Indian Summer in den Neuengland Staaten der USA
Zweiter Regentag - wir sind in Ogunquit
Pünktlich um drei Uhr bin ich wieder hellwach und habe Kopfschmerzen. Ich werde wahrlich älter... Also schnell mal eine Tablette geschluckt und zurück ins Bett. Um sechs Uhr sind wir dann beide hellwach. Draussen erwacht langsam der triste Tag, und wir stellen fest, dass es weniger stark regnet. Ganz wie die Hobbits mit ihrem "first and second breakfast" geniessen wir ein Muffin und Mineralwasser als "first breakfast", da wir mit Monique und Christiane erst um zehn Uhr zum "second breakfast" verabredet sind.
Sportlich wie wir nun mal sind (...), entscheiden wir uns für einen morgendlichen Spaziergang am Strand. Alles was irgendwie wasserdicht ist, wird angezogen und dann geht's den Klippen entlang bis zu einer kleinen Brücke, die uns auf eine vorgelagerte Sandinsel führt. Ein grosser Parkplatz, der im Sommer vermutlich kaum einen freien Platz bietet, ist zu einem beachtlichen See angewachsen. So springen wir von Pfütze zu Pfütze bis wir den Sandstrand erreichen. Durch die Feuchtigkeit ist der Sand schön fest und damit angenehm zum Wandern. Über anderthalb Stunden spazieren wir den Strand hinauf und wieder hinunter. Es ist ein komisches Gefühl im zeitlosen Nebel zu laufen. Rechterhand rauschen die hohen Wellen des hurrikangepeitschten Atlantiks an uns heran. Linkerhand verschluckt der Nebel jegliche Aussichtsmöglichkeiten. Wir laufen und laufen im Grau und langsam schleicht sich das Gefühl ein wir seien die einzigen Menschen auf der Welt. Es könnte ja sein, dass wir plötzlich ein Zeitloch ohne zu merken durchschreiten und auf der andern Seite in einer völlig anderen Dimension herauskommen. Okay, ich weiss, Jürg findet auch, jetzt gehe aber die Fantasie mit mir durch. Das sind halt die Auswirkungen einschlägiger Literatur...
Auf dem Rückweg schält sich endlich ein Hotel aus dem Nebel. Wir sind zurück auf dem Parkplatz der Insel! Der Rückweg führt uns durch den idyllischen Dorfkern von Ogunquit. Ganz amerikanisch holen wir uns in einem süssen Coffee-Shop einen Becher Kaffee zum Mitnehmen und schlürfen das herrlich heisse und erstaunlich aromatische Getränk auf dem Rückweg.
Ziemlich nass kommen wir in unserem Hotel an und werfen uns in wieder trockene Klamotten. Pünktlich um zehn werden wir von Monique und Christiane abgeholt. Monique kennt selbstverständlich auch die besten Frühstücksrestaurants. Jedoch tun das andere auch! Es ist Sonntag morgen und ein Brunch scheint Tradition zu haben. Das erste Restaurant mit dem bezeichnenden Namen "egg & I" ist so proppenvoll, dass die Leute auf der Strasse anstehen. Kaum zu glauben... Auch im zweiten haben wir kein Glück: voll!
Wir müssen uns also zwischen den besten Restaurants mit Anstehen und zweit-besten Restaurants mit sofortigem Essen entscheiden. Das Knurren unserer Mägen gibt die Antwort. Wir erhalten sofort einen Tisch. Das Restaurant scheint eine grosse umgebaute Scheune zu sein, ist gemütlich eingerichtet, und wir können uns so richtig den Bauch voll schlagen. Ich geniesse eine Omelette mit Früchten und zum Dessert natürlich noch einen farblich eindrücklichen, süssen Donut.
Es wird ein richtig gemütlicher Brunch. Lustig ist es gestern Abend zu Ende gegangen und lustig geht es heute Morgen weiter. Nur schade, dass die Beiden schon bald gehen müssen.
Um zwölf sind wir in unserem Hotel zurück und verabschieden uns von Monique und Christiane. Monique deckt uns noch mit einem Eiswein und einer halben Flasche Whisky ein. Die Beiden hatten wohl auch noch eine ausgedehnte Party im Hotel... Wir bedanken uns herzlich und Christiane lacht, Monique dürfe nicht mit soviel Alkohol im Gepäck nach Hause kommen. Das gäbe Ärger mit Mama... Sechs Stunden fahren die Beiden nun zurück durch Maine und New Hampshire bis nach Montreal. Für uns eine halbe Weltreise... Aber wir haben uns riesig gefreut, dass sie für uns den weiten Weg unter die Räder genommen haben, und wir versprechen hoch und heilig, dass wir irgend einmal nach Montreal kommen werden.
Der Himmel hat in der Zwischenzeit wieder seine Schleusen geöffnet und es giesst aus Kübeln. Wir ziehen uns ins Zimmer zurück und fläzen uns vor den TV. Akte X der Film beginnt grad. Mitten im Film während einer Werbepause begebe ich mich mal an die frische Luft und stelle fest, dass es nur noch nieselt. Schnell schmeissen wir uns wieder in die regenfesten Klamotten und spazieren südwärts dem Marginal Way entlang nach Perkins Cove. Der Weg verläuft oberhalb von malerischen Klippen, die natürlich von der starken Brandung richtiggehend malträtiert werden. Laut knallen die hohen Wellen an die Felsen und lassen riesige Fontänen in die Höhe schiessen. Es ist wirklich spannend. Wie wir sind auch viele andere Feriengäste unterwegs und geniessen die kurze Wetterentspannung.
Nach zwei Kilometern erreichen wir das kleine Dorf Perkins Cove, das zwischen dem Atlantik und einem kleinen Hafen liegt. Der Reiseführer schwärmt von der einzigen Fussgängerzugbrücke der USA, welche wir tatsächlich auch erblicken. Vermutlich zollen wir aber diesem technischen Höhepunkt der Menschheit nicht die notwendige Achtung, die sie verdient... Perkins Cove besteht aus idyllischen Fischerhütten, die in Läden und Restaurants umgebaut wurden. Mit schönen Blumentöpfen verziert man die Stellen, wo nicht geparkt werden darf. Alles sieht wirklich süss aus, aber die Trostlosigkeit des Wetters gibt dem Ganzen nicht den Reiz, den es vermutlich verdient hätte.
Auch Petrus findet, man müsse mal wieder ein wenig mehr Feuchtigkeit von oben runterschmeissen. Und so spazieren wir im strömenden Regen durch die schönen Aussenquartiere von Ogunquit mit den malerischen, schneeweißen New England Häusern zurück zum Hotel.
Klatschnass erreichen wir unser Zimmer. Wieder in trockenen Kleidern geniesst Jürg draussen auf der Veranda die Wetterstimmung und ich schaue mir im TV eine Reportage über Tornados an. Passt doch!
Um sechs Uhr sind wir hungrig und machen uns hinter das Zimmerpicknick um festzustellen, dass man für Salate eine Gabel benötigt, die leider nicht von alleine in unsere Einkaufstasche gehüpft ist. Blöd so was! Mit dem Auto fahren wir an die Hauptstrasse zu unserem Foodladen, kaufen uns pro Forma zwei Muffins und klauen Plastikbesteck.
Auf dem Rückweg hellt es plötzlich auf. Zurück im Hotel stellen wir fest, dass Hurricane Kyle gemäss Wetterkanal auf unserer Höhe ist, aber 80 Meilen draussen auf dem Meer. Westwärts erblicken wir ein wenig blauen Himmel, der Nebel zieht sich langsam zurück, so dass wir das erste Mal den Strand in seiner vollen Grösse erblicken. Doch auf dem Meer entstehen höchst eindrückliche schwarze Wolkenwände, die wie der Eingang zur Hölle aussehen. Wow... Der Regen hört auf und ich schnappe mir meine Kamera um runter ans Meer zu düsen. Viele andere Leute scheinen den gleichen Gedanken zu haben. Alle stehen auf den nassen Klippen und beobachten das höchst eindrückliche Spektakel. So verabschiedet sich Kyle langsam von uns. Alle paar Minuten verändern sich die Wolken von rabenschwarz zu dunkelgrau zu hellgrau. Die dramatischen Wolkenbänke ziehen wie Geisterschiffe in überdimensionaler Grösse an uns vorbei. Der Sturm zieht ab! Was für ein Schauspiel! So was erlebt man nicht alle Tage...
Als es dunkel ist, kehren wir zurück in unser Hotel und geniessen nun endlich das wohlverdiente Abendessen. Ein Teigwarensalat, ein Hühnchensalat, Brot und eine Flasche White Zinfandel. Echt lecker... Im TV erscheinen die Warnungen für den Norden Maines und Nova Scotia. Kyle wird während der Nacht irgendwo um Yarmouth Landberührung haben. Die Leute dort erwartet eine stürmische Nacht mit Windgeschwindigkeiten bis zu 200 Stundenkilometern. Guet Nacht am Sächsi... Unser Wetter soll sich aber morgen zum Bessern wenden. Wäre schön! Die Sonne haben wir noch keinen Moment gesehen. Trotzdem war es ein höchst spannender Ferienbeginn.
Aufbruch: | 26.09.2008 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 17.10.2008 |