Indian Summer in den Neuengland Staaten der USA

Reisezeit: September / Oktober 2008  |  von Franzi S.

Fahrt nach Bethel

Nachdem die Nacht immer noch vom Rauschen des Regens erfüllt gewesen war, erwachen wir bei ungewohnter Ruhe! Ein Blick zum Fenster hinaus zeigt uns blauen Himmel und schüchtern zeigen sich die ersten Sonnenstrahlen. Yeah! Das weckt die Lebensgeister!

Das Frühstück geniessen wir zum letzten Mal an unserem Familientisch. Dieses Mal lernen wir ein nettes Ehepaar aus Virginia kennen. Er arbeitet bei Merrill Lynch, so dass wir schon bald in einer interessanten Diskussion über die Finanzkrise stecken. Derweil sucht Marian wieder ihre Abnehmer für Waffeln... Immerhin hat sie uns erkannt und uns nicht wieder das ganze Frühstücksbuffet erklärt...

Wir verlassen Bar Harbor. Wie immer nach solch starken Regenfällen wirkt die Natur wie frisch gewaschen. Doch sich ballende Wolkenbänke am Horizont lassen ahnen, dass noch nicht alles vorbei ist. Bis Bangor fahren wir dieselbe Strecke wie gestern. Dann führt uns Alma auf den Maine Turnpike no 95. Lange fahren wir südwärts auf der Schnellstrasse und geniessen den Blick in die Wälder, die die Strasse säumen, und sich uns immer wieder farbenfroher präsentieren. Indian Summer ist wahrlich eine Orgie fürs Auge.

auf dem Weg nach Bangor

auf dem Weg nach Bangor

In Augusta verlassen wir die Schnellstrasse. Gemütlicher geht's auf dem Highway 202 in die hügelige Wildnis Maines. Alma führt uns zuverlässig durch endlose Wälder und kleine idyllische Dörfer. Plötzlich erblicken wir eine rabenschwarze Wolkenwand vor uns! Als wir in den Highway 219 abbiegen wollen wird's ganz dramatisch! Rechterhand erwartet uns eine gewaltige Gewitterfront und von linkerhand scheint die Sonne in die Wolken. Wow... das ist eine Stimmung!

Das sieht dramatisch aus...

Das sieht dramatisch aus...

... und wir fahren mitten rein

... und wir fahren mitten rein

Natürlich führt unser Highway nicht in die Sonne sondern mitten ins Gewitter hinein. Kurvig führt uns der Highway 219 in die Berge hinein und plötzlich stecken wir mitten in der Sintflut. Es blitzt und donnert wie verrückt. Doch irgendwie streifen wir nur die Gewitterzelle, denn nach fünfzehn Minuten Fahrt hört der Regen schon wieder auf und die schwarze Wand verschwindet zu unseren Rechten.

Fast vergesse ich den Höhepunkt des Tages: Jürg hat Geburtstag! Da die Mobile-Vernetzung im Nordosten der USA wie in einem Entwicklungsland ist, haben wir meistens kein Netz. Doch plötzlich scheinen wir in eines hineinzufahren: schon klingelts! Thomas ist am Draht und kurz darauf ruft auch Eva an! Doch plötzlich sind wir schon wieder in einer Netzfreien Zone. Ich kann mir vorstellen, dass Mama alle fünf Minuten versucht anzurufen. Oi oi ... da wird sie sich aber ärgern.

Um halb zwei erreichen wir unser heutiges Tagesziel: Bethel am Rande der White Mountains, eines der malerischsten Städtchen im Nordosten der USA - wie der Reiseführer schwärmt! Trotz Wolken werden wir in Bethel von herrlichem Sonnenschein begrüsst. Die Mainstreet wird von wunderschönen alten viktorianischen Häusern in allen Farben gesäumt und schon bald erblicken wir auf einer Anhöhe unser Hotel für die nächsten zwei Tage: das Victoria Inn. Majestätisch wie ein kleines Schloss begrüsst uns das schöne Haus.

unser nächstes Hotel sieht echt toll aus

unser nächstes Hotel sieht echt toll aus

Blick über die Mainstreet von Bethel

Blick über die Mainstreet von Bethel

und was für ein schöner Baum im Hinterhof

und was für ein schöner Baum im Hinterhof

Schüchtern betreten wir das Innere über eine schöne Veranda. Irgendwie haben wir in diesen alten Häusern immer das Gefühl, wir würden ohne zu klingeln Privaträume betreten. Es ist das erste Jahr, dass wir uns wirklich für kleinere Country Inns oder B & B's entschieden haben. Da wir bis anhin eigentlich nur in grossen Hotelketten oder Motels übernachtet haben, ist es schon etwas gewöhnungsbedürftig, in derart intimen Häusern zu nächtigen. Doch es gefällt uns immer besser. Die Häuser und Zimmer sind höchst romantisch und so herrlich altmodisch, dass man sich immer in einem alten Film wähnt.

Der Kamin ist gleich beim Eingang

Der Kamin ist gleich beim Eingang

das schöne Essenszimmer

das schöne Essenszimmer

der Aufgang zu unserem Zimmer

der Aufgang zu unserem Zimmer

Auch hier ist es nicht anders. Wir betreten wunderschöne alte Räume mit grossen Cheminées, mit geblümten Tapeten (Jürg liiiebt es...), mit antiken Möbeln und dicken Teppichen, die jeden Laut verschlucken. Kein Mensch kommt uns entgegen. Wir schauen uns mal ein wenig um. Linkerhand führt eine geschwungene Treppe in den ersten Stock. Rechterhand gibt es weitere Räume. Den vielen gedeckten Tischen an ist dies hier das dazugehörige Restaurant. Gradaus hören wir ein Geräusch, welchem wir mal folgen. Plötzlich steht die Inhaberin des Victoria Inn vor uns. Stacey begrüsst uns herzlich und zeigt uns unser Zimmer im 1. Stock. Es ist fantastisch: riesig gross, mit einem Entree, wo ein schönes antikes Sofa steht. Linkerhand geht's in das grosszügige Bad, geradeaus zum eigentlichen Schlafzimmer, wo wir ein riesiges Kingsize Bett vorfinden. Wie üblich sind mehrere Matratzen gestapelt, so dass wir stehend neben dem Bett sind und immer noch in die Höhe hüpfen müssen, damit wir überhaupt ins Bett kommen. Ich verstehe warum vor dem Bett eine kleine mobile Treppe steht... Und Jürg ist ebenfalls begeistert: keine Blümchentapete! Nordwärts haben wir einen herrlichen Blick über Bethel und westwärts steht ein riesiger Ahornbaum, der in den schönsten Orangetönen zu uns ins Zimmer leuchtet. Wow... wir sind begeistert.

unser schönes Zimmer

unser schönes Zimmer

da gefällt's auch Jürg ... keine Blümchentapete!

da gefällt's auch Jürg ... keine Blümchentapete!

Weniger begeistert sind wir von der Tatsache, dass wir unser ganzes Gepäck eine schmale Treppe hinaufbuckeln müssen. Stacy will uns helfen, was wir aber ablehnen. Das kriegen wir schon hin!

Als wir alles eingepufft haben, schliesslich bleiben wir ja die nächsten drei Nächte hier, reservieren wir bei Stacy einen Tisch für heute Abend. Wir wollen doch Jürgs Geburtstag feiern. Da es erst früher Nachmittag ist, plagt uns aber jetzt schon ein Hüngerchen. Stacy hat uns einen kleinen Stadtplan von Bethel überreicht, wo wir eine Bakery erblicken. Also satteln wir mal das Auto und fahren die Mainstreet hinunter zu den angegebenen Koordinaten. Dort finden wir aber weit und breit keine Bäckerei. Zweiter Blick in den Stadtplan: Aha ... da gibt es noch ein Café namens "Mouse & Bean", das tönt gut!

Hätten wir auch gleich machen sollen, denn das kleine gemütliche Internet-Café befindet sich nur ein paar Meter unterhalb unseres Hotels. Super gemacht... Zwei junge Frauen führen das preisgekrönte Café (Auszeichnung am Eingang ersichtlich!) und tatsächlich finden wir gemütliche Räume mit Tischen oder Sofas vor. Gekocht wird selber, die Sandwiches werden frisch zubereitet, gebacken wird am Morgen und daneben gibt es auch noch leckere Suppen. Bewaffnet mit Roastbeefsandwiches und Cappuccinos begeben wir uns zu den Computern, wo ich endlich dazu komme, mal mein e-Mail abzuchecken. Monique hat bereits unser Meeting in Qgunquit ausgiebig beschrieben und schwärmt von Jürg in den höchsten Tönen mit der Beschreibung "sweet, nice and charming"... Das geht natürlich runter wie Öl...

an der Mainstreet

an der Mainstreet

Wir unternehmen einen Spaziergang durch das schöne Städtchen. Bethel wurde 1769 vom Militär gegründet als Servicestation für die Armee, die damals an der Schlacht um Québec teilnahm. Dann kamen auch ein paar Siedler hinzu, welche aber durch einen der letzten Indianerattacken in Maine vertrieben wurden. Zwei der Soldaten, die in Québec in Kriegshaft waren, kehrten zurück an diesen Ort und nannten ihn Bethel nach dem "book of genesis", was Haus Gottes bedeutete. Bethel wurde eine der besten landwirtschaftlichen Städte Maines, vor allem beim Heu- und Kartoffelanbau. Im Sommer arbeiteten die Farmer auf den Feldern, im Winter als Holzfäller, so dass auch viele Sägereien entstanden.

Am 10. März 1851 erreichte die Eisenbahn Bethel und brachte den Tourismus in die Berge. Vor allem Sommertouristen flüchteten aus den lauten, heissen und schmutzigen Städten nach Bethel und genossen das gesunde Klima. Zu dieser Zeit entstanden viele grosse altehrwürdige Resorts und ein Arzt namens Dr. Gehring eröffnete eine Nervenklinik für Reiche, welche auch rege benutzt wurde...

Heute wird Bethel mit seinen rund 2400 Einwohnern als eines der schönsten Neuenland-Städtchen beschrieben (was wir hiermit bestätigen!) und von Sommer- wie Wintertouristen gerne besucht wird. In den umliegenden Bergen gibt es mehrere Winterskigebiete, das bekannteste ist das Sunday River Resort.

Wir bummeln die Mainstreet hinauf. Die Häuser sind allesamt sehr gepflegt und immer wieder erblicken wir die farbenfrohesten Bäume und Sträucher in den Gärten. Natürlich gehören auch weisse Kirchen ins Dorfbild. Doch genau hinter diesen Kirchtürmen erheben sich schwarze Gewitterwolken. Die könnten noch was' bringen. Wir verlassen die Hauptstrasse und spazieren durch ruhige Nebenstrassen. Die Häuser sind allesamt herrlich gepflegt, genau so ihre Gärten. Auf einem grossen Platz erblicke ich zwischen zwei riesigen Tannen einen ebenso riesigen Ahornbaum, welcher in den schönsten Orange- und Rottönen leuchtet. Was für ein Anblick!

Ein Gewitter zieht heran...

Ein Gewitter zieht heran...

Doch plötzlich fallen die ersten Tropfen vom Himmel, so dass wir uns rasch auf den Heimweg machen. Im Hotel angekommen öffnet Petrus die Schleusen. Da sind wir knapp davongekommen.

Um halb sechs begeben wir uns ins Restaurant, wo wir einen gemütlichen Zweiertisch in einem der schönen Wohnzimmer erhalten. Draussen geht die Sonne langsam unter und verwandelt Bethel in ein mildes Abendlicht, auf unserem Tisch brennt eine Kerze und im Cheminée knistert ein Feuerchen. Was für eine romantische Stimmung! Wir geniessen zum Abendessen leckere Teigwaren mit Hummer und dazu eine Flasche Chardonnay. Es ist ein würdiger Rahmen um Jürgs Geburtstag zu feiern.

Müde fallen wir um zehn Uhr ins Bett und freuen uns auf die weiteren Tage hier in Bethel.

© Franzi S., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Alle schwärmen vom Indian Summer in den Staaten. Wir wollten es mit eigenen Augen sehen... und wurden nicht enttäuscht!
Details:
Aufbruch: 26.09.2008
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 17.10.2008
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Franzi S. berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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