Indian Summer in den Neuengland Staaten der USA
Es geht wieder an die Küste
Wir schlafen die letzte Nacht in unserem schönen B & B herrlich, jedenfalls bis ein Gast im Zimmer oberhalb seine Schlaflosigkeit bekämpft indem er endlos durch sein Zimmer spaziert. Da dies halt trotz aller Schönheit ein älteres Haus ist, knarrt es munter durch die Dielen. Als Jürg genervt kurz vor einem Besuch im oberen Stockwerk steht, kehrt Stille ein. Da hat jemand aber Glück gehabt...
Unser letztes Frühstück bei Julie und Jon. Wiederum werden wir mit den feinsten Leckereien verwöhnt: Zuerst gibt es einen Eierauflauf mit Peperoni, dann ein Joghurt mit Cranberries und als Abschluss einen famosen Schokoladenmuffin mit Bananen. Diese morgendliche 3-Gang-Menüs werden uns wirklich fehlen...
Wir packen unsere sieben Sachen und erfreuen uns an der Tatsache, dass wir wieder eine Zunahme des Gepäcks zu verzeichnen haben, das sich gewaschen hat.
Julie und Jon verabschieden sich von uns in aller Herzlichkeit. Wir werden umarmt und mit den besten Wünschen auf unsere weitere Reise geschickt. Nachdem wir nun schon ein paar Country Inns oder eben B & B's kennen gelernt haben, müssen wir dem Victoria Inn wirklich die Bestnote geben. Alles hat gestimmt: Haus, Ambiente, Gastgeber, Essen - perfekt!
Das Wetter ist wiederum strahlend schön! Wir haben die weiteste Strecke unserer Ferien vor uns! Auf dem Highway 103 fahren wir wiederum aus Chester hinaus und zum Freeway 91, wo wir in stockdicken Nebel geraten! Nach 30 Meilen verlassen wir den Freeway und biegen ab auf den Highway 2 ostwärts, welcher uns wieder in den Sonnenschein zurück bringt. Es geht Richtung Boston. Der Verkehr nimmt immer mehr zu und uns schwant böses: es ist Columbus Day Weekend und wir fahren in eines der beliebtesten Feriengebiete der Ostküste nach Cape Cod. Gotthardstau auf amerikanisch lässt grüssen!
Auf dem Freeway 495 umfahren wir Boston weiträumig und obwohl es viel Verkehr hat, staut er sich nicht. Dafür hat sich der Peak des Indian Summers in der Zwischenzeit bis nach Boston erstreckt. Die Wälder, die den Freeway über Meilen hinweg säumen, strahlen in den schönsten Farbtönen. Das haben wir nicht erwartet! Und so erfreuen wir uns einen weiteren Tag am herbstlichen Märchen. Gegen Mittag erreichen wir die Küste. Der Verkehr nimmt immer mehr zu. Doch bevor wir auf Cape Cod hinaus fahren, wollen wir unseren aufkommenden Hunger stillen. Dank dem, dass die Amis bei Ausfahrten immer anschreiben, was einem erwartet (Essen, Übernachtungen, Tankstellen) verlassen wir irgendwo den Freeway und entdecken ein Einkaufszentrum mit verschiedenen Restaurants. In einem Schnellimbiss gibt's leckeren Salat und Suppe.
Dann geht die Fahrt weiter. Über eine grosse Brücke erreichen wir das berühmte Cape Cod und der Verkehr verlangsamt sich sichtlich. Doch weiterhin ohne Stau erreichen wir Yarmouth und Alma führt uns bestens zu unserem reservierten
B & B, dem Liberty Hill Inn. Wir sind wirklich froh haben wir eine Reservation! Bei diesem Ansturm wird es wohl ziemlich schwierig werden ein freies Zimmer zu finden!
Der Reiseführer beschreibt Cape Cod wie folgt:
"Endlose Sandstrände, puppenstubenhafte Kolonialdörfer und eine erstklassige Hotellerie und Gastronomie: Die 110 km lange Halbinsel anderthalb Stunden südlich von Boston ist seit vielen Generationen der Bostoner liebstes Feriengebiet. 1602 setzte der erste Europäer seinen Fuss auf Cape Cod und benannte das wie ein Angelhaken geformte Kap nach den kabeljaureichen Gewässern ringsum. 1620 landeten hier die Passagiere der berühmten "Mayflower" bevor sie weiter nach Plymouth segelten. Den Fischereiflotten und einer blühenden Walfangindustrie im 18. und 19. Jahrhundert verdanken viele Orte ihre schönen Kapitänshäuser. Der Niedergang des Walfangs um 1850 wurde vom Tourismus aufgefangen, als wohlhabende Bostoner die Vorzüge des Kaps entdeckten. Heute verbindet Cape Cod erholsamen Strandurlaub mit einer wohl dosierten Portion Kultur: neben Schwimmen, Wassersport und Sonnenbaden laden Museen, Galerien und Theater zu vielerlei Aktivitäten ein."
Das hört sich doch gut an! Doch zuerst wollen wir mal unser Quartier beziehen! Nachdem wir die gut versteckte Einfahrt zum Liberty Hill Inn knapp verpasst haben, gibt es einen kleinen Umweg bis wir zum zweiten Versuch ansetzen können. Und dieses Mal erwischen wir die Auffahrt und landen auf einem Parkplatz vor zwei schönen typisch Neuenglischen Gebäuden. Das ganze liegt inmitten eines herrlich gepflegten Gartens. Und etwas ist augenfällig: seit wir Cape Cod erreicht haben, sehen wir keinen Herbstbaum mehr! Alles ist grün wie im Sommer!
Auf einem schön angelegten Pfastersteinweg umrunden wir das Gebäude und landen mitten in einer Wohnstube. Man ist immer ein wenig irritiert, ob man da jetzt mitten in einer privaten Sphäre gelandet ist oder ob dies allen zugänglich ist. Doch schon erhalten wir Hilfe! John, der Hausherr stellt sich uns vor und bittet uns ins Esszimmer. Dort lernen wir seinen Lebenspartner Kris kennen, der gerade Cookies bäckt. Wir werden aufs herzlichste begrüsst und gleich mit einem Glas leckeren Chardonnay verwöhnt. Die beiden freuen sich, dass wir schon so früh da sind! Das ganze Haus ist von einer Hochzeitsgesellschaft gemietet, und wir sind die einzigen Gäste, die nicht dazu gehören. Da alle andern schon da sind, hat man nur noch auf uns gewartet. Plötzlich schauen mich treuherzige Augen von unten an. Es ist Konrad, ein Bassett und älterer Herr im Hause, der sich gemütlich in der Küche hinlegen will. Natürlich erst nach den Streicheleinheiten der neuen Gäste.
Johns Hobby ist es den Gästen Cape Cod näher zu bringen. Er sei gerade dran gewesen uns Kopien der Sehenswürdigkeiten auszudrucken. Wir sollen doch nachher noch einmal vorbeikommen. Die beiden sind wirklich zu süss! Gemütlich dürfen wir in der Küche sitzen und uns alles erklären lassen. Unser Zimmer befindet sich im Nebengebäude im "barn" oder auf gut Deutsch im Stall. Ein Stall war es natürlich früher mal, heute ist es ein herrlich umgebautes Gebäude mit vier grossen Zimmern. Unseres ist im 1. Stock und beherbergt ein riesiges King Size Bett und ein schönes Cheminée. Wir fühlen uns sofort zu Hause.
Nachdem wir alles eingeräumt haben, begebe ich mich zurück zu Kris und John, der mir nun seine ganzen Empfehlung ausgedruckt und beschriftet hat. Da es ein strahlendschöner Spätnachmittag ist, wollen wir natürlich noch etwas anschauen gehen. In Yarmouth Port gibt es ein schönes Naturschutzgebiet, in das ein langer Pier hineinführt. Viele Leute sind am Flanieren und geniessen die ruhige Bucht. Unter dem Pier befindet sich Sumpfgebiet mit Wasserrillen, die sich vermutlich bei Flut füllen. So scheinen wir zur Zeit Ebbe zu haben, da die Rillen fast trocken sind. Es hat viele Vögel, die das Gebiet bevölkern. Am Horizont erblicken wir weissen Sandstrand. Wir spazieren hinaus bis ans Ende des Piers. Wir befinden uns an einer malerischen Bucht. John hat uns erzählt, dass es hier magische Sonnenuntergänge gebe. Doch dafür sind wir viel zu früh.
Mit dem Auto fahren wir weiter auf dem Highway 2A durch idyllische Dörfer, die uns wie in einer guten alten amerikanischen Serie fühlen lassen. John hat uns den Weg wirklich bestens beschrieben, so dass wir über ein paar Nebenstrasse den steinigen Tower finden. Unter uns befindet sich ein kleiner See mit schönen Häusern rundherum. Auf dem Tower erwartet uns ein herrlicher Rundumblick über Cape Cod. Die flache Insel ist meist bewaldet und ab und zu erhebt sich ein Wasserturm. Das umliegende Meer scheint tiefblau zu uns hinauf. Da es heute ein so klarer Tag ist, erblicken wir nordostwärts Provincetown, die Stadt am Ende von Cap Cod.
Dem Plan von John folgend erreichen wir das älteste Warenhaus von Cape Cod, den Brewster Store. Bereits draussen sitzen lustige Strohpuppen auf Heuballen und sonnen sich im warmen Sonnenschein. Und drinnen könnte man sich Stunden aufhalten! Das kleine Warenhaus ist voll gestopft mit tausenden von Dingen. Jürg ist nicht mehr zu halten als er Spielzeugautos entdeckt. Doch das ist nur ein Teil. In altmodischem Ambiente wird alles geboten, was ein Tante Emma Laden zu bieten hat: Küchenartikel, Schreibwaren, Spielzeug, Nähzeug, Zeitungen und Magazine, Süssigkeiten, Badeartikel, Getränke, Esswaren, Scherzartikel, Glückwunschkarten, Geschirr, alles für den Handwerker und den Fischer. Es ist kaum zu glauben! Mein Lieblingsort ist allerdings der Teil mit dem frisch gebrauten Kaffee, wo ein Skelett im Hochzeitskleid steht mit dem Schild um den Hals "I become a witch without my coffee...". Dem kann ich nachfühlen!
Wir kaufen uns Getränke und verlassen den schönen Laden. Der wäre auch bei uns eine Attraktion! Johns Plan lässt uns nun ein wenig im Kreise fahren. Doch auch auf Umwegen gelangt man zum Ziel. Wir erreichen den West Dennis Beach, wo sich das schöne Bass River Lighthouse befindet. Unbekümmert spazieren wir durch den Garten des schönen weissen Gebäudes und wundern uns über die vielen Frauen, die auf der grossen Veranda sitzen. Beim andern Ende des Gartens erblicken wir das "Privatschild". Ups... tschuldigung!
Ein Weg führt am Badehaus vorbei durch hohes Gras hinunter an den Strand. Der Anblick ist einfach herrlich! Weisser Sandstrand, tiefblaues Meer, grasbedeckte Sanddünen, im Hintergrund die schönen schneeweißen Gebäude des Bass River Lighthouses mit ihren roten Dächern. Ein malerischer Anblick! Lange verweilen wir auf einem Bänkli und geniessen den herrlichen Ausblick und die angenehme Brise. Es hat recht wenige Menschen am Strand. Badesaison ist wohl vorbei, aber zum Spielen und Spazieren reicht die Wärme alle weil.
Unsere Fahrt geht dem Meer entlang weiter nach Chatham Harbor. Cape Cod hat ja die Form eines gebogenen Armes. Hier in Chatham befinden wir uns direkt auf dem "Ellbogen", den das Cape an der Stelle formt, wo sich Nantucket Sound und der Atlantik treffen. Chatham ist eine wohlhabende Stadt und bietet gute Gaststätten und eine einladende Mainstreet gemäss Reiseführer. Ein wenig erhöht über dem Strand erblicken wir wiederum einen schönen Leuchtturm. Am Strand selber flanieren viele Menschen und eine Hochzeitsgesellschaft stellt sich dem Fotografen.
John gab uns den Rat unbedingt zum Hafen hinunter zu fahren, wenn die Fischer mit ihrem Fang hereinkämen. Das machen wir, und tatsächlich stehen viele Menschen bei der Abladestation und starren ins Wasser. Auch wir gesellen uns dazu und erblicken ausser einer idyllischen Bucht mit malerischen Fischerbooten nichts. Ein Fischerboot steht an der Abladerampe und schaufelt den Fang des Tages auf grosse Rampen, die das Ganze ins Innere des Gebäudes fährt. Und plötzlich kringelt sich das Wasser und ein grosser Kopf erscheint. Es ist ein riesiger Seelöwe. Nix mit netten kleinen Seehunden, das sind Viecher eines grösseren Kalibers. So wie es John erzählt hat. Die wären grösser als sein massiger Wohnzimmertisch. Und das scheinen sie tatsächlich zu sein. Elegant tauchen die grossen Tiere auf und verschwinden genauso schnell wieder im ruhigen Wasser. Doch viele strecken die Köpfe zum Wasser hinaus und beobachten mit Sperberaugen, was die Typen da auf dem Schiff machen. Und tatsächlich hat ab und zu einer der Fischer Erbarmen und wirft etwas vom Fang ins Wasser. Natürlich gibt das Zoff und man versucht sich den Fisch gegenseitig wieder abspenstig zu machen.
Es ist fünf Uhr und wir sind hungrig. Wir begeben uns an die Mainstreet, wo viele Leute flanieren. Vreneli hat uns zuhause Dollars in die Hände gedrückt für ein Abendessen auf ihre Kosten. Und heute wollen wir diese Dollars auf den Putz hauen. Wir entdecken ein nettes Restaurant mit dem Namen "Lazy goose". Wir finden den Namen herrlich passend und schon bald sitzen wir an einem der gemütlichen Tische und geniessen Ravioli mit Hummer, Muscheln und Pilzen oder wie Jürg Spaghetti mit Scampis. Dazu gibt es ein Glas neuseeländischen Sauvignon Blanc. Okay, man kann sich nun darüber entsetzen, dass wir in den Staaten neuseeländischen Wein trinken, aber unser Herz hängt halt immer noch öfters am andern Ende der Welt.
Um halb sieben kehren wir Chatham den Rücken. Müde fahren wir auf dem Highway 6 quer durch Cape Cod zurück zu unserem B & B. Alma führt uns bei schönster Abendstimmung sicher zurück.
Nachdem der Handyempfang in Vermont wieder mal unter aller Hunde war, überrascht uns Cape Cod wenigstens positiv. So rufen wir mal wieder alle an: Vreneli und Hansjörg geht es ausgezeichnet. Sie haben einen herrlichen Herbsttag und Papa sitzt mit sämtlichen Katzen auf der Terrasse und geniesst den Tag. Man fühlt sich äusserst wohl in unserem Häuschen. Früher freute man sich ja auf unser Nachhausekommen. Heute wohl nicht mehr so... man muss dann nämlich das Haus räumen *lacher*.
Jürg ruft auch noch Chrigel und Ueli an. Die beiden freuen sich auch immer über ein Lebenszeichen.
Den Abend verbringen wir gemütlich im Zimmer. Es hat sich so eingebürgert, dass wir meistens bereits um neun Uhr schlafen. Wir sind halt einfach keine Nachtmenschen und geniessen lieber den Tag vom frühen Morgen an. Und das wollen wir auch nicht ändern...
Aufbruch: | 26.09.2008 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 17.10.2008 |