Arctic Circle Trail (ACT) - West-Grönland
Zwölfte Etappe und Ende in Kangerlussuaq
In der Nacht weht eisiger Wind, der kaum dazu taugt, mich entspannt schlafen zu lassen. Ich bin froh, als es endlich hell wird. Wir packen zügig ein und machen uns direkt auf den Weg. Frühstück fällt heute mangels Wassers aus – Niklas konnte gestern Abend keines finden.
Vom gestrigen Pfad ziemlich verwöhnt, müssen heute doch wieder ein paar matschige Passagen gemeistert werden. Dort, wo die Pfützen nicht so tief sind, hat sich in der Nacht wieder Eis gebildet. So langsam geraten wir ins Schwitzen und Durst stellt sich ein. Leider gibt es hier nicht einen einzigen Bach, den man leertrinken könnte. Wiese endet und Schotter beginnt in direkter Umgebung eines Beton-Dings. Vermutlich das Fundament für irgendwas; eine Mess-Station oder was auch immer.
Die einzigen Anrainer an der folgenden Schotterpiste sind Forschungseinrichtungen, die gemeinhin mit „Kelly Ville“ tituliert werden. Wir befinden uns hier am Endpunkt der Schotterstraße und hoffen, dass uns eventuell im weiteren Verlauf ein Auto auflesen kann.
Irgendwann gelangen wir an die Straße. Die Aussicht auf 10 km Asphalt treten lässt meine Beine schwach werden und meine Motivation in den Keller sinken. Wir beschließen, gemächlich weiterzumarschieren. Vielleicht finden wir am Straßenrand ein kleines Rinnsal Trinkwasser und es kommt doch noch eine Fahrgelegenheit vorbei. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
In den nächsten 30 Minuten brettern 4 Autos an uns vorbei – allerdings in die falsche Richtung, nach Kelly Ville. Nur ein dunkelblauer, klappriger Toyota mit orangefarbener Rundumleuchte auf dem Dach biegt nicht rechts ab auf die Schotterpiste, sondern steuert eines der Hafengebäude an. Ich setze meinen Rucksack ab und mich selbst darauf – auf den warte ich; der kommt gleich zurück!
Nennt mich Baba Wanga oder Nostradamus oder Hanussen. Oder wie Ihr wollt. Tatsache ist, dass die geweissagte Rückkehr des klapprigen Toyotas nach gerade mal einer Viertelstunde wahr wird. Niklas kraftloser Daumen wird bemerkt – der Wagen hält. Die Einheimischen sind total hilfsbereit und immer freundlich; das werden wir in den nächsten Tagen noch häufiger erleben.
Eine kleine Gestalt im Blaumann steigt aus und kommt lächelnd auf uns zu. Der kleine Grönländer spricht fast gar kein Englisch, aber immerhin können wir ihm problemlos unser Wunschziel, das Vandrehjem (auch als Youth Hostel bekannt), verständlich machen.
Er bringt uns bis vor die Tür des Vandrehjems und ich bin sicher, dass er dazu extra einen Umweg in Kauf genommen hat. Wir bedanken uns bei ihm; wortreich und mit herzlichem Lächeln. Und mit einem kleinen Trinkgeld (100 DKK) – eine opportune Maßnahme wie diverse Reiseführer beschreiben, mit der man die Menschen hier nicht beleidigt.
Verglichen mit dem Vandrehjem in Sisimiut ist das hier der schiere Luxus: 2 Aufenthaltsbereiche jeweils mit Küche, türlose 4-Bett-Zimmer, Groß-Schlafsäle oder auch Einzel- und Doppelzimmer gibt es hier. Ebenso geräumige Duschen und sogar die Möglichkeit, durch die Herbergsmutter verdreckte Klamotten waschen zu lassen. Wir checken ein, brauchen aber Bargeld. Das kann man im Flughafengebäude an einem „ATM“- Geldautomaten ziehen wie die Herbergsmutter erklärt.
Da wir mittlerweile Hunger und ein erklärliches, bisher ungestilltes Verlangen nach Kaffee haben, machen wir uns ohne schuldhaftes Verzögern auf den Weg zum Flughafengebäude. Dabei erfahren wir unmittelbar wie es um die Städteplanung in Kangerlussuaq bestellt ist. Hier hat es einen Ortsteil südlich und einen nördlich der Start- und Landebahn, die einen unüberwindlichen Keil durch den Ort treibt. Um vom Vandrehjem zum Flughafen-Café zu gelangen, muss man einen Riesenbogen um die Landebahn machen, so dass der Genuss eines Kaffees bedeutet, dafür einen knapp 4 km langen Fußmarsch (2 hin, 2 zurück) zu investieren.
Das Flughafen-Café hat auch heute am Sonntag geöffnet. Hier bekommt man Kalt- und Warmgetränke sowie diverse Köstlichkeiten von Smörgasbord bis MuskoxSteak mit Pommes. Den Geldautomaten finden wir auch, zapfen mehrere tausend Dänenkronen und machen uns – vorübergehend schwerreich – auf den Rückweg zum Vandrehjem.
Wir richten uns für die nächsten Tage häuslich ein und duschen erstmal ausgiebig. Endlich stinkt man nicht mehr nach Iltis oder Puma.
Aufbruch: | 17.08.2018 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 09.09.2018 |