Al Sur

Reisezeit: Oktober 2009 - Oktober 2010  |  von Dirk Weisenstein

Der ganz tiefe Süden: Prelude

Ich habs getan. Ich hatte entweder unglaubliches Glück, oder es sollte einfach so sein? Wer kann das schon sagen. Aber es hat einfach alles gepaßt. Ich war in der Antarktik. Und der Trip war so geil, das es schwerfällt die ganzen Erlebnisse zu verarbeiten. Es lief nicht alles nach Plan, wir hatten oft Verspätungen. So, im Hafen von Ushuaia, wo wir auf Reisende warten mußten, deren Flieger verspätung hatte. Oder wie auch auf den Falklandinseln, wo wegen des starken Windes unser Schiff nicht an das Tankschiff anlegen konnte. Außerdem fuhren wir manchmal nur mit einer Maschine (Das Schiff hat zwei) mit geringerer Geschwindigkeit. Und die Weddel See wo wir uns eigentlich umsehen wollten war unüblicherweise voll mit Packeis. Entweder war das alles Zufall, oder aber perfekte Planung. Wären wir immer pünktlich losgefahren, dann hätten wir nicht diese unglaublichen Dinge gesehen. Jaja. Das sagen sie allen Reisegruppen. Unglaubliche Dinge. Aber, Wenn der Kapitän, der die Touren schon seit 17 Jahren macht, in seine Kabine rennt, und die Kamera heraus holt, und wenn die Mannschaft völlig aus den Häuschen ist, und wie eine aufgescheuchte Hühnerschar auf dem deck herumläuft, dann merkt man schon, dass es sich um ganz und gar außergewöhnliche Erlebnisse handelt. Es war einfach der perfekte Trip. Jeden Tag sagte ich mir. Geil. Das kann man nicht toppen. Aber jeden Tag wurde es besser. Der nächste Trip, sollte ich ihn jemals machen wird mit so hohen Erwartungen angetreten, so dass es nur eine Enttäuschung werden kann. Und ich war mit mir am ringen. Es waren noch Plätze frei auf der nächsten Tour. Für 4800.-US$ hätte ich mitfahren können. 13 Tage in die Weddelsee. Oder falls das wegen des Eises nicht geht zum Südpolarkreis. Ich tat es nicht. Ich hätte viel zu hohe Erwartungen gehabt. Es hätte mich nur Enttäuschen können.

Aber der reihe nach. Nachdem ich in Puerto Varas lange herum getrödelt hatte ging es auf der Carreterra Austral weiter gen Süden. (Mal sehen, wann ich es schaffe diesen Bericht zu schreiben).
Danach quer durch an die Atlantikküste, und von Pinguinkolonie zu Pinguinkolonie hangelnd nach Punta Arenas. Dort sollten die Antarktiktouren deutlich billiger sein, als in Ushuaia. Ich lief also durch die Stadt, fand aber kein vernünftiges Reisebüro. Schließlich fand ich doch noch eines. Es wurde in meinen Reiseführer als ziemlich unpersönlich beschrieben. Ich erlebte das genaue Gegenteil. Die nette junge Dame hatte am Wochenende schon zwei Klienten gehabt, und wußte daher wo es noch einige Plätze gab. In Drei Tagen für 18 Tage über die Falklands nach South Georgia in die Antarktis. Für einen nicht gerade geringen Preis, aber immer noch deutlich günstiger als der Originalpreis. Und für Antarktiktouren ein echtes Schnäppchen. Allerdings schon in drei Tagen. In Ushuaia. Ich habe noch nicht alles zusammen. Und zwischen Punto Arenas und Ushuaia liegen 660km. Davon etliche Schotterstraße. Und ein Grenzübergang. Ich bat mir Bedenkzeit aus. Wenn ich nun eine Panne habe? Einen blöden Platten? Soll ich es tun? Wenn ich die Tour bezahle, dann habe ich mein Pulver so ziemlich verschossen. Dann darf nichts passieren, sonst ist die Sache mit der Antarktis gegessen. Hin und her gerissen entschloß ich mich dazu das Risiko einzugehen. Ich buchte und bezahlte.
Die Nacht kam ich kaum zur Ruhe. Was wenn das Moped nicht anspringt? Die Kabellage meiner zusatzbatterie hat sich zerbeamt. Muss ich noch reparieren.

Morgens Um halb Acht fuhr ich los. Ohne Frühstück. Nach 150km fing es an zu regnen. Mit der Fähre gings nach Feuerland. Aber die Landschaft war genauso langweilig wie die letzten Kilometer. Und die Schotterpiste war übelstes Wellblech. Teilweise Tempo 20. Mehr ging nicht. Tiefe Löcher. Es fing auch wieder an zu Regnen. Dann über die Grenze nach Argentinien. Erst kurz vor Ushuaia wurde die Landschaft wieder schön und abwechslungsreich. Es gab den ersten Wald zu sehen. Ziemlich kleinwüchsige Bäume von den ewigen Wind gekrümmt, trotzten den harschen Klima. Und auch große Seen. Die Landschaft wurde wieder schön. Aber es regnete heftig, als ich endlich am späten Nachmittag in Ushuaia ankam. Als ich in einen Bushaltestellenhäuschen erst einmal eine kleine Pause machte um mich zu orientieren hielt ein freundlicher Autofahrer an. Er fährt auch Motorrad. Ob ich denn eine Panne hätte, oder Hilfe brauchen würde. Nee, ist schon alles klar, ich will nur zu einen Hotel. Oh, weißt du schon welches? Ja, das und das. Alles klar, kenne ich. Fahr einfach hinter mir her. Und so geleitete er mich zum Hotel.
Es war eine ganz schöne Aktion alle Sachen auf das Zimmer zu bringen. Und dann ging das ganze Sortieren los.
Am nächsten Morgen packte ich alle Sachen, die ich mitnehmen wollte auf das Bett. Und den rest der Sachen verteilte ich im ganzen Zimmer.
Und dann ging ich in die Stadt um Besorgungen zu machen. Schnürsenkel, Sicherheitsnadeln, Anti seekrankheitpillen, Schokolade, Schokolade und Schokolade, noch eine warme Mütze, Plastikbeutel als Kameraschutz. Ich rannte Kreuz und quer durch die ganze Stadt. Wie gut, dass sich alle Geschäfte auf einer Hauptstraße drängen. Als ich in mein Zimmer zurück kam bekam ich einen schlag. Die Putzfrau hat sich wirklich die Mühe gemacht das Bett frei zu räumen, und alle Sachen fein säuberlich im Zimmer zu verteilen. Und ich mußte alle Schränke und Schubladen durchsuchen, wo denn nun was gelandet ist. Also durfte ich noch einmal alle Sachen wieder zusammensuchen. Das hat sie bestimmt einige Stunden gekostet, und mich auch. Verschwendete Zeit. Aber ich hatte so gut wie alles erledigt. Bis auf das Geldwechseln. Peso in US Dollar werden nur Vormittags an Ausländer getauscht. Nicht aber am Nachmittag!? Okay. Andere Länder andere Sitten. So langsam begann ich daran zu glauben, wirklich in die Antarktis zu fahren. Jetzt bloß nicht von irgendeinen Volltrottel angefahren werden. Wir sind schließlich in Argentinien. Fußgänger zählen da als Jagdbares Wild. Es wird nicht gebremst. Es ist sehr gefährlich das Land zu verwechseln. Sehr schnell ist man hier in Chile oder Argentinien, und die beiden Länder haben so ihre Tücken. In Chile verplemperte ich einen Tag, weil ich noch an die Siesta von Argentinien gewöhnt war. Um 13:00 schließen die Geschäfte, und öffnen erst gegen 17:00 wieder. In Chile nicht. Dafür sind die Läden aber auch nicht wie in Argentinien bis fast 23:00 geöffnet. Aber als Fußgänger lebt man ziemlich sicher in Chile. Autos warten auf die Fußgänger, außer es handelt sich um Argentinier, die im kleinen Grenzverkehr, die Gelegenheit nutzen, die Chilenischen Fußgänger umzuerziehen.

Alle Sachen waren gepackt. Das Moped kam unter eine Plane, die Sicherung gezogen, damit sie nach 18 Tagen auch wieder anspringt, und die Campingsachen im Hotel verstaut.
Ein Taxi brachte mich zum Treffpunkt. Ein piekfeines Hotel mit angeschlossenen Restaurant. Dort wartete ich so zwei Stunden. Es herschte ein kommen und gehen. Ein ältere Guide von Oneocean war da, und aß etwas. Da war ich beruhigt. Es passiert etwas. Auch war über Nacht ein neues Schiff im Hafen eingelaufen. Die Akademik Ioffe. Mein Schiff. Es sah deutlich größer als als die Plancius und die Ocean Nova. Ziemlich häßlich, da voller Kanten. Halt russisches Design. Um 16:00 war Treffen, um 15:30 verschwand der Guide. Und tauchte bis 16:30 nicht wieder auf. Aber mit mir warteten noch viele andere Leute. Dann waren Ray und Boris da, und erklärten uns den Ablauf. Puh. Mir fiel ein Stein vom Herzen. In mir waren wieder die Zweifel hochgekommen. Und ich war nervös. Aber jetzt geht es doch so langsam los. Meine Sachen in den Bus geschleppt. Natürlich hatte ich viel zuviele Sachen mit. Etliches habe ich gar nicht gebraucht. Aber weiß man es? Dann lieber vorbereitet sein. Rein in den Bus, und dann zur Pier gefahren. Dort stiegen wir aus, und gingen an Bord des Schiffes. Eine Gruppe von drei Leuten hatte noch viel mehr Gepäck als ich und andere zusammen. Es stellte sich heraus, dass sie eine Filmcrew waren, und Aufnahmen von der Reise machten. Beim an Bord kommen wurden wir von den anderen Staff Mitgliedern begrüßt. Sarah freute sich, dass ich mich so kurzfristig dazu entschlossen habe mit uns zu fahren. Zum Glück lag meine Kabine auf Deck 3. Es war eine dreier Kabine. Ich war der erste, also wählte ich das untere Bett, und fing damit an meine Sachen in den Schrank zu verstauen. Schließlich kam mein Roommate an. Wir teilten uns die restlichen Schränke auf, und gut war. Er kam aus NYC. Aber wir redeten nicht allzuviel miteinander. Er war ziemlich schweigsam. Und ich dachte ich wäre komisch. Aber alles kein Vergleich zu den wirklich wahren helden, den Fahrradfahrern. Die sich gegen den Wind und gegen den regen stemmen, und auf Schotter mächtig in die Pedale treten. Da habe ich ja auch schon komische Charaktere getroffen. Muß man wohl sein, sonst würde man gar nicht auf die Idee kommen so etwas zu machen. Von da her war ich komische Menschen gewöhnt. Wir teilten uns halt die nächsten 18 Tage das Zimmer, und wenn wir mehr als drei Sätze pro Tag wechselten, dann war das schon ein wahrer Redeschwall. Aber wahrscheinlich hätten wir uns auch nicht soviel zu erzählen gehabt. Egal- Es waren ja noch 86 andere Passagiere sowie 18 Staff und 44 Besatzungsmitglieder an Bord. Aber da mein Russisch gar nicht existiert, beschränkte sich die Kommunikation mit der Besatzung auf freundliches Kopfnicken. Dafür war 1/4 des Bootes aus Kanada, und ein andere Viertel Australier. Und abgesehen von ein paar Quoten Südafrikanern, den Obligatorischen Holländer, natürlich Israelis und Amerikanern, auch zwei Russen und zwei Spanier, und mich als Deutschen nicht zu vergessen, war der Rest aus England. So babbelte ich dann 18 Tage lang nur Englisch. Ich träume sogar schon in Englisch. Das wirft mich mit meinen Spanisch wieder um Lichtjahre zurück.

Während wir also das erste Mal zum Essen zusammensaßen, wurde uns die Crew vorgestellt, und der grobe Ablauf erklärt. Dann warteten wir wie gesagt auf Flugreisende. Alle Fotografen nutzten die Gelegenheit von deck aus Fotos von dem Nächtlichen Ushuaia zu machen.
Aber schließlich wurde es zu kalt und zu langweilig. Obwohl die Spiegelungen auf dem Wasser sehr hübsch aussahen.

© Dirk Weisenstein, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
1 Jahr Südamerika. Mein Moped und ich!
Details:
Aufbruch: 08.10.2009
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 07.10.2010
Reiseziele: Chile
Argentinien
Südgeorgien und die Südlichen Sandwichinseln
Großbritannien
Brasilien
Der Autor
 
Dirk Weisenstein berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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