Indian Summer in den Neuengland Staaten der USA
Rundfahrt auf dem Kancamagus Highway
Vor dem Frühstück unternehmen wir einen Spaziergang in den Wald hinein. Malerisch durchbricht die aufgehende Sonne das Blätterdach und hinterlässt neblige Strahlen, wo sich die ersten Insekten tummeln. Überall erblicken wir linker und rechterhand einsame Einfamilienhäuser, die aber absolut unbewohnt erscheinen. Manche Häuser sind gepflegt, andere sehen mehr nach unheimlichen Hexenhäuschen aus, die man normalerweise kaum betreten würde. An allen Türen hängt ein Zettel. Neugierig begeben wir uns mal zu einem Haus um zu sehen, was darauf steht. Es ist eine Meldung des Elektrizitätswerkes, dass der Storm irgendwann mal abgestellt wird.
Um halb neun sind wir im Haupthaus der Lodge zurück und setzen uns an den grossen Frühstückstisch. Wie am Vortag instruiert bedienen wir uns mit Kaffee und Saft selber. Dann servieren uns Leon und Nelly, die beiden Besitzer der Lodge, einen leckeren Eierauflauf mit Würstchen und Toast. Es schmeckt hervorragend! Zur Familie gehören auch zwei Hunde, ein kleiner Terrier namens Lilly und ein älterer Golden Red River namens Whitman. Des öftern habe ich die Hundeschnauze von Whitman auf meinen Knien und ein herzergreifender Blick sagt mir, dass der arme arme Hund kurz vor dem Verhungern ist und unbedingt ein Würstchen benötigt. Aber es gibt kein Würstchen! Leon und Nelly haben wohl kaum Freude, wenn wir den beiden Hunden unser leckeres Frühstück verfüttern!
Zum ersten Mal haben wir heute einen wolkenlosen, tiefblauen Himmel. Petrus meint es wirklich gut mit uns, denn heute wollen wir die beliebteste Rundreise durch die White Mountains machen, eine Fahrt auf dem Kancamagus Highway (oder wie wir sprachlichen Genies sagen: auf dem Kama-Sugus Highway - so ein Name kann sich ja kein Mensch merken, und unter Sugus können wir uns wenigstens etwas vorstellen!).
Doch zuerst durchqueren wir ganz North Conway, und die Länge ist beachtlich! Befanden wir uns gestern im historisch wertvollen Teil, gelangen wir südwärts in den Outlet Factory Teil und staunen nicht schlecht über die riesigen Shoppingcenter linker und rechterhand der Hauptstrasse! Wir erblicken viele best bekannten Marken, die auch wir lieben und das Dollarzeichen macht sich in unseren leicht wässerigen Augen breit... Doch der Tag ist viel zu schön um ihn mit Shopping zu verbringen. Also durchfahren wir charakterlich starken Kerlchens die Shoppingmeile ohne anzuhalten und biegen in Conway in den Highway 112 ab.
Der Kancamagus Highway wird als eine der reizvollsten Strecken von Neuengland bezeichnet, und ist nach einem Indianerhäuptling aus der Kolonialzeit benannt. Dichte Ahorn- und Birkenwälder säumen unseren kurvigen Highway. Wir dürfen uns wirklich glücklich schätzen, dass wir den Peak des Indian Summers auch hier vorfinden! Eine Farborgie fürs Auge begleitet uns die ganze Strecke und die schönsten Gelb-, Orange- und Rottöne lassen uns immer wieder in Begeisterung ausbrechen. Immer wieder muss Jürg am Strassenrand halten, da ich wieder eine herrliche Flussbiegung mit malerischen Bäumen entdeckt habe, die im Hintergrund von Bergen und einem strahlendblauen Himmel gesäumt wird. Es ist herrlich!
Rechterhand begleitet uns der Swift River und immer wieder laden kleinere Wasserfälle oder eindrucksvolle Stromschnellen zu einem Halt ein. Meistens sind diese Plätze mit Picknicktischen, einem grossen Parkplatz und Toiletten bestens für Touristen ausgerüstet. Natürlich hat es auch Motorhomes, die wie wir auf Tour sind. Und unser Herz macht einen Sprung als wir einen Camper von Road Bear entdecken mit dem Berner Wappen auf der Rückseite. Schön, wenn man weiss, dass man in acht Monaten schon wieder in den Staaten unterwegs sein wird mit genau so einem Vehikel.
Dort wo wir den Road Bear Camper sichten, unternehmen wir einen Spaziergang an den Swift River, der hier über malerische grosse Felsen seinen Weg sucht. Um die besten Fotomotive zu finden klettern wir sportlich über die Hindernisse und erfreuen uns an dem herrlichen Rauschen des Flusses. Was für ein Tag, was für eine Landschaft!
Wir finden noch einen kleinen Wasserfall, wo wir ebenfalls einen Halt einschalten und ans Wasser spazieren. Es ist eine höchst idyllische Landschaft und Petrus verdient einen Orden für dieses Wetter!
Der Highway beginnt zu steigen. Wir durchfahren das Saco Valley, welches sich immer mehr öffnet und Blicke auf die umliegenden Berge freigibt. Plötzlich erreichen wir einen Scenic View Parkplatz, wo schon viele Autos stehen. Der Halt lohn sich wahrlich! Wir haben einen herrlichen Blick über das Saco Valley mit seiner gebirgigen Landschaft. Durch die vielen farbigen Bäume, die sich mit den normal grünen Nadelbäumen mischen, sieht alles lustig bunt aus, wie wenn Kinder mit ihren Malpinseln herumgepanscht hätten.
Doch ein weiterer Höhepunkt sind die riesigen Ahornbäume und Birken, die den Highway und unseren Parkplatz säumen. Sie leuchten in den schönsten Farben und wir sehen deutlich wie interessant sich ein Ahorn farblich entwickelt. Die Blätter werden zuerst gelblich, dann orange und zuletzt leuchtendrot. Viele der Bäume scheinen alle farblichen Stadien gleichzeitig zu bieten, was natürlich unheimlich toll aussieht. Mein Fotoapparat kommt kaum zur Ruhe und meine Begeisterungsausrufe hallen durchs Tal!
Die Fahrt geht weiter hinauf auf einen Pass und schon bald haben wir den "past peak" erreicht und die Bäume sind braun oder schon blattlos wie zuhause. Diese farbliche Entwicklung kann sich sehr schnell ändern. Es ist Glückssache zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Viele Internetseiten bieten Informationen aus erster Hand, von Leuten, die hier leben und jeden Tag kommentieren wie weit die Verfärbung fortgeschritten ist. "Leafpeepers" wie die Herbsttouristen hier genannt werden, machen sich dann jeweils quer durch die Staaten auf den Weg um den Höhepunkt der Saison zu finden, was gar nicht so einfach ist.
Die Verfärbung der Blätter sind keine blosse Laune der Natur, sondern eine direkte Reaktion auf die Jahreszeiten. Da die Stunden mit Tageslicht abnehmen, wird in den Blättern von Laubbäumen kein Chlorophyll mehr produziert. Doch ohne Chlorophyll sind Pigmente sichtbar, die zuvor durch das starke Grün verdeckt waren. Weitere Pigmente werden durch Zuckerstoffe gebildet, die in den Blättern abgelagert sind. So entstehen die bunten Farben, die den Herbst zum Höhepunkt macht.
Für amerikanische Verhältnisse schon bald kriminell enge Haarnadelkurven führen uns auf den 914 m hohen Kancamagus Pass und ebenso kurvig geht's auf der andern Seite in ein höchst idyllisches Tal hinunter. Der Pemi Overlook, wo wir wiederum einen Halt einschalten, zeigt uns ein wildes schönes Tal, umrahmt von Bergen die irgendwo um die 1000 bis 1800 Meter hoch sein werden und übersät von herbstlichen Bäumen sind. Es ist wunderschön hier, und wir verstehen, warum die Strecke als einer der schönsten Neuenglands beschrieben wird!
Rasant führt uns der Highway hinunter in ein weiteres Tal, wo wir ein idyllisches Städtchen namens Lincoln erreichen. Die Lage mitten in den White Mountains und am berühmten Kancamagus Highway macht es zu einem der touristischen Hauptstationen und entsprechend viele Hotels und sonstige Freizeitanlagen sind zu sehen.
In einem Shoppingcenter machen wir einen Halt. Das Wetter schreit nach einem Picknick, und sogar Jürg - der Muffel aller Picknickfreunde findet die Idee gut! Also lassen wir uns leckere Wraps machen und decken uns noch mit Cookies und Getränken ein.
Kurz nach Lincoln erreichen wir den Freeway 93. Würden wir auf diesem weiterfahren, könnten wir irgendeinmal Monique in Montréal einen Besuch abstatten. Doch nach ein paar Meilen verlassen wir die Schnellstrasse wieder und gelangen zu einem der Höhepunkte des Kancamagus Highways, der Franconia Notch. Der. Reiseführer meint, dass das enge, in Nord-Süd-Richtung verlaufende, V-förmige Tal die Höhenzuge der Kinsman und Franconia Ranges trennt. Sie sei die schönste Notch (wir erinnern uns: Notch = Schlucht) der White Mountains und entsprechend warten auch verschiedene Höhepunkte auf ihre Entdeckung. Dazu gehört die Flume Gorge. Die 30 Meter tiefe und stellenweise nur 3 Meter breite Schlucht ist eines der populärsten Naturschauspiele New Hampshires. Entsprechend gelangen wir in die Touristen-Rush-Hour!
Die Leute werden Busweise herangekarrt und der riesige Parkplatz ist praktisch voll mit PW's. Davon lassen wir uns aber nicht abschrecken. Schliesslich gehören wir auch zu der neugierigen Gattung, die sich touristische Höhepunkte nicht entgehen lassen will! Der erste Höhepunkt sind die Ahornbäume, die die Parkplätze umgeben. Immer wenn wir denken, schöner kann es nicht werden, haut uns der Indian Summer noch eine farbliche Stufe mehr um die Ohren! Genau vor unserem Auto steht ein Ahornbaum, der unten noch leicht grün ist, dann in klare Gelbtöne wechselt und zuoberst in einem der strahlendsten Orange endet, die ich je gesehen habe. Dazu der stahlblaue Himmel im Hintergrund. Es ist zum Umfallen schön! Und es ist bei weitem nicht der einzige Baum, der so erstrahlt. Die ganze Gegend besteht daraus und man fühlt sich wie Alice im Wunderland!
Im grossen Visitor Center ist die Hölle los! Viele Touris stehen irgendwo rum und warten, auf was-weiss-ich. Viele stehen am Ticketschalter an und viele shoppen sich durch den grossen Souvenirladen. Auch wir kaufen uns ein Ticket für die Schlucht. Die nette Dame am Schalter macht uns darauf aufmerksam, dass wir gleich ein Combi-Ticket kaufen könnten, welches dann auch noch die Fahrt auf den Cannon Mountain beinhaltet. Wir sind empfänglich für solche Schnäppchen und schlagen zu. Der Cannon Mountain scheint ein paar Kilometer weiter nordwärts auf unserer Strecke zu liegen.
Auf der Rückseite des Visitor Centers orientieren wir uns an den Schildern, wo sich nun der Weg zur Schlucht befindet. Gerade wollen wir uns den steilen Hang hinauf schleppen als uns ein älteres Ehepaar anspricht und meint, wir sollen doch den Bus bis zum Eingang nehmen. Der Weg bis dorthin sei nämlich steil und mühsam! Für diesen Tipp sind wir übersportlichen Wanderfrösche natürlich äusserst dankbar. Und schon bald sitzen wir bequem in einem kleinen Bus und lassen uns königlich den Berg hoch chauffieren. Unterwegs gibt es bei einer wunderschönen gedeckten Brücke sogar einen Halt, so dass wir aussteigen und die malerische Brücke inmitten der Foliage fotografieren können. Was will man mehr?
Schon bald ist die Fahrt zu Ende und es geht doch noch per pedes weiter. Auf Holztreppen und -stiege geht es in die enge Granitschlucht hinein. Linkerhand rauscht der Flume Brook an uns vorbei, manchmal als hoher Wasserfall und manchmal als breiter Fluss über Granitterrassen. Das Licht- und Schattenspiel der farbenfrohen Bäume gibt dem Ganzen einen besonderen Reiz. Nun, die Schlucht ist sicher malerisch, kennt man aber die Aareschlucht von Meiringen oder die Gletscherschlucht von Grindelwald, hält sich das Spektakuläre in Grenzen.
Trotzdem geniessen wir den Aufstieg. Am Ende der Schlucht stehen uns zwei Wanderwege zur Verfügung, die uns zurück zum Visitor Center bringen. Der kürzere führt oberhalb der Schlucht direkt dem Flume Brook entlang in die Tiefe, der andere ist länger und geht durch die Wälder gemütlich hinunter zum Ausgangspunkt. Wir wählen den längeren. Es wird eine unglaublich schöne Wanderung! Die Sonne scheint herrlich auf das farbenfrohe Blätterdach des Waldes und alles erstrahlt darunter in einem tief gelben oder orangen Licht. Die bereits am Boden liegenden Blätter knirschen beim darüber laufen und der Geschmack der herbstlichen Natur liegt in der Luft. Es ist einfach nur wunderschön!
Über eine tiefe und wilde Schlucht wurde eine weitere gedeckte Brücke gebaut. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass wir hier jemandem das Leben retten. Ein älterer Herr - ziemlich unsicher auf den Beinen - spaziert gemächlich am Stock hinunter. Als er die Brücke sieht, will er seinen kleinen Fotoapparat aus der Tasche nehmen. Dazu legt er den Stock an einen Holzzaun, der den Weg vom Abgrund in die Schlucht trennt. Doch der Stock ist zuwenig gut befestigt und rutscht zwischen dem Zaun hindurch auf die Kante der Schlucht. Schon beginnt der ältere Herr damit den Weg zu verlassen um wieder in den Besitz seines Gegenstandes zu kommen. Genau in diesem Moment kommen wir hinzu und können ihn davon abhalten weiter zu gehen. Wir holen ihm den Stock. Der gute Mann wäre mit ziemlicher Sicherheit dort nicht mehr hoch gekommen. Oder er hätte noch schlimmer das Gleichgewicht verloren und wäre in die Schlucht gestürzt auf Nimmerwiedersehen. Es gibt so Momente wo man das Gefühl hat, als ob irgendwo ein Schutzengel seine Finger im Spiel hat. In diesem Fall hat er uns genau zum richtigen Zeitpunkt hierher gebracht und so vermutlich eine Katastrophe verhindert. Ein schöner Gedanke...
Wir geben dem Herrn seinen Stock zurück, welcher dafür sehr dankbar ist. Ob er denn alleine weiterkomme, fragen wir ihn, was er energisch bejaht. Wir finden es nicht sonderlich toll, dass er hier alleine in den Wäldern rumstolpert. Zum Glück hat es immer wieder Wanderer, die ihm schlimmstenfalls sicher helfen würden.
So wandern wir über die Brücke und beobachten ihn noch eine Weile. Schritt für Schritt geht er langsam den Weg hinunter. Keine gute Idee dieser Alleingang... Alterssturheit lässt grüssen...
Als wir die Schlucht hinter uns gelassen haben, befinden wir uns wieder im schönen Wald, welcher uns aber einen herrlichen Ausblick auf einen von roten Bäumen übersäten Berg bietet. Die tiefroten Farbkleckse sehen unglaublich schön aus! Im Wald selber erblicken wir immer wieder riesige, mehrere Meter hohe Granitblöcke, die von einem vergangenen Gletscher zeugen. Unsere Strecke führt uns immer mehr ins Tal hinunter und nach einer Stunde stehen wir wieder vor dem Visitor Center.
Mit dem Auto geht die Fahrt wieder auf den Freeway. Die Notch wird immer enger und enger und linkerhand erblicken wir die Drähte der Seilbahn auf den Cannon Mountain. So verlassen wir den Freeway wieder und gelangen auf den grossen Parkplatz der Seilbahn. Es ist schon nach Mittag und ein Hüngerchen plagt uns! In der engen Schlucht zieht eine ziemliche Bise durch, doch im Windschatten eines grossen Felsen machen wir es uns an einem der Picknicktische gemütlich und geniessen unseren Lunch.
Natürlich bringen auch hier die Busse Massen von Touris heran und entsprechend ist der Andrang an der Talstation. 80 Leute werden in die Seilbahn hineingepfercht, welche natürlich "made in Switzerland" ist. So geht es in luftiger Höhe über herrlich gelbe Buchen. Der Liftboy ist nicht nur zum Knöpfe drücken da sondern gleichzeitig auch noch als Reiseführer tätig. Mit Hingabe erzählt er uns über Mikrofon, was wir rundum alles sehen. Unsere Schweizer Seilbahnangestellten hätten daran wohl wenig Freude...
Oben auf 1250 Meter über Meer angekommen führt uns ein schmaler steiler Weg auf direktem Weg zur Aussichtsplattform. In weiser Voraussicht haben wir so ziemlich alles angezogen, was wir zur Verfügung hatten. Es zahlt sich nun aus, denn ein starker eiskalter Wind nimmt uns fast den Atem. Wie war das mit den Hurrikan-starken Winden auf dem Mount Washington? Wir klettern auf das hohe Gerüst und geniessen den Rundumblick. Heute ist nicht nur ein strahlend schöner sondern auch ein klarer Tag. Der Liftboy hat uns ja bereits erklärt, dass man an klaren Tagen bis nach Kanada sieht. So richten wir unseren Blick nordwärts über die vielen Hügeln und gehen mal davon aus, dass irgendeinmal Kanada beginnt. Östlich erblicken wir einen Teil der berühmten Presidential Range. Schneebedeckt vor unseren Augen ist der Mount Lafayette. Südwärts schlängelt sich der Freeway durch die Franconia Notch und westwärts geht der Blick wieder über endlose Berge und Hügel. Sehr gut können wir erkennen, wo der Herbst auf dem Höhepunkt ist, und wo er bereits vorbei ist.
Es ist ein fantastischer Ausblick, aber der Wind weht uns fast weg und das Gesicht ist schon bald einmal gefühllos. Also wandern wir den Scenic Way zurück zur Seilbahnstation, der sich südlich und östlich dem Cannon Mountain entlang schlängelt. Da der Wind vom Norden her bläst, geniessen wir schon bald windstille Orte, wo es sich herrlich relaxen und die Aussicht geniessen lässt. Ein ungeschriebenes Gesetz scheint zu sagen, dass man den Aufstieg über diesen Weg nimmt und den Abstieg auf dem steilen Teil, den wir als erstes begangen haben. So sind wir also allen erfolgreich im Weg (der sehr schmal ist), welche erst beim Aufstieg zum Aussichtspunkt sind. Plötzlich hören wir vertrautes Berndeutsch! Man trifft sich wirklich an den aussergewöhnlichsten Orten...
Die Bahn führt uns zurück zum Auto. Es ist bereits drei Uhr, die Zeit schreitet munter voran, und wir haben erst die Hälfte der heutigen Strecke zurückgelegt. Also geht's wieder auf den Freeway, welchen wir aber nach ein paar Kilometern bereits wieder verlassen. Wir biegen auf den Highway 302 ab, welcher uns auf einem schönen Hochplateau durch eine idyllische Landschaft führt. Rechterhand begleitet uns der schneebedeckte Mount Lafayette. Die vielen Motels deuten auch hier auf die touristische Bedeutung des Gebiets hin. Immer wieder erblicken wir Abzweigungen zu Skigebieten.
Plötzlich stockt es vor uns! Eine Menge Autos stehen am Strassenrand und natürlich halten auch wir! Linkerhand erblicken wir den eisigen Mount Washington, dieses Mal aber von der andern Seite als gestern. Man erkennt deutlich die steilen Schienen der der Mount Washington Cog Railway. Sah der Berg von der andern Seite recht herbstlich aus, wirkt er hier wie tief im Winter. Die hohen Masten der Wetterstation scheinen völlig vereist zu sein. Ein beeindruckender Anblick!
Seit 1869 keucht eine kleine Lokomotive den Mount Washington hinauf, einen fast ebenso alten Waggon vor sich herschiebend. Täglich wiederholt sie dabei ein Weltrekord: sie meistert Steigungen bis zu 37 Prozent, wobei sie pro Tour eine Tonne Kohle frisst und bis zu 4000 Liter Wasser säuft. Eindrücklich!
Doch ein ebenso beeindruckender Anblick steht unten am Fusse der Berge: das altehrwürdige Mount Washington Hotel mit seinem knallroten Dach. Es ist das letzte der herrlichen Grandhotels der White Mountains, welches 1902 eröffnet wurde.
Wir befinden uns hier an einem historisch wichtigen Ort, in Bretton Woods. Jedem Wirtschaftsschüler wird dieser Name ein Begriff sein, denn 1944 riefen die Alliierten hier die Bretton-Woods-Konferenz ein, wo die Gründung der Weltbank beschlossen wurde. Bedenklich heruntergekommen, erlebt das Grandhotel seit 1991 eine langsame, von hiesigen Geschäftsleuten angeschobene Revitalisierung. Natürlich ist das Hotel von beeindruckenden Golfplätzen umgeben, die Lobby ist knapp 100 Meter lang und im achteckigen Speisesaal spielt allabendlich die hauseigene Big Band auf. Tagesbesucher sind willkommen, aber nur mit Jackett. Damit fällt für uns ein Besuch schon mal weg... Doch der Anblick ist unglaublich beeindruckend.
Die Sonne schiebt sich langsam dem Horizont zu und die Schatten werden länger. Wir haben noch eine letzte Notch vor uns, die Crawford Notch. Das breite Tal wurde von den Gletschern der letzten Eiszeit ausgehobelt. Hindurch fliesst der Saco River, welcher von den Webster und Wiley Mountains flankiert wird. Die Crawford Notch führt mitten durch das Herz der White Mountains, vorbei an riesigen Geröllfeldern, die die Urgewalt der Natur eindringlich zeigen. Unterwegs weist ein Schild auf den Crawford Notch State Park hin. Hier steht auch das Willey House, ein früheres Gasthaus. Ein Schild erzählt die tragische Geschichte der Familie: In einer Herbstnacht 1826 lösten schwere Regenfälle Tonnen von Schlamm und Steinen aus, welche in das Tal direkt auf das Gasthaus zu donnerten. Die gesamte Familie stürzte ins Freie, um sich vor dieser Gerölllawine in Sicherheit zu bringen. Doch kurz oberhalb des Hauses teilte sich die Lawine und tötete alle. Nur der Hund überlebte - er war als einziger im Haus geblieben. Das Haus steht noch heute und dient als Besucherzentrum. Gehe mal davon aus, dass der Hund aber nicht mehr lebt...
Rasant führt uns der Highway hinunter ins Tal. Schon bald erreichen wir Bartlett, was wir ja bereits vom Zug aus gesehen haben (sofern man "von etwas gesehen" sprechen kann...). Als der Highway 16 in unseren einbiegt, stecken wir mitten in der White Mountain Rush Hour. Dank mehreren Baustellen quälen wir uns von Stau zu Stau.
In North Conway müssen wir feststellen, dass unser Charakter doch nicht so gefestigt ist wie wir es uns wünschen! Anstatt zurück ins Hotel zu fahren gibt es einen Trip zu Ralf Lauren. Jürgs Augen leuchten verräterisch und schon ist er in den vielen Regalen verschwunden! Die Preise sind wirklich unglaublich und so stolziert er schon bald mit ein paar weiteren Errungenschaften an die Kasse.
Auf dem Rückweg erblicken wir unseren geliebten Pizza Hut. Natürlich ist Pizza nicht gerade das Gesündeste, aber wir nehmen uns fest vor nur eine kleine zu ordern und dafür mehr Salat vom Buffet zu verdrücken. Unsere "kleine" Pizza ist tatsächlich kleiner als die Letzte, hat aber dafür etwa das dreifache an Ware drauf als die Letzte... Dazu gibt es gratis noch Cheesesticks. Soviel zu gesünder essen... Jedenfalls schaffen wir nicht die Hälfte und lassen uns den Rest einpacken. Irgendwo werden wir schon noch eine Mikrowelle finden, die uns die Pizza wieder aufbacken kann.
Müde kommen wir um halb sieben Uhr in unserer Lodge an. Die Sonne ist schon lange untergegangen und Dunkelheit macht sich breit. Umso schöner ist es in unser Engelszimmer zu kommen und dem Feuerchen im Cheminée zuzuschauen. Was für ein schöner Tag! Es war eine der herrlichsten Touren, die wir je gemacht haben und Petrus hat von uns eine Goldmedaille fürs Wetter verdient!
Aufbruch: | 26.09.2008 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 17.10.2008 |