Lateinamerika - immer Richtung Sueden

Reisezeit: Juli - Dezember 2008  |  von Mary A.

die Nicas in und um Granada

Hier sind wir nun - in Granada am Nicaragua-See. Wir sind seit Samstag hier und das spricht schon fuer sich: naemlich, dass wir wieder mal feststecken.
Heute geht es aber weiter - mit der Faehre zur Isla Ometepe auf dem See.

Aber fangen wir doch vorne an, bzw. in Marcala, Honduras, von wo wir letzte Woche morgens losgefahren sind - mit einem guten Reisebus nach Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras. Dort kamen wir mittags an und da es mal wieder keinen Busbahnhof gibt, sondern nur verschiedene Busgesellschaften, die ihre Bueros haben, stressten uns bereits WAEHREND des Aussteigens alle moeglichen Taxifahrer. Wir liessen uns schliesslich von einem dorthin bringen, wo noch ein Bus nach Managua (Hauptstadt von Nicaragua) fuhr. Die Fahrt sollte 8 Stunden dauern und dafuer war es schon ganz schoen spaet. Die Busgesellschaft "King Quality" aus El Salvador hatte noch einen Abendbus, der uns nach Managua bringen konnte. Wir wuerden zwar spaet ankommen und die Fahrt war relativ teuer, aber wir wussten auch, dass wir mal eine groessere Strecke schaffen mussten und das ging nur mit einem schnelleren Bus.
Es brauchte noch eine ganze Weile bis wir an der Grenze nach Nicaragua, diesem "aufgewuehlten" Land ankamen. Es war schon lange dunkel, wir warteten Ewigkeiten und setzten uns mit anstrengenden Geldwechslern auseinander ... Die Ausreisegebuehr aus Honduras kann man zu allem Unglueck auch nur in US-Dollar bezahlen und das ueberforderte die Nerven des Geldwechslers voellig. Der zweite Teil der Strecke verging schnell, weil wir alle relativ fertig waren.
Managua. Wieder eine dieser Hauptstaedte, aus denen ich am liebsten sofort wieder verschwunden wäre. Und wir kamen gegen Mitternacht an. Gibt es ein Taxi, dem man vertrauen kann? Die Taxifahrer rannten fast das Gitter, das die Busstation begrenzte, ein und streckten regelrecht ihre Arme nach uns aus. JEDER wollte uns fahren. Der zurueckhaltende Waechter der Busstation wies auf einen Fahrer mit rotem T-Shirt. Wir quetschten uns durch und folgten ihm und seinem auf karibischem Englisch plappernden Begleiter zum Wagen. Der Kerl hoerte nicht auf zu reden und es schien, als ob er das als seinen Job verstand: Er bringt JEDEN zu einer sicheren Unterkunft! Er ist Englischlehrer auf den Maisinseln. Er kuemmert sich darum, dass wir heil ankommen. Usw. ...
Den Kofferraum hatte unser Fahrer mit einem Seil zugebunden, das er jetzt nicht oeffnen konnte. Waehrend sich alle anderen Fahrer aus der Entfernung ueber ihn lustig machten, versuchte er es mit einem Feuerzeug. Wir quetschten alles in den Wagen und fuhren zu fuenft zur "Tica"-Busstation, wo man auch die meisten Unterkuenfte finden kann. Wir uebernachteten in einem neuen Hostel ("Dulce sueño"), das noch nicht im Lonely Planet steht. Wir wechselten noch ein, zwei Worte mit einem betrunkenen Bulgarier, der ueber das geteilte Deutschland redete, aber was eigentlich sein Punkt war, verstand ich nicht so richtig..
Am naechsten Tag verliessen wir Managua genauso schnell, wie wir gekommen waren. In einer Art Bus-Shuttle ging es nach Granada, das ca. 45 Minuten suedlich von der Hauptstadt direkt am Lago de Nicaragua liegt.

dunkle Vergangenheit ...

dunkle Vergangenheit ...

Seitdem wohnen wir im "Esfinge" bei einem (reichen,) aelteren Ehepaar. Die Unterkunft ist gut und hat sogar eine Kueche. Es gab gesundheitliche Gruende, aus denen wir laenger blieben als gedacht. Aber so hatten wir wohl auch die Moeglichkeit, viel mehr zu SEHEN.
Was ein Betteln! Eine so bedrueckende Atmosphaere und es ist sehr schwierig zu beschreiben, was wir als gutbehuetete Deutsche, als Leute, die alles haben, was sie brauchen, als weisse Touristen hier erfahren. Menschen unterwerfen sich vor uns, als waeren sie nichts wert. Aber darum geht es in ihrem Leben nicht; SIE halten uns die Ungleichheit in dieser Welt vor die Nase, durch die Art und Weise, wie sie sich uns gegenueber verhalten. Ganze Familien, kleine Kinder, einzelne Erwachsene. "Bekomm ich einen Cordoba / Dollar?", "Kaufst du mir was zu essen? / Ich habe Hunger." "Meine Familie ist so arm!", ...
Sie verkaufen alles moegliche bis hin zu gebastelten Figuren aus Grashalmen. Oder sie betteln. Oder sie reden sich um Kopf und Kragen - wie der betrunkene Ricardo, der vorgibt eine grosse Firma zu haben und uns alle auf ein paar Bier einladen will. Er laesst es sich nicht nehmen und holt einfach die Getraenke. Am Ende fragt er Harry (ein anderer Tourist aus Nuernberg), der mit uns am Tisch sitzt: "Hast du mal eben 100 Cordoba? Ich geb sie dir zurueck! Echt! Nur kurz leihen!"

Eigentlich wollten wir Montag die Faehre nehmen auf Isla Ometepe. Unser Krankheitsfall erlaubte uns das allerdings nicht, was relativ aergerlich war. Die Faehre faehrt naemlich nur Montags und Donnerstags. So lernten wir am Montag auch mal eine Arztpraxis hier kennen und - noch viel interessanter - eine Apotheke. Das war ein Bild! Ein Chaos, wie es chaotischer kaum geht! Kein Quadratzentimeter Platz in dem Gewuehl und ein paar aeltere Herrschaften, die fast schon mit der Lupe nach den einzelnen Medikamenten suchen mussten.

Vorgestern machten Sylvia und ich eine Tour auf die Isletas auf dem Lago de Nicaragua. Denis war unser Guide; ein sympathischer Kerl. Die Isletas sind vor Granada entstanden, als vor vielen hundert Jahren der Vulkan Mombacho, einer der immer noch aktiven Vulkane in Nicaragua, ausgebrochen ist. Heute sind die winzigen Inselchen bewachsen und - kaeuflich. Einwanderer haben sich noble Eigenheime darauf gebaut. - Moeglicherweise wiedermal der "American Dream"? Auf einer Insel leben nur Affen und auf einer tranken wir einen Pituhaya-Saft. Ein pinker Saft.

Blick auf die Isletas mit dem Vulkan im Hintergrund

Blick auf die Isletas mit dem Vulkan im Hintergrund

Wir sprachen mit Denis. Er ist 32 Jahre alt, war zwar noch klein gewesen zu der Zeit, kann sich aber an den Buergerkrieg erinnern. Erinnerungen, die wir uns nicht vorstellen koennen. Meines Erachtens ist Nicaragua in einer ziemlich schwierigen Situation. Auf die wirtschaftliche Abhaengigkeit von den USA, die eine Terrorgruppe in Nicaragua unterstuetzte (angefuehrt durch Somoza, der spaeter lange Zeit das Land regierte), reagierte das Volk von Nicaragua mit sozialistischen Befreiungskaempfen, die von den sogenannten Sandinisten ausgingen (benannt nach dem ersten wichtigen Befreiungskaempfer Sandino). Wie kann eine Weltmacht, wie die USA eine so brutal mordende Regierung unterstuetzen?! Wie logisch ist die Folge sozialistischer Aufstaende, die wiederum eine sozialistische Regierung zur Folge hatten (wie auch die aktuelle unter Ortega), die das Land offenbar nicht aus seiner Misere holen kann. Den Menschen geht es unveraendert schlecht. Die Revolution, von der die unterdrueckten Menschen wohl auch hier getraeumt haben, hat sie alle enttaeuscht. Wie machtlos man sich fuehlen muss.
All das sind die Dinge, die uns durch den Kopf gehen, als wir uns hier umsehen und versuchen zu verstehen, was hier vor sich geht.
Und dann kamen wir zurueck ins Zentrum von Granada, wo wir erneut umlagert wurden von den Kindern. Bettelnde Kinder, die hier geboren werden und ohne, dass sie was fuer die politischen Verhaeltnisse koennen, leiden und menschenunwuerdig leben muessen. Wir assen zusammen mit Juan Carlos einen Hot Dog, dem es offensichtlich nicht gut ging. Er sagt, er sei 15 Jahre alt, ist aber noch so klein, dass wir das nicht wirklich glauben koennen. Er bewegt sich komisch, vielleicht ist er koerperlich behindert, aber wir wissen es nicht. Nachdem wir seinen Arm mit einem Pflaster versorgt hatten (er war wahrscheinlich irgendwo hingefallen), schickten wir ihn nach Hause. Den Jungen, wie er in der Dunkelheit die Strasse hinauf humpelt und die Tuete mit dem Rest Hot Dog schwingt, werde ich so schnell nicht vergessen ...

Immernoch in Granada, nahmen Sylvia und ich gestern einen Bus nach Masaya, um uns die Artesanía Maerkte dort anzusehen. Im Taxi trafen wir den Sozialarbeiter Werner Schlienz, der fuer verschiedene Entwicklungsorganisationen - u.a. fuer den Werkhof Darmstadt - Projekte in Nicaragua organisiert und vor Ort durchfuehrt. Er lud uns ein, spaeter vorbeizukommen und das taten wir auch. Wir unterhielten uns ein wenig ueber uns und seine Arbeit. Mir fiel auf, wie viele Partnerschaften Nicaragua pflegt. Ich weiss, dass es mit nicaraguanischen Staedten in den 80er Jahren die ersten Entwicklungspartnerschaften gab. Werner Schlienz erklaerte uns, dass dieses Engagement auch daher kam, dass die damalige Kohl-Regierung mit den USA sympathisierte, die wiederum Nicaragua nicht unterstuetzten aufgrund ihrer sozialistischen Politik. Staedte und einzelne Kooperativen bauten in der Zeit vermehrt Partnerschaften zu Nicaragua auf und leisteten solidarische Hilfe. Diese laufen auch heute noch rege.
Auch in Granada besuchten wir eine durch Partnerschaften unterstuetzte Kooperative namens "Casa de los tres mundos", die u.a. von der Organisation "pan y arte eV" aus Koeln unterstuetzt wird. Einer der Kuenstler zeigte uns die Werkstatt, in der junge Kuenstler aus der Gegend die Moeglichkeit haben, ihrer Kreativitaet freien Lauf zu lassen. Hauptsaechlich junge Kuenstler von hier sollen ueber dieses Projekt unterstuetzt werden; ein reger Austausch laeuft auch mit jungen Leuten aus Deutschland.

der Gruender der Kooperative

der Gruender der Kooperative

Heute muss es nun weitergehen. Gleich fahren wir zum Bootsanlegeplatz runter und huepfen auf die Faehre ...

© Mary A., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Start: Kuba. Eine 2-monatige Reise bis Panama und ...
Details:
Aufbruch: 23.07.2008
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: 23.12.2008
Reiseziele: Kuba
Mexiko
Belize
Guatemala
Honduras
Nicaragua
Costa Rica
Panama
Argentinien
Der Autor
 
Mary A. berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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