Arctic Circle Trail (ACT) - West-Grönland

Reisezeit: August / September 2018  |  von klaus Heyne

Wasserfall

Von der Schotterpiste zum Inlandeis geht etwa 10 km hinter Kangerlussuaq ein Trampelpfad nach rechts ab, der mit „Vandfald“ (Wasserfall) beschildert ist. Das Hinweisschild haben wir gesehen, als Jens mit seinem Allrad-Gefährt Richtung Ice Cap daran vorbei gebrettert ist. Der Wasserfall gilt hierorts als Sehenswürdigkeit. Deshalb wählen wir ihn als letztes Ausflugsziel dieser Reise aus.

Das Wetter ist schon wieder unverschämt herrlich und entsprechend warm. Am Vorabend der Abreise ist kaum Motivation zu verspüren, schon wieder eine 25-km-(Tor)Tour zu absolvieren. Dabei würden über 20 km allein auf die Schotterpiste entfallen. Doch dem fußmüden Urlauber kann geholfen werden: Man kann hier Fahrräder leihen! Auf diesen Zug springen wir freudig erregt auf. Der kleine Kiosk neben dem Vandrehjem verleiht Fahrräder. Es handelt sich um Mountain-Bikes, die gar nicht mal schlecht aussehen. Es gibt auch einen Helm und dazu den vehementen Hinweis auf Helmpflicht. Die Leihgebühr hat sich in den vergangen vier Jahren lässig von 100,- auf 200,- DKK pro Rad verdoppelt. Monopol ist, wenn man trotzdem zahlt.
Helme auf, Hintern auf den Sattel und die Haxen mit den Bergschuhen auf die Pedalen. Man kann nicht meckern: die Räder sind nicht alt oder schrottig, sondern wirklich in Ordnung. Die 21 Gänge funktionieren und Luft ist genug in den Reifen. Die Schotterpiste ist alles andere als eben. Es sind regelmäßig kleinere Steigungen zu überwinden, was durch den teilweise doch nicht festgefahren Schotter erschwert wird. Nach 2 km taucht eine Stange mit einem gelben Fähnchen mit aufgedruckter Nummer 17 im Gelände zur Linken auf. Der nördlichste 18-Loch-Golfplatz der Welt, der eigentlich ein einziger Sandbunker ist, zeigt uns ein typisches „Grün“: eine etwa 40x40 cm große grüne Filzplatte, in deren mittig angebrachtes Loch geputtet werden kann.

Nach weiteren 7 km erreichen wir den Abzweig, der zum Wasserfall führt. Fahrradfahren mit dicken Wanderschuhen ist nicht der Brüller. Mir schmerzen nach den 11 km vom Fahrradverleih bis hierher die Füße. Da der Weg angenehm zu begehen scheint, werden die Räder sorgsam am Straßenrand abgelegt und der Rest per pedes erledigt. Wir befinden uns, an dessen kurzer Ostseite wir uns einen halben Kilometer lang erfreuen können. An der östlichsten Ecke des Sugar Loaf beschreibt der Weg eine langgezogene Linkskurve um einen Nachbarhügel herum bis der Akuliarusiarsuup Kuua, der Schmelzwasserabfluss aus dem Inlandeis, Einblick in den Canyon gewährt, den er hier an seiner engsten Stelle in langen Jahrtausenden herausgewaschen hat. Nach etwa 300–400 m, die man oberhalb der senkrechten Abbruchkante des Canyons auf der rechten Fluss-Seite zurücklegen muss, erreichen wir den sogenannten Wasserfall, namentlich: Elvfossen.
Zementgraues Schmelzwasser wälzt sich am Fuß des Akuliarusiarsuk-Massivs entlang durch die karge Landschaft bevor es plötzlich Stromschnellen bildet und scheinbar in der Erde verschwindet. Der Wasserfall ist im Wortsinne gar keiner, sondern an Geschwindigkeit zunehmende Wassermassen, die abrupt durch ein 100 m langes, nur wenige Meter breites und etwa 30 Meter tiefer gelegtes Nadelöhr gepresst werden.
Hier ruhen wir uns aus. Die warmen Sonnenstrahlen aus tiefblauem Himmel und das gleichmäßige Rauschen des Elvfossen geben der körperlichen Trägheit massiven Vorschub. Hektik ist auch nicht notwendig, lieber genießen wir diese Stimmung, die an einem letzten Reisetag nicht besser hätte sein können.
Irgendwann, es ist immer noch warm und hell, machen wir uns dann doch auf den Rückmarsch. Tatsächlich ziehen sich diese letzten 11 Ausflugskilometer merklich lang hin. Während des letzten Wegviertels tun mir die Füße in den steifen Wanderschuhen richtig weh.
Die Abendessenzubereitung gestaltet sich phantasielos: Nudelreste von Benjamin, der heute abgereist ist und sie uns vererbt hat für mich und für Niklas seine zweite Hälfte des Muskox-Currys aus der Thai-Pizza-Bar. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, sich seelisch auf die bevorstehende Abreise vorzubereiten. Wir hängen erst noch ein wenig in der Sofaecke ab bevor wir uns relativ zeitig in die Kojen zurückziehen.

Loch Nr. 17 des nördlichsten 18-Loch-Golfplatzes der Welt

Loch Nr. 17 des nördlichsten 18-Loch-Golfplatzes der Welt

Wo der Wildbach rauscht  -  der Wasserfall

Wo der Wildbach rauscht - der Wasserfall

Hinter der Klamm

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Misslungener Versuch, Bäume anzusiedeln. Das sind die kläglichen Überreste des Experiments

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© klaus Heyne, 2021
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Trekkingtour auf dem Arctic Circle Trail in West-Grönland. Der ca. 170 km lange Pfad verläuft im eisfreien etwa 200 km breiten Küstenstreifen in direkter Nachbarschaft des Nördlichen Polarkreises von der Hafenstadt Sisimiut nach Kangerlussuaq ins Landesinnere - oder umgekehrt.
Details:
Aufbruch: 17.08.2018
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 09.09.2018
Reiseziele: Grönland
Der Autor
 
klaus Heyne berichtet seit 10 Jahren auf umdiewelt.
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