Asien 2005: Der Weg BLEIBT das Ziel

Reisezeit: Januar - Juni 2005  |  von Armin und Petra Storek

EPILOG: Reisen als Handwerk

Im August und September, Berlin

[Die nackten Fakten: Keine.LEIDER!]

Nun sitzt man hier, ist wieder im Alltag und will schreiben über d a s
R e i s e n als Geisteshaltung (ein klein wenig) und als Handwerk. Das sollte -noch- gehen, aber ein Schreiben über d i e R e i s e, die erst vor wenigen Wochen zu Ende ging, wäre schon deutlich mühsamer, denn sie beginnt sich bereits als Erinnerung zu verflüchtigen, in das Hier und Jetzt nur sporadisch zurückgeholt durch die Betrachtung der Bilder. Das Handwerkliche des Reisens: es geht also nicht darum, Reiseimpressionen mäandrierend zu Papier zu bringen, sondern irgend etwas wie eine Gebrauchsanweisung zu verfassen. Struktur ist somit gefragt. Hier ist sie: Vor der Reise. Während der Reise. Nach der Reise.

Vor der Reise

Im Tagesspiegel (einer Berliner Zeitung) steht in einem Reisebericht über den Süden Marokkos, dass sich der Autor bei den Reisevorbereitungen, von Bedenkenträgern bedrängt, der Frage ausgesetzt sah "und was wäre bei einer Blinddarmentzündung, schon mal überlegt?" Damit sind wir mittendrin. Hans Eckart Rübesamen (der Autor ... schöner Name!) gibt die richtige Antwort. Nein, habe er nicht (überlegt), denn "wenn man nämlich alles bedenkt, was eventuell passieren könnte, kann man nur noch zu Hause bleiben". Gut gesprochen, Hans Eckart. Irgendwo zwischen gottergebenem Fatalismus und dem Drang nach dem Rund-um-Sorglos-Paket liegt die richtige Geisteshaltung für eine Reise jenseits der TUI-Kataloge. Soviel Planung wie nötig, soviel Bereitschaft für das Unplanbare wie möglich. Dennoch und deswegen ein paar höchst subjektive und unvollständige Sätze zu Gesundheit, Ausrüstung und Zahlungsmitteln.

Gesundheit -zwei Tropeninstitute, drei Meinungen. Damit sei nicht die Kompetenz spezialisierter Mediziner angezweifelt, aber mitunter erinnern ihre Auskünfte an Herrn Kaiser, den legendären Vertreter der Hamburg-Mannheimer. Impfungen gegen Typhus, Paratyphus, Gelbfieber, alle Spielarten der Hepatitis, Malaria und den Tropischen Bubo. Alles richtig. Aber wer eine Prophylaxe gegen alle Wechselfälle der Dritten Welt für absolut unerlässlich hält, sollte sich fragen, ob er/sie wirklich dorthin muss. Sinnvoll erscheint uns eine Kombination aus Minimal- und Maximalschutz.

Minimalschutz: Impfung gegen solche Krankheiten, die im jeweiligen Reiseland definitiv nicht adäquat behandelt werden können (das wären z.B. in Thailand: gar keine) und deren verzögerte Behandlung erst wieder daheim zu spät wäre. An dieser Stelle sei exemplarisch eine Impfung genannt, die kaum ein Tropeninstitut je erwähnt: Tollwut. Sie verläuft nach ihrem Ausbruch selbst bei intensivst-medizinischer Behandlung ausnahmslos immer ... tödlich!!! Das Hauptrisikogebiet ist Südostasien sowie Indien und Nepal, und wer die dortige grosse Anzahl streunender räudiger Hunde gesehen hat, weiß warum. Die Akutbehandlung nach einem Biss muss innerhalb kürzester Zeit erfolgen, ist nur in Gegenden mit guter medizinischer Versorgung mit viel Glück gewährleistet, und eine Unterlassung bei Infizierung führt, um dies noch mal zu betonen, unweigerlich zum Tod. Der letzte Deutsche, der daran starb, hat sich in Sri Lanka infiziert.

Kombinierter Maximalschutz: eine Reiserückholversicherung mit großzügigen Rückholbedingungen, z.B. über den ADAC. Bis zu einer max. Reisedauer von 42 Tagen sind solche Versicherungen praktisch geschenkt, danach steigen sie exponentiell im Preis, in unserem Fall z.B. 252 €/Person für 6 Monate (ADAC). Nochmal zum Impfschutz: Tetanus-Prophylaxe schadet nie, Malaria-Prophylaxe ist hingegen über einen längeren Reisezeitraum wegen teils heftiger Nebenwirkungen nicht wirklich ratsam, passiver Schutz (Autan o.ä., helle Kleidung abends, eigenes Moskitonetz) bei entsprechender Disziplin möglich. Die wirklich gefährdeten Gebiete sind übrigens deutlichst kleiner als einschlägige Karten glauben machen, die halb Asien und Teile des Westerwalds als Hochrisikogebiet ausweisen. Übertriebene Angst vor Krankheiten, so glauben wir fest, zieht diese wie ein Magnet an: Was ich nicht weiß, macht mich (wahrscheinlich!) weniger krank. Und noch ein Wort zur Hygiene: ihrem Mangel entgehst Du nicht, denn nicht-westliche Reiseländer sind keine aseptischen Reinsträume und es ist nötig, dass der Körper damit umzugehen lernt. Schon mal einen indischen Spüllappen gesehen? Den würde mancher bei uns nicht beim Ölwechsel am Auto gebrauchen.

Ausrüstung. Eine Woche, ein Monat, ein Jahr: egal. Die Menge des sinnvoll Mitzuführenden steigt nicht proportional zur Reisedauer. Klamotten gibt es praktisch überall zu kaufen, es sei denn, es muss die Original Fjäll-Räven-Hose in Mauve sein (ein Loriot-grünes Grau). Wer z.B. (wie wir) in Bangkok beginnt, kann mit einer Aldi-Tüte starten und den bösartig teuren Globetrotter-Ausrüstern bei uns den Stinkefinger zeigen, es gibt ALLES. Die beiden neuralgischen Punkte der Ausrüstung sind: Schuhe und Gepäckstück. Feste, vor dem ersten Kampfeinsatz gut eingelaufene Schuhe sind Pflicht. Kein Weg führt auch an einem guten Rucksack vorbei, auch wenn damit die Zugehörigkeit zu einer nicht über allen Zweifeln erhabenen Zunft dokumentiert ist. Ein Seesack ist ein geeignetes Behältnis bestenfalls für einen Weg der Länge Kaimauer bis Kajüte, und auch der berollte Hartschalenkoffer passt besser auf die MS Europa. Der Rucksack sollte ca. 60 Liter fassen können, Qualitätskriterien sind Reissfestigkeit und Abwaschbarkeit des Obermaterials sowie inbesondere das Tragesystem. Praktisch sind ein abnehmbarer Daypack und die Abdeckungsmöglichkeit des Tragesystems ("Kofferrucksack"). Höchst empfehlenswert ausserdem eine gesonderte regendichte Schutzhülle sowie ein sehr robuster Schutzsack, denn z.B. die Taxi-Kofferräume der Dritten Welt werden gerne synergetisch als Ersatzteillager und Altöldeponie genutzt, und das macht Flecken, die einen auf ewig begleiten. Extrem leichtes Moskitonetz, gute Taschenlampe, auf geht's.

Zahlungsmittel. Kennt jemand das Werbeplakat von American Express? Dicht bevölketer Tropenstrand aus Vogelperspektive. Pfeil ganz, ganz hinten auf Bidlhintergrund zeigend: "Hier sind Sie!" Pfeil auf ganz, ganz vorne im Bildvordergrund: "Hier ist Ihre Reisebörse!" Da ist was dran. Gegen eine Courtage von 1% bietet AmEx Traveller Checks an und verspricht binnen 24 Stunden Ersatz im Verlustfalle. Häufig sind weitere Provisonen beim Umtausch im Reiseland fällig, so dass durchschnittlich min. 2% Kosten für dieses Zahlungsmittel anfallen. In Vietnam, wo keine AmEx-Offices sind und die Dependance in Australien zuständig ist, trafen wir einen Österreicher, dem das Schicksal übel mitgespielt hatte. Alles geklaut, total blank musste er sich das Geld für ein Telefonat nach Australien zusammen schnorren. Rief dann dort an, um sich mit einem AmEx-Anrufbeantworter zu unterhalten, der im besten Australisch durch das "Hilfe-Menü" führte: "Wenn Sie beraubt wurden, drücken Sie jetzt die Eins, die Zwei für unsere neuesten Marketing-Gags, und die Drei, wenn Ihr mühsam zusammen geschnorrtes Telefongeld gerade zu Ende geht". He was not amused. Aber im Ernst, an Traveller Checks (nichtsdestotrotz am besten AmEx in $) als wichtigem Element der Reisebörse führte bisher kein Weg vorbei. Dazu noch Cash-Dollar in heterogener Stückelung inclusive zahlreicher 1-$-Noten (für den kleinen Hunger am Flughafen z.B.) sowie ec-Karte und/oder Kreditkarte zum Geld ziehen bzw. Cash-Advance (ca. 3% Gebühren). Neu und anscheinend praktisch (keine eigenen Erfahrungen) ist die AmEx Prepaid-Traveller-Card: wird wie eine Geldkarte aufgeladen, im Verlustfall wird der Betrag ersetzt, sie funktioniert als Zahlungsmittel wie eine Kreditkarte (wo Kreditkartenzahlung möglich, also beileibe nicht überall) und zum Geldziehen (2,50€ pro Einsatz) an ATMs (Automated Teller Machines, Geldautomaten, mittlerweile in Asien sehr verbreitet). Gute Erfahrungen haben wir mit der SparCard Plus der Postbank gemacht: das Guthaben wird gut verzinst (2,6%!), die Karte funktioniert an praktisch jeder ATM in Asien und die ersten vier Abhebungen pro Jahr sind gebührenfrei, danach 5,50€/Abhebung. Problematisch dabei sind die Maximalbeträge pro Abhebung, in Vietnam z.B. ca. 100€. Vor wenigen Tagen haben wir noch etwas sehr verlockendes entdeckt (für alle mit einem nachweisbaren Nettoeinkommen von 1.300 € mtl.): das Girokonto bei der DKB-Bank mit der Möglichkeit die DKB-Visakarte weltweit kostenlos (!!!) zum Geldziehen am Automaten zu benutzen. Und für den extremem Notfall: Western Union, Geldtransfer aus der Heimat in Sekunden, aber um einen galaktischen Preis.

Während der Reise (oder die Frage, wie man sein Haupt bettet)

"War doch bestimmt irre schwierig!?" Voller Bewunderung werden wir mitunter gefragt, wie wir uns zurecht finden konnten in der Wildnis ohne durch des Reiseleiters geschwenkte Standarte Orientierung und moralischen Halt zu finden. Gerne würden wir diesen Mythos als erste Weiße unter blutrünstigen Kannibalen aufrechterhalten ("nur von Vogelspinnen haben wir gelebt", "Blutegel, so groß wie Bernhardiner", "Gefährlich wurd's, als uns die Glasperlen ausgingen!"). Aber in Wirklichkeit ist es arg weniger arg.

Um mit dem Wildromantischen aufzuräumen: vom Tourismus unbeleckte Flecken Erde gibt es in Vorder- und Hinterindien praktisch nicht mehr. Teilweise seit 40 Jahren von Rucksackreisenden durchstreift ist (bald) auch der letzte besuchenswerte Winkel erobert. Da auch der abgerissenste Vagabund aus dem Westen in den jeweilig lokalen Mikro-Ökonomien ein sagenhaft reicher Bursche ist, führt schon das dünnste Rinnsal Reisender zur baldigen Erosion des traditionellen Tagewerks, und alle stellen sich auf die Deckung der neuen Bedarfe ein: alle vorbeischauenden Rockefellers wollen irgendwo schlafen, irgendwas essen und müssen irgendwann weiter. Rasant schnell entwickelt sich aus versprengten und nur unter Qualen zu erreichenden Lokalitäten ein Netzwerk, das alle Sehenswürdigkeiten eines Landes mehr oder weniger bequem verknüpft. Die Knotenpunkte dieser Netze sind Guest Houses, die (in sich selbst oder höchstens drei Häuser weiter) wie moderne Karawansereien alles bereit halten, was ein Marco Polo der Jetztzeit begehren könnte. Neben dem unmittelbaren (Bed&Breakfast) Transport-Tickets aller Art für alle denkbaren Destinationen, Visa-Arrangements für Nachbarländer, Leihfahrräder, Wäschewaschen, Massage, Internetanschluss. In dieses Netzwerk klinkt man sich ein und es ist meist erheblich schwieriger, ihm wieder zu entkommen denn ihm zu folgen.

Aber wie Einklinken ins Netz und wie darin (Bewegungs-)Freiheit bewahren? Die Antwort: ein Buch, befreiend und normierend zugleich, ein Reiseführer. Einer der einflussreichsten Männer in Asien ist ein Australier: Tony Wheeler, Verleger der Lonely Planet Reiseführer. Weiterhin und nicht zu Unrecht sind sie DER Standard unter den Reiseführern der englischsprachigen Welt und weit darüber hinaus, und auch deutsche Werke sind häufig nur lizensierte Übersetzungen (Stefan Loose) oder schlechte Kopien (Reise-Know How). Der Einfluss, den die Lonely Planet Bücher auf die globale Globetrotter-Szene und lokale Touristik-Biotope haben, kann kaum überschätzt werden. Die Erwähnung im jeweiligen Lonley Planet entscheidet häufig über das wirtschaftliche Wohl oder Wehe einer auf den Tourismus setzenden Familie, und die daraus resultierenden Auswüchse sind mitunter bizarr. In Laos, Kambodscha und insbesondere Vietnam sind seit einiger Zeit Raubkopien der LP-Reiseführer im Umlauf, worin man dem Schicksal (in rührender Naivität) ein wenig nachzuhelfen versuchte: einzelne Kommentare zu Guest-Houses sind -mehr oder weniger offensichtlich ob deutlich erkennbarer Kopierspuren oder unbeholfenem Englisch- durch schwülstige Lobeshymnen ersetzt, die jede Wanzenwiege in ein Traveller's Paradise wandeln.

Also: Lonely Planet kaufen, oder Stefan Loose, zur Not Reise Know-How. Einlesen und Einstiegspunkt in Globetrotter-Netz wählen (die erste Unterkunft), nach Möglichkeit von Deutschland aus oder spätestens am Flughafen vor Ort per Mail oder Telefon reservieren. Nicht zu starr in der Prädetermination der Reiseroute sein, auch spontanen Planänderungen vor Ort Raum geben. man lernt ja dazu ... Den Reiseführer als Navigationsinstrument benutzen und ihm als Lebensretter vertrauen. Auf Informationen und Angebote in den Guest Houses und der unmittelbaren Nachbarschaft achten, nicht aber zu hastig entscheiden. Zu Aufdringliches, wenn geboten, auch sehr unmißverständlich abwehren, nicht aber paranoid werden. Betteln, insbesondere von Kindern, nicht unterstützen, für wahres menschliches Leid nicht aber blind werden. Bei der Wahl der Speisegaststätte von Einheimischen stark frequentierte Lokale bevorzugen, dann wird's schon kein Salmonellen-Solarium sein. Immer um einen einigermassen reellen Preis bemüht sein (anderfalls ist der Rockefellersche Verzerrungsfaktor auf die lokale Wirtschaft umso gravierender), nicht aber zum Arschloch mutieren. Der Infrastruktur des Reiselandes bei der Etappenplanung Rechnung tragen, häufig sind 250 km eine gerade noch ertragbare Tagesentfernung. Wenn irgend möglich amphibische Transportmittel wählen, zweite Wahl sind Züge, letzte (oft unausweichliche) Wahl Busse oder Autos. Wenn Bus, nicht immer die häufig in Guest Houses angebotenen Mini-Busse wählen, sonst könnte es passieren, dass man ein ganzes Land bereist hat ohne je mit einem Menschen in Kontakt getreten zu sein, der sein Geld nicht mit Tourismus verdient. Daher auch mal die ausgetretenen Pfade verlassen, aber Vorsicht: schon wenige Meter abseits der Schneise kann die Kommunikation schwierig bis unmöglich werden, die reiserelevante Rundumversorgung schlagartig aufhören. Das ist dann deutlich anstrengender, aber auch wesentlich aufregender und authentischer. Leider aber auch zerstörerisch, denn jedes Abweichen vom Weg zieht unweigerlich Nachfolger nach, und die Schneise wird breiter und breiter.

Und nie vergessen: der Weg ist das Ziel, denn für Zielerreichung werden wir zu Hause bezahlt.

Nach der Reise

Mit dem unsterblichen Sepp Herberger rufen wir Euch zu: Nach der Reise ist vor der Reise!

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Worum geht's?:
Soll man nach der Tsunami-Katastrophe nach Asien reisen? Wir denken ja. Die Rückkehr zur Normalität ist die einzige Perspektive auch angesichts dieser apokalyptischen Tragödie. Wem ist geholfen, wenn Reisende nun Asien jenseits der unmittelbar betroffenen Regionen meiden würden? Wir beginnen nicht in Sri Lanka (...) sondern in Bangkok, um in den Süden von Laos weiterzureisen. Kambodscha und Vietnam könnten nächste Stationen sein, aber weiterhin entscheidet sich die Reiseroute spontan vor Ort.
Details:
Aufbruch: 01.01.2005
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 23.06.2005
Reiseziele: Indonesien
Bangkok
Laos
Kambodscha
Vietnam
Indien
Nepal
Der Autor
 
Armin und Petra Storek berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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