Indian Summer in den Neuengland Staaten der USA
Fahrt nach North Conway
Heute morgen wache ich mit Rückenschmerzen auf. Wir schlafen wirklich viel, im Schnitt bis zu zehn Stunden, und das spüre ich irgendeinmal, da jede Matratze wieder ihre Eigenheit hat. Tja, man wird älter...
Ein Blick zum Fenster hinaus zeigt einen strahlendblauen Himmel. Soviel zum Regentag, den der Wetterkanal angekündigt hat... Ein letztes Mal frühstücken wir in unserem schönen Hotel und geniessen "scrambled eggs". Danach packen wir wieder unseren schönen GMC und checken aus. Beim Bezahlen der Hotelrechnung kann ich noch ein wenig mit dem Besitzer plaudern. Er stammt ursprünglich aus der Türkei, lebt aber schon lange in der USA. Vor zwei Jahren sind er und seine Frau aus Columbus, Ohio hierher gezogen und haben dieses Country Inn gekauft. Die zwei betreuen ihre Gäste mit viel Aufmerksamkeit und Liebe. Wir bedauern den schönen Ort verlassen zu müssen. Stacy umarmt mich zum Abschied und ich muss ihr versprechen, dass wir wieder kommen. Sollten wir jemals wieder in der Gegend sein, wird dies selbstverständlich sein!
So verlassen wir das malerische Bethel und halten uns wie gestern westwärts auf dem Highway 2. Unterwegs nötige ich Jürg zu einem Megastop (er liebt das, wenn ich im letzten Moment etwas sehe...). Also kurz mal auf die Bremse getreten und Staub aufwirbelnd an den Strassenrand gefahren, natürlich verbunden mit entsprechend charmantem Kommentar! Doch auf der andern Strassenseite habe ich einen wunderschönen See entdeckt. Kein Lüftchen kräuselt die Seeoberfläche und entsprechend spiegeln sich die herbstlichen Bäume messerscharf. Das darf man doch nicht verpassen... Doch bevor ich zu meinen Fotos komme, muss ich noch einen stark befahrenen Highway überqueren, wo vorallem riesige Trucks rasant um die Kurve düsen. Jürg liebt mich...
Doch hat Fränzchen was' im Kopf, dann hat sie's nicht im .... (Sie wissen was ich meine). Und so kommt sie selbstverständlich zu ihren schönen Herbstfotos und rennt unter Lebensgefahr wieder über den breiten Highway zurück zum Göttergatten, der sie mit den entsprechend harschen Worten erwartet...
In Gorham biegen wir wieder auf den Highway 16 ab. Wir sind definitiv wieder in den White Mountains. Wolken beginnen die Spitzen der Berge zu verhüllen. Doch auf der Höhe des Mount Washington bahnt sich die Sonne durch eine Lücke und zeigt uns die herbstlichen Farben mit den verschneiten Bergspitzen nochmals in ihrer ganzen Pracht. Natürlich schalten wir einen Halt ein und geniessen nochmals den Blick in den herbstlichen "Peak". Was für eine Aussicht, was für Farben...
Unsere Fahrt geht weiter das Tal hinab zwischen den Berghängen der White Mountains hindurch. Linkerhand entdecken wir die Ankündigung einer Seilbahn, die auf den Wildcat Mountain führt, einem bekannten Skigebiet von New Hampshire. Wir fahren auf den riesigen Parkplatz vor der Talstation und begutachten die Wetterentwicklung. Vom Norden her naht eine dunkle Wolkenfront, die wenig gutes verheisst, doch auf dem Wildcat Mountain scheint die Sonne. Wagen wir es...
Schon bald sitzen wir in einer 4er Gondel made in Switzerland und lassen uns bequem auf den Berg führen. Unterwegs auf dem Highway haben wir immer wieder grosse Plakate entdeckt, die den Wildcat Mountain als führendes Skigebiet anpreisen. So staunen wir nicht schlecht als wir oben ankommen und eine mehr als baufällige Baracke vorfinden, die im Winter die Skifahrer bewirten soll. Da bieten unsere Bergrestaurants aber eine ganz andere Qualität, abgesehen davon, dass diese dann auch im Sommer und Herbst geöffnet haben. Diese hier ist aber geschlossen.
Doch plötzlich piept es wie verrückt in meinem Rucksack! Wir haben eine Zone mit Netz erwischt und sämtliche SMS aus der Schweiz kommen im Sekundentakt angeschwirrt. Es tönt wirklich zu lustig!
Nebst dieser traurigen Baracke erwartet uns auch noch eine raue Bise. Oder anders gesagt, "es chutet wie blöd". Aber uns erwartet ein grandioser Ausblick südwärts über die hügelige Landschaft New Hampshires - so eine Art Voralpen. Da diese Hügel über und über mit herbstlichen Bäumen übersät sind, erblicken wir eine farblich interessante Mischung. Zudem scheint südwärts immer noch die Sonne. Doch schon bald beginnen dicke Wolken alles einzuhüllen. Das Sonnen- und Schattenspiel gibt immerhin schöne Fotos.
Die Schlechtwetterfront schiebt sich in einem immensen Tempo zu uns hin. So kriegen wir ungewollt einen Einblick wie schnell Wanderer vom schlechten Wetter überrascht werden können. Und es wird immer kälter und der Wind bläst immer stärker. Plötzlich fängt es an zu schneien - eigentlich mehr so komisch zu nieseln. Es wird immer garstiger, so dass wir uns wieder zur Bergstation aufmachen um runterzufahren. Der Wind rüttelt munter an unserer Gondel und rund um uns versinken die Berghänge im Weiss des Schneefalls.
Unten wieder angekommen genehmigen wir uns im Auto ein kleines Picknick in Form von Bananen und Donuts. Danach geht unsere Fahrt weiter in die Pinkham Notch hinein, ein Highway, der im Indian Summer eine der schönsten Strecken sein soll. Und sie ist es tatsächlich! Nicht nur dass wir wieder im Sonnenschein fahren, auch die Bäume trumpfen noch einmal in ihrer ganzen Pracht auf! Es ist kaum zu beschreiben: Der Ahorn leuchtet knallrot, die Birken golden und die Roteichen kastanienbraun.
Der Highway schlängelt sich gemütlich durch das breiter werdende Tal und immer wieder laden Scenic Views zum Halten und Verweilen ein. Gemäss Reiseführer sind wir hier auf einer der schönsten Panoramastrasse im Nordosten der USA. Dem können wir nur zustimmen! Nicht nur dass viele Bäume durch die intensivste Herbstfärbung unser Auge verwöhnen, auch vereinzelte Wolken tragen zu einem fantastischen Schatten-Sonnen-Spiel bei, das natürlich höchst fotogen ist. Ich komme wahrlich auf meine Kosten...
Die Strasse, die wir hier befahren, wurde übrigens 1790 von einem Siedler namens Josef Pinkham angelegt, damals war es allerdings ein Ochsenkarren-Trail. Doch schon bald entstanden am Wegesrand hübsche Dörfer und Weiler. Ich kann verstehen, dass sich die Leute hier niederließen. Doch unser Ziel ist heute das wirtschaftliche Zentrum der White Mountains: North Conway.
Der Verkehr nimmt rapide zu als wir die Kreuzung des Kancamagus Highway erreichen. Plötzlich erblicken wir linkerhand Schweizer Chalets mit einem grossen Berner Wappen! Ein Swiss Village! Das müssen wir uns natürlich ansehen. Also biegen wir ab und gelangen wirklich mitten in ein kleines Schweizer Dörfchen. Es gibt ein grosses Hauptchalet und daneben mehrere kleine, die man mieten kann. Ist ja zu süss! Zudem hängen an allen Wänden Kantonswappen. Wir fühlen uns fast zuhause... Doch wir haben anderswo eine Reservation. Und so lotst uns Alma durch den zähen Mittagsverkehr North Conways zur Sprucemoose Lodge mitten in einem kleinen Wäldchen.
Doch leider ist niemand zuhause. An der Türe steht angeschrieben, dass man ab drei Uhr einchecken kann und jetzt ist halb eins. Also fahren wir wieder zurück ins Städtchen und stellen unser Auto mal beim Bahnhof ab.
North Conway wird offiziell als Bergdorf bezeichnet und als ausgezeichneter Ausgangspunkt für die erhabene Schönheit der White Mountains. Doch North Conway ist noch etwas anderes, nämlich ein Konsumparadies! Da es im Staate New Hampshire ja keine Mehrwertsteuer gibt, haben sich hier über 200 Outlet- und Fachgeschäfte niedergelassen wie Calvin Klein, Ralf Lauren oder Timberland. So ist aus dem Dorf ein mehrere Kilometer langes Städtchen entstanden, das von riesigen Shoppingparadiesen nur so strotzt. Doch die grösste Attraktion von North Conway ist die Conway Scenic Railroad, eine historische Eisenbahn aus dem frühen 19. Jahrhundert. Als die White Mountains als Erholungsgebiet so richtig bekannt wurden, brachte man die reiche Oberschicht aus New York und Boston mit der Eisenbahn hierher. Heute kann man schöne Tagestouren unternehmen, die einem in eine der wildromantischen Täler bringen.
Natürlich beginnen Jürgs Augen zu leuchten. Und so erkundigen wir uns nach einem Fahrplan. Um halb drei könnten wir eine zweistündige Scenic Tour nach Bartlett unternehmen. Gebongt! Wir kaufen uns zwei Tickets und Jürg strahlt wie ein Marienkäfer. Zugfahren!! Jaa!!
Da wir noch zu früh und zudem hungrig sind, bummeln wir an die beschäftigte Hauptstrasse, wo wir ein gemütliches Café erblicken. Das Essen scheint gut zu sein, die gemütliche Stube ist bumsvoll. Doch wir haben Glück und ein Tisch wird gleich frei. Häufig haben wir solch süsse Cafés nun vorgefunden, wo man sich eigentlich in einer normalen Wohnung befindet. Doch die Leute machen daraus ein kleines Café und bieten meistens Frühstück und Lunch an. Richtige Hausmannskost. Und meistens schmeckt es hervorragend, so auch hier. Ich geniesse so genannte "Wraps", das sind gerollte und lecker mit Truthahn, Spargeln und Tomaten gefüllte Tortillas. Für ein paar Dollars kriege ich zwei Riesendinger serviert. Mag man nicht alles essen, wird das sofort und ohne zu fragen sauber eingepackt, so dass man die Resten problemlos mitnehmen kann. Sehr praktisch!
Um viertel nach zwei sind wir wieder beim malerischen Bahnhof, wo unser nostalgischer Zug unter lautem Dampfen und Zischen einfährt. Wir haben Tickets im 1. Klasswagen gelöst. Er wurde 1870 gebaut und sieht ganz toll aus. Es gibt keine Bänke sondern gemütliche, geflochtene Gartensofas mit Polstern, die so platziert sind, dass man direkt zum Fenster hinaus sehen kann. In der Mitte des Wagens hat es eine Bar, wo man sich mit Getränken und Snacks eindecken kann. Und so geht die Fahrt mit lautem Pfeifen bei jedem Bahnübergang los.
Gespannt lassen wir die Landschaft wie in einem Film an uns vorbeifahren und müssen schon bald feststellen, dass die versprochene Scenic Route mehrheitlich durch Wälder fährt ohne jegliche Aussicht. Neben uns sitzen zwei ältere Ehepaare. Kaum ist der Zug angefahren, schlafen (und schnarchen) die beiden Herren herrlich in ihren Sesseln, und wir lästern, dass man dafür also nicht noch bezahlen müsste. Doch schon bald geht es uns ähnlich! Das einlullende Rumpeln des Zuges und die öden Bäume (nicht mal herbstliche Glanzlichter!) lassen auch uns die Augen zufallen. Der Zug ist schön, unser Waggon eine Augenweide, aber die Strecke ist zum Gähnen langweilig... Höchstens eine Fahrt über einen Fluss wird zum aufregenden Höhepunkt, welcher aber schnell vorbei ist.
Nach einer Stunde stehen wir in Bartlett, die Lokomotive fährt an das Ende des Zuges, wir tauschen mit den Leuten auf der andern Seite die Fensterplätze und haben noch einmal das Vergnügen uns eine Stunde lang Bäume ansehen zu dürfen. Wuäh...
Doch irgendwann haben wir es überstanden und kommen wieder in North Conway an! Also lieber Leser! Sollten sie jemals in North Conway in Versuchung geraten eine Scenic Tour mit der historischen Bahn unternehmen zu wollen, lassen sie es sein! Sie schlafen im Hotel besser und günstiger...
Es ist fünf Uhr und wir fahren zum zweiten Mal zur Sprucemoose Lodge, wo wir von den Besitzern inklusive ihrer beiden Hunde herzlich begrüsst werden. Sie zeigen uns das grosse Wohnzimmer mit dem Frühstücksraum und führen uns dann zu unserem Cottage. Das Zimmer ist wirklich süss! Es riecht herrlich nach Zimt dank einer Duftkerze. Oben an der Decke leuchtet romantisch eine Lichterkette und alles ist übersät mit Engeln. Engel an den Wänden, Engel auf den Kissen, Engel am Rande des Jacuzzi... Jürg kriegt fast eine Krise! Ich finde es aber absolut süss!
Das riesige Bett braucht sehr viel Platz im kleinen Zimmer, so dass wir nur das Notwendigste aus dem Auto mitnehmen. Jürg wirft sich aufs Bett und zappt wie gewohnt durch den TV, derweilen genehmige ich mir ein entspannendes Blubberbad im Jacuzzi. Als Wärmequelle dient ein romantisches Gascheminée, das den Raum sehr schnell aufwärmt. Ich finde das Cottage höchst romantisch und gemütlich. Göttergatte ist da nicht ganz meiner Meinung. Immerhin findet er seine Lieblingssendung "true Story". Verfolgungsjagden sei gedankt...
Den restlichen Abend geniessen wir im Cottage. Den ganzen Tag soviel sehen und erleben macht müde. Den kleinen Hunger stillen wir mit meinem restlichen Lunch und Früchten. Zudem haben wir noch eine Flasche Wein. Was will man mehr...
Aufbruch: | 26.09.2008 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 17.10.2008 |