Arctic Circle Trail (ACT) - West-Grönland
Zweite Etappe
Während der Nacht weht heftiger Wind, der die Zeltwände geräuschvoll flattern lässt. Gegen Morgen beruhigt sich der Wind, aber der Himmel ist bewölkt. Wir brechen das Lager ab und nehmen den Rest des Passes in Angriff. Es gilt, zunächst ein kurzes und steiles Stück über 500 knackige Streckenmeter bis auf eine Höhe von etwa 350 m gleich zu Beginn hinter sich zu bringen. Danach geht es mehr oder weniger auf dieser Höhe für etwa 6 Kilometer weiter. Wir durchqueren die etwa 30 qkm große Hochebene Qerrortusup Majoriaa auf einer geraden Linie in nordöstlicher Richtung auf das innere Ende des Kangerluarsuk Tulleq Fjords zu. Das Wetter bessert sich zusehends.
Zwischen ACT und Fjord werden wir später die – aus unserer Sicht – erste Hütte des Trails passieren: Kangerluarsuk Tulleq Syd. Am Ende der Hochebene erfreuen wir uns am ungehemmten Blick auf die blaue Wasserfläche des Fjords. Unten, in Wassernähe angekommen, verläuft der ACT zunächst ziemlich genau auf der 100-Höhenmeter-Linie in West-Ost-Richtung. Zuvor nagt ein sehr steiler Abstieg über 200 Höhenmeter an unseren Kräften. Der Pfad kommt hier wie eine schmale Rinne im dichten niedrigen Bewuchs daher.
Die folgende Passage wirkte von oben, als hätten wir nun ein hübsches Stück grasbewachsenen Wegs vor uns, über das locker entlang geschlendert werden kann. Doch der Schein war trügerisch. Uns erwartet eine patschnasse Grasnarbe, die immer wieder zu Umwegen auf hoffentlich trockeneres Gebiet zwingt. Eine Hoffnung, die sich meist nicht erfüllt. Das Gehen auf diesem nachgiebigen Grund, auf dem man sich nicht richtig abstoßen kann, lutscht einem die letzten Kräfte aus dem Körper. Das ist schon ohne Gepäck eine Tortur und mit dem kompletten Kampfgerödel auf dem Buckel einfach nur unbeschreiblich. Einige höchst beschwerliche Feuchtgebiete später, die man irgendwann tatsächlich nicht mehr umgehen, sondern nur noch willenlos durchqueren kann, erscheint auf einem Hügel linker Hand, hinter einem sehr, sehr nassen Flecken Erde, die Hütte Kangerluarsuk Tulleq Syd.
Da wir sowieso nicht in der Hütte übernachten wollen, schenken wir uns den Spaß, dort hinüber zu schwimmen. Es geht immer noch ein wenig bergauf. Endlich wird der Boden ein wenig fester. Diese Chance nutzend, schlagen wir das Zelt etwa 500 m vor Erreichen der Hütte etwas unterhalb des Pfades im Windschatten einer Erdstufe auf. Damit verfehlen wir den ursprünglich geplanten Etappenpunkt, die Landenge zwischen dem Fjord und einem namenlosen See, um 4 km. Das ist der Tribut, den uns diese olympische, kräfteraubende Schwimmstrecke auf den letzten 3 km gekostet hat.
Wir überlegen, morgen eine Tagestour auf den 907 m aufragenden Aappilattorsuaq zu machen. Das ist ein Gipfel des langgezogenen Bergmassivs, das bis Sisimiut reicht und zu dem auch der Nasaasaaq gehört. Ich bin froh, als das Zelt endlich steht. Der Platz ist gut gewählt mit dem Ausblick, den er auf den Fjord gewährt. Kaum 20 m weiter plätschert ein kleiner Wasserlauf die Erdstufe in unserem Rücken hinunter. Fließendes Wasser quasi auf Armeslänge erreichbar. Perfekt für Koch- und Hygienegeschäfte.
Zum Equipment der Hütte gehört auch ein outdoor-Klo -- eine lustige Bastelarbeit aus ei�nem alten Ölfaß und einem Autoreifen
Aufbruch: | 17.08.2018 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 09.09.2018 |