Frankreich - Spanien 2014

Reisezeit: August - Oktober 2014  |  von Uschi Agboka

Teil III - Baskenland - Streckenverlauf: Tour Frankreich - Spanien

19.09.2014 - 22. Tag - Pas de Roland - Zugarramurdi - Puerto Ibaneta

19. September 2014 - Freitag - 22. Tag
Tour Frankreich / Spanien:
Menditte - St. Jean Pied de Port - Route Pas de Roland - Monte Urzumu - Espelette - Ainhoa - Col Pinopieta - Zugarramurdi - Cuevas de las Brujas (Hexenhöhlen) - Iglesia de la Asuncion - Bera di Bidasoa - Rio Bidasoa - Venta de San Blas - Puerto Belate - Rio Ultzama - Olague -Alto Egozkue - Urtasun - Embalse de Eugi - Zubiri - Puerto Erro - Puerto Auritzberri - Roncesvalles - Puerto de Ibaneta - Kapelle San Salvador - Rio Luzaune - Luzaide-Val Carlos - Arneguy - St. Jean Pied de Port - Larcevau - St. Just-Ibarre - Col d'Osuich - Muscaldy - Idaux - Mendy - Menditte - Sauguis - Trois Villes - Tardets
Campingplatz Du Pont d'Abense, Abense de Haut, Tardets, Pyrenees-Atlantiques, Aquitanien
Fahrzeit: 7 1/2 Stunden - 306 km
In der Nacht habe ich merkwürdige Tierlaute gehört, aber leider weiß ich nicht, welche Tiere es waren. Der Tag scheint wieder sehr schön zu werden, schon am frühen Morgen strahlend blauer Himmel.
Gegen 10.30 Uhr starten wir, D 918 Menditte, Col d'Osquich, D 933 bis St. Jean Pied de Port, D 918 bis kurz vor Itxassou.
Ab dort folgen wir der Route Pas de Roland bis zu der Stelle, wo der Legende nach Roland mit seinem Schwert Durendal am rechten Steilufer der Nive ein Tor in den Felsen geschlagen haben soll. Diese Straße ist extrem eng, mit dem Motorrad geht es ja, aber wenn sich zwei Autos begegnen, wird es mehr als schwierig, wie wir gesehen haben. Doch die herrliche Landschaft entschädigt mich für die Angst, die ich doch habe. Nachdem wir das "Felsentor" angeschaut haben, fahren wir auf einer noch engeren schmalen Bergstraße D 249 La Place hinauf auf den Monte Urzumu und später bis Espelette. Hier oben ist Gott sei Dank wenig Verkehr, nur hin und wieder mal ein Auto, der Menschen, die hier in der Einsamkeit auf dem Berg leben, in sehr schönen Häusern, umgeben von Blumengärten. Auch einige Bauernhöfe mit Viechern passieren wir. Wir haben auch einen schönen Blick auf den 926 m hohen Gipfel des Artzamendi. Leider haben wir nicht die Zeit, die Panoramastraße, die dort hinauf führt, auch zu befahren.

Von Espelette D 20 bis Ainhoa (Pyrenees Atlanques, Aquitanien). Der kleine Ort, ca. 670 Einwohner, gehört zu den schönsten Dörfern Frankreichs. Weiter NA 4401, über den Col Pinopieta, bis nach Zugarramurdi.
Im westlichen Teil der Pyrenäen, oberhalb vom Baztan-Tal, liegt Zugarramurdi (200 Einwohner), das Hexendorf, wo Phantasie und Realität verschmelzen und die Vorstellungskraft die Menschen zu einer atemberaubenden Zeitreise herausfordert. Nahe der kleinen Plaza sehen wir mächtige Steinhäuser und die Kirche Asuncion. Vorbei am Hexenmuseum - Museo de las Brujas - kommen wir zu den Hexenhöhlen. Dies ist das eigentliche Ziel unserer heutigen Tour. Rolf hat das für mich ausgesucht, weil er meine Vorliebe für Hexen kennt.
Die berühmten Cuevas de las Brujas - die Hexenhöhlen liegen 400 m vom Dorf entfernt. Hier finden wir weder Tropfsteine noch Höhlenmalereien und trotzdem bietet diese Höhle eine einzigartige Besonderheit. Sie hat einen magischen Hintergrund, denn hier sollen bis ins 17. Jh. Hexensabbate stattgefunden haben, heidnische Treffen, bei denen Männer und Frauen dem Alltag entflohen und hemmungslose Festessen, Tänze um Feuer und Orgien bei Mondlicht abhielten. In Wirklichkeit waren das harmlose Treffen von Menschen, die sehr erd- und naturverbunden waren.
Die Höhle liegt neben der Akelarrewiese. In diesem Grasland eine so riesige Höhle zu sehen, ist schon erstaunlich. Der Inferno Erreka, der Höllenbach, hat sich hier tief ins Gestein gefressen und eine Reihe von Höhlen in verschiedenen Ebenen geschaffen, von denen die größte ein 120 m langer, 20 m breiter und 30 m hoher Tunnel ist. Alles ist gut ausgeleuchtet. Der Sinterschmuck ist leider vollkommen zerschlagen wegen des hohen Besucheraufkommens. An verschiedenen Stellen sind Informationstafeln angebracht, wo man mehr über die Höhle erfahren kann, sofern man der verwendeten Sprachen mächtig ist, Baskisch, Französisch, Spanisch. Deutsche und Engländer hat man wohl vergessen. Im großen Eingangsraum steht noch ein alter Kalkofen, mehrere Podeste sind vorhanden und zwei Aussichtspunkte gibt es in der Höhle auch noch. Goya soll die Höhle schon gemalt haben und von Picasso ist überliefert, dass er sie mal besucht hat.

Kathedrale des Teufels hat der Volksmund die Höhlen getauft. Auf schlüpfrigen Wegen folgen wir dem Weg hinein in den schwarzen Schlund bis zur Hauptgrotte. Dies ist ein gigantischer Tunnel durch Karstgestein, 120 m lang und bis zu 12 m hoch, durchzogen vom Bach Olabidea, für den auch hier wieder der Volksmund einen speziellen Namen gefunden hat - Arroyo del Infierno - Höllenbach. Im Innern der Grotte gurgelt und gluckst es, es riecht stark nach Moder.
Ein kurzer Rückblick in die Geschichte: Es ist das Jahr 1610, in ganz Europa grassiert der Hexenwahn. Unschuldige Frauen verlieren ihr Hab und Gut, werden eingekerkert, gefoltert, verbrannt, ertränkt oder geköpft. Das historische Baskenland bildet da keine Ausnahme, insbesondere da die dortigen Menschen stark erd- und naturverbunden waren. Das ärgerte besonders den Abt des Klosters von Urdax. Er mochte die Menschen nicht, mit ihren anderen Bräuchen und Naturweisheiten, zumal sie auch noch eine andere Sprache sprachen. Unverständnis und Gier verwandelten die harmlosen Rituale und Feste in Hexensabbate, die Gesänge in Verschwörungen, die Wörter in Zaubersprüche und den heidnischen Glauben in schwarze Magie. So hetzte der Abt von Urdax die Inquisition auf die Menschen in Zugarramurdi. Als Vertreter des Tribunals von Logrono trifft in jenem Jahr der Inquisitor Don Juan del Valle Alverado in Zugurramurdi ein.
Die Macht der Kirche verbreitete Angst. In Zeiten von Seuchen, Hungersnot und Düren, war die Angst der beste Nährboden für die Aussaat von Gerüchten. Die Dorfbewohner spionierten einander nach, viele zeigten den eigenen Nachbarn an.

Über diese Verleumdungen geht Alverado den vermeintlichen Hexenversammlungen, den Akelarres, in der örtlichen Höhle nach und häuft "Daten" und "Fakten" zu 300 beschuldigten Personen. Von den 40 vorläufig als schuldig befundenen Frauen verurteilen die Richter beim Hexenprozess in der Stadt Logrono im November 1610 zwölf zum Tod auf dem Scheiterhaufen, vor mutmaßlich 30.000 Schaulustigen auf dem zentralen Platz. Weitere Menschen waren schon vorher ihren Folterungen im Gefängnis von Logrono erlegen.
In den Anklagen tauchten nur nur Teufelsbuhlschaft und schwarze Messen, sondern selbst die Verzauberung des Meeres auf. Man legte ihnen den Einfluss auf atlantische Stürme zur Last, bei denen die Boote nicht den Weg zurück in den Hafen von St. Jean de Luz fanden. Außerdem sollen sie sich bei ihren geheimnisvollen Treffen unter Vorsitz des leibhaftigen Teufels mit einem Gemisch aus Kräutern, zermahlenden Knochen und Gehirnresten von Kadavern eingesalbt und Hexenpulver aus Kröten, Schlangen, Salamandern, Schnecken und Pilzen hergestellt haben. Geschichten aus der dunklen Vergangenheit Navarras.
Nicht nur Zugarramurdi durchlebte diese Hexenjagd. Es war ein Kreuzzug, der sich über ganz Europa ausbreitete, mit dem Ziel die Vormachtstellung der Kirche zu festigen.
Das damalige Geschehen bewegt noch heute die Menschen in Zugarramurdi. Die Erinnerungen werden alljährlich am 18. August zu neuem Leben erweckt. An diesem Tag findet das als zikiro-jate bekannte Volksessen mit einem Lammbraten am Spieß statt. Baskischer Folkrock, live gespielt in der 120 m langen Höhle. Fackeln erhellen die Höhle. Frauen verkleiden sich, die Körper in wallende Stoffe gehüllt, die Gesichter unter Masken und Spitzenhütchen verborgen. Getanzt wird bis man vor Erschöpfung umfällt. Zwischendurch erlischt immer wieder mal das Fackellicht und die Menschen rufen "Akelarre" - das soll ein altes Zauberwort sein, das die Mächte des Jenseits beschwört. Das baskische Wort bezeichnet die Versammlung der Hexen und des Großen Ziegenbocks, der den leibhaftigen Teufel darstellt. Man will damit wiederbeleben, was über Jahrhunderte verdrängt, verboten war.

2007 eröffnete das Hexenmuseum - Museo de las Brujas. Auf 3 Etagen kann man alles über den "Hexenkult" erfahren, viel über die Mythologie, die Bräuche und die baskischen Rituale. Dies aber leider nur in französischer, spanischer oder baskischer Sprache. Da es außerdem sehr voll in dem Museum ist, verzichte ich auf einen Besuch. Doch natürlich erstehe ich eine Hexe für meine Hexenwand Zuhause.
Im ersten Stock des Museums wird die historische Situation aus der Sicht der Kirche gezeigt. Nach den Prozessen in Logrono kehrte keineswegs Ruhe in dem Gebiet ein, sondern es breitete sich große Unruhe in der ganzen Region aus. Die Menschen bekamen Panik, begannen in den Kirchen zu schlafen, um jeglichem Verdacht auf Kontakt mit Hexen auszuweichen, Lynchjustiz wurde praktiziert, wenn irgendjemand unter Verdacht kam. Die Inquisition musste zurückkommen und schickte in Gestalt von Alonso de Salazar einen Mann, der die aller Kontrolle entgleitende Situation schließlich wieder beruhigen konnte. Allein 1.800 Kinder beschuldigten sich selbst, sie seien Hexen und 3.000 Menschen wurden von ihren Nachbarn und Mitmenschen verraten. In vierjähriger Arbeit bearbeitete Salazar 11.000 Schriftstücke und am Ende wurde 5.000 Menschen vergeben.
Im zweiten Stock wird die Hexerei aus einer ganz anderen Perspektive gesehen: Hexenkunst als Ausdruck von Weisheit, von Kenntnis der Natur und Verbindung mit den Glaubenssystemen, den Ritualen und den Traditionen unserer Ahnen. Bezogen auf das Baskenland hieß das, man musste zum Überleben in Übereinstimmung mit den natürlichen Rhythmen leben, also den Mondzyklen, dem Wetter, den Jahreszeiten.

Es ist heute wieder sehr warm und so suchen wir uns eine kleine Bar an der Plaza des winzigen Ortes. Hier ist die Welt noch in Ordnung, 1 alkoholfreies Bier, 1Glas Rotwein 2,30 Euro. Einige ältere Spanier sitzen zum Mittagessen in dem urigen Lokal. Sie sind alle sehr freundlich zu uns, grüßen, nicken, sprechen uns an, aber leider ist das Baskisch für uns zu schwierig.
Wenn Rolf bezahlt, nimmt er immer einen großen Schein, da er die Summe nicht richtig versteht. So hat er inzwischen viel zu viel Kleingeld gesammelt, was wir dringend mal umtauschen müssen.
Die der Bar gegenüber liegende Iglesia de la Asuncion, erbaut zwischen 1781 und 1784, zerstört von französischen Truppen 1793, wieder aufgebaut im 19. Jh., schauen wir uns auch an.
Nach der Pause geht es weiter, wieder über eine kleine Bergstraße, später D 306, nach Sare.
Unterwegs haben wir einen schönen Blick auf den Mont La Rhune, 905 m, den Heiligen Berg der Basken, an der französisch-spanischen Grenze. Steinkreise, Hügelgräber und Dolmen zeugen von der Anwesenheit von Menschen in dieser Gegend seit prähistorischen Zeiten.
Weiter durch eine herrliche Landschaft, D 406, NA 4410 über Bera di Bidasoa, N 121 A, am Rio Bidasoa entlang bis Doneztebe-Santesteban. Hier verlassen wir die Straße, da diese uns zu autobahnähnlich ist. Weiter über NA 1210, Venta de San Blas, Puerto Belate. Dort machen wir einen kurzen Halt. Weiter am Rio Ultzama entlang bis Olague. Von dort führt uns der Weg durch das Gebirge, NA 2520, über Alto Egozkue bis Urtasun. Wir sehen kleine schöne Bergdörfer, immer in den baskischen Farben. Blick auf den Embalse de Eugi.

Wir folgen nun der N 138 bis Zubiri, weiter N 135 über Puerto Erro. Heute halten wir dort nicht. Weiter Puerto Auritzberri, bis Roncesvalles. Auch dort halten wir nicht, sondern fahren weiter, über Puerto de Ibaneta, 1.057 m. Hier steht die moderne Kapelle San Salvador (1960) für die Jakobspilger. Leider ist die Kirche geschlossen, was wir gar nicht verstehen können. Sie ersetzt eine ältere Kapelle.
Neben der Kapelle sieht man einen kleinen Steinhügel mit Erinnerungssteinen und Kreuzen, die Pilger hier aufgeschichtet haben. Auch ein kleiner Marienstein mit einem Relief ist hier zu sehen. Oberhalb der Kapelle liegt das Rolandsdenkmal, das an die tragische Schlacht von Roncesvalles erinnert. Von der Passhöhe aus hat man einen herrlichen Blick. Aber hier weht ständig ein starker, meist kühler Wind.
Der Ibaneta-Pass verbindet die N 135 Valcarlos mit Roncevalles. Die Kapelle San Salvador (1960) markiert den Anfangspunkt des Camino Frances, der hier drei der vier französischen Pilgerwege nach Santiago de Compostela aufnimmt.
Der Pass ist seit vorgeschichtlichen Zeiten ein wichtiger Pyrenäenübergang, spätestens seit römischer Zeit gab es eine Pass-Station. Mönche besetzten auch die Kapelle auf dem Pass und läuteten bei Nebel die Glocken, um Pilgern den Weg zu weisen. Für die Jakobspilger wurde später in Roncesvalles ein Kloster mit Herberge eingerichtet. Karl der Große passierte 778 den Pass im Rahmen seines Spanienfeldzuges zweimal, beim Rückzug geriet seine Nachhut in einen Hinterhalt. Diese Auseinandersetzung wurde als Schlacht von Roncesvalles bekannt.
Auf der Passhöhe ist es sehr windig und kalt. Ich ziehe mir meinen Schal an und krempele die Ärmel der Lederjacke runter. Und es geht weiter, N 135, am Rio Luzaune entlang, bis Luzaide-Valcarlos, Arneguy.
Wir sind zurück in Frankreich. D 933 bis St. Jean Pied de Port. Morgen wird dort ein Fest stattfinden und der Ort ist überfüllt von Menschen und Autos. Nur ganz langsam kommen wir auf unsere schöne Straße, D 933, bis Larcevau. Ab dort D 918 über St. Just-Ibarre, Col dÄOsquich, Muscaldy, D 147 Idaux, Mendy, Menditte, D 918 Sauguis, Trois Villes bis Tardets.
Um 18 Uhr, nach 7 ½ Stunden, 306 km, sind wir zurück auf dem Campingplatz. Die letzten Kilometer musste ich öfter mal absteigen. Mein rechtes Bein machte Probleme. Heute war ein langer Tag. Wir sind beide müde und daher gibt es zum Abendbrot kalte Küche, geräucherten Lachs, Chicoree-Salat, Baguette, Trauben, Rosewein. Von unseren holländischen Freunden bekommen wir einige gebratene kleine Würstchen geschenkt, die Rolf mit Genuss alle verputzt. Nach dem Essen sitzen wir mit Marius und Edith noch gemütlich zusammen. Sie erzählen von ihrer Arbeit als Lehrer (Marius für behinderte Kinder, Edith in einem sozialen Brennpunkt). Die Zeit vergeht wie im Fluge. Erst spät gehen wir schlafen.

© Uschi Agboka, 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fahrt durch die Auvergne, Perigord, Limousin, Aquitanien, das Baskenland und Besuch der Picos de Europa.
Details:
Aufbruch: 29.08.2014
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 08.10.2014
Reiseziele: Frankreich
Spanien
Deutschland
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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