwarten, die restlichen Stunden auf dem Boot und die verbleibende Strecke Motorradfahren dergestalt hinter uns bringen zu muessen. Aber Petrus hat Erbarmen, schickt Sonne und warmen Wind und binnen Kurzem sind wir wieder voellig trocken. Glueck gehabt. Ca. 10 km oberhalb von Vientiane ist sie dann zu Ende, unsere Flussreise, an schwierigem Terrain legen wir an und wieder finden sich starke Haende das Motorrad an Land zu wuchten. Ein letztes Mal beladen wir den Gaul und reiten in die Stadt. Dort sehen wir das erste Mal seit Verlassen von Luang Prabang wieder andere Touristen.
Mancher mag sich vorstellen koennen, wie dreckig wir in unserem Guest-House in Vientiane ankommen. Keiner kann ermessen, wie stolz wir sind. Das Abenteuer (das Abenteuer!) - wir haben es geschafft.
Aufbruch: | 01.01.2005 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 23.06.2005 |
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