Lateinamerika - immer Richtung Sueden

Reisezeit: Juli - Dezember 2008  |  von Mary A.

bis zur vorlaeufigen Endstation: Córdoba: Neues aus meinem Kontrastprogramm

Uff, ich bin so voll mit Eindruecken momentan, dass ich ueberhaupt nicht weiss, wo ich anfangen soll ... Der Reihe nach ...!

Letzte Woche habe ich einen Fotowettbewerb im Projekt angefangen. Ich hatte ja grosse Bedenken, weil ich mit allem ziemlich auf mich allein gestellt war. Eva und Tord sprechen kaum / kein Spanisch und vom Enthusiasmus vor allem von Hannah, mit der ich seit meinem Anfang hier zusammenarbeite, habe ich ja schonmal berichtet.
Das Thema war "Mein Zuhause" und wir hatten 9 Unterthemen, zu denen die Kinder jeweils ein Foto mit Einwegkameras machen sollten. Ich hatte vier besorgt und es war wichtig, dass nicht zu viele Bilder gemacht werden, damit die anderen Kinder am naechsten Tag auch noch teilnehmen konnten. Es hat SEHR gut geklappt!!
Am ersten Tag haben wir ein Vortreffen gemacht, in dem wir alles erklaert und auf Postern an die Wand geheftet haben. Wir hatten vorher eine Teilnehmerliste gemacht und 10 Kinder zwischen 9 und 15 Jahren waren dabei. Beim Vortreffen war ungefaehr die Haelfte der Kinder da und deshalb musste ich alles mit und mit im Verlauf der Woche nochmal erklaeren, aber das war nicht so schlimm. Ich hatte vorher mit den aelteren Kindern aus dem Viertel nicht viel zu tun gehabt und das war eine wirklich gute Moeglichkeit, sie ein bisschen kennenzulernen!
In den folgenden drei Tagen sind die Kinder jeweils zwischen sechs und acht Uhr abends mit den Kameras und den Aufgabenblaettern wie auf einer Rallye durchs Viertel gezogen und ich habe gemerkt, dass es ihnen Spass gemacht hat. Auch die Frauen aus der Kueche haben sich fuer die Kameras begeistert.
Generell bin ich momentan gerne im Projekt, weil alles schon so vertraut ist und ich mich so gut mit allen verstehe. Die beiden Kinder von Maria (einer Frau aus der Kueche) habe ich inzwischen echt ins Herz geschlossen und wuerde sie am liebsten einpacken und mitnehmen. Der Hammer ist die Mimik der beiden; ihre Gesichter sprechen so fuer sich!

die beiden Schnecken

die beiden Schnecken

Wenn es Abendessen gibt, ist die Bude voll.

Wenn es Abendessen gibt, ist die Bude voll.

Auf der relativ spontanen Halloweenaktion letzten Freitag sind wir nach dem Abendessen mit den Kindern durch das Viertel gezogen und haben jeden Suessigkeitenladen ueberfallen. Ich konnte nicht wirklich erkennen, ob die Geschaefte eine solche Aktion gewohnt sind, aber von jetzt auf nachher waren wir mit einer Horde Kinder unterwegs, die sich ueber jedes einzelne Bonbon so sehr gefreut haben und uns nebenbei damit gefuettert haben. Schon beim Abendessen waren die Kinder verkleidet gewesen und auch die Frauen aus der Kueche hatten ihren Spass mit ein paar Masken.

Mirta & Roxana in der Kueche

Mirta & Roxana in der Kueche

Umso mehr, habe ich mich in der vergangenen Woche vom Unmut im Haus anstecken lassen und je mehr ich das gemerkt hatte, desto unzufriedener wurde ich. Getoppt wurde das durch eine schlechte Halloweenaktion am Freitag Abend, als wir zurueckkamen: Unsere drei Juengsten hatten vorher "Halloweenshopping" gemacht und sich sage und schreibe in Argentinientrikots, Hotpants, Stulpen und Tanzschuhe geschmissen, ein bisschen Make-up draufgeklatscht und sich bei einem Trinkspiel mit den anderen die Kante gegeben. Danach sollte es rausgehen - feiern. Ja ja, eine konnte schon kaum noch stehen, geschweige denn gucken und reden und so sind sie abgedampft. Ich hatte Zeit, noch ein bisschen mit Tord und Jamie (der aeltesten AFOS-Freiwilligen) zu reden und wir brachten sie zurueck zu ihrem Appartment. Als wir wiederkamen, waren die Besoffenen schon wieder da; sie hatten nicht lange durchgehalten. Was eine Party! **

Durch einen gluecklichen Zufall habe ich am Samstag rausgefunden, wo die Auffuehrung der Capoeiragruppe sein sollte. Ich traf mich mit Eli (der Deutschen aus dem Projekt ausserhalb von Córdoba) und den anderen beiden Maedels aus ihrem Projekt und wir machten uns mit Helen (kenn ich auch vom Capoeira; Freiwillige aus England) und Alexis (einem Bekannten von hier) auf den Weg. Die Auffuehrung war beeindruckend! Die Jungs haben alles gezeigt, was sie drauf haben und ihre Guertel wurden gewechselt, wie man das von anderen Kampfsportarten kennt.

Am gleichen Abend hab ich mir Tord unter den Arm geklemmt und wir haben uns mit Ale (auch vom Capoeira) und seiner Freundin getroffen. Ale hatte mir erzaehlt, dass er samstags abends immer in der Kirche tanzt. Da ich mir das nicht so recht vorstellen konnte, kamen wir mit zu dem Gottesdienst (einem Gottesdienst fuer junge Leute). Die Kirche sah nicht wirklich aus, wie eine Kirche und drinnen war es eine einzige RIIIIESIGE Halle, vorne eine Buehne und an der Decke hingen Leinwaende auf beiden Seiten der Buehne, auf denen die Texte der Lieder gezeigt wurden, oder der Pfarrer, der gerade sprach. Nun, als es losging, kamen Tord und ich uns vor, wie im falschen Film, denn es wurde einfach eine Art Party gefeiert. Verschiedene Tanzgruppen zeigten Choreographien auf und neben der Buehne, schwangen riesige Fahnen und auch die Pfarrer waren ganz normal gekleidet und sangen wie bei einem Konzert die Lieder mit Mikrophon, waehrend sie ueber die Buehne sprangen. Es gab einen Chor und eine Band, es wurde geklatscht und die Besucher auf ihren Plaetzen miteinbezogen. Nicht dass das schon genug waere an Anderssein, auch die Texte der Lieder waren neben Hymnen an den Herrn alles andere, als das, was wir aus der Kirche gewohnt sind. Einer der Texte handelte von der grenzenlosen Freiheit, die Gott uns gegeben hat und "soy tan libre, puedo casi volar" (ich bin so frei, ich koennte fast fliegen), usw. Es war so ansteckend, dass man einfach mitgemacht hat und man das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen hat.
Es hat mich nebenbei auch sehr beruehrt, weil es mir so vorkommt, dass egal wo ich hingehe, mir mit riesigen "Zaunpfaehlen" zugewinkt wird und die Lebensfreude dieser Menschen hier quasi ueberschaeumt. Die Lebensfreude, die Euphorie, die Power, die in jedem Einzelnen steckt und der Gemeinschaftssinn! Ein Pfarrer aus Kolumbien war Gast in dem Gottesdienst, der mit grossen Worten, mit viel Einsatz seiner Stimme und seines Koerpers den Menschen in der Kirche klarmachte, wer sie sind, was sie koennen und was sie VERAENDERN koennen. Der Leitspruch war "¡De menos a más!" (von wenig zu mehr), den wir immer wieder mit ihm riefen. Auch er war ein "Zaunpfahl" fuer mich, da er u.a. von der Einstellung sprach, WIE man morgens aufsteht, dass es alles in einem selbst steckt, was man erreicht. Ein grosser Redner, aber wirklich beeindruckend!

Und dann gibt es da noch Alexis, der ohne Zweifel zu meinem Kontrastprogramm gehoert! Er ist ein Bekannter hier aus Córdoba, ist mal hier, mal da; ueberall und nirgendwo. Er ist IMMER gut gelaunt, IMMER gelassen. Er hat im Grunde nichts, aber alles WAS er hat, teilt er und mir faellt KEINE Situation ein, in der das nicht so waere. Wir verbringen viel Zeit mit ihm; es ist sehr gut mit ihm zu reden.
Mit ihm, Helen und Tord habe ich bis gestern einen Ausflug in die Sierras gemacht, auf dem ich noch mehr feststellen konnte, wie Alexis lebt. Aber davon erzaehle ich beim naechsten Mal!

© Mary A., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Start: Kuba. Eine 2-monatige Reise bis Panama und ...
Details:
Aufbruch: 23.07.2008
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: 23.12.2008
Reiseziele: Kuba
Mexiko
Belize
Guatemala
Honduras
Nicaragua
Costa Rica
Panama
Argentinien
Der Autor
 
Mary A. berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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