Indian Summer in den Neuengland Staaten der USA
Es geht weiter nach Vermont
Das Frühstück nehmen wir wieder in unserer schönen Lodge ein. Nellie serviert leckeren Pumpkin Pudding, Pancakes mit Ahornsirup und Würstchen. Alles schmeckt vorzüglich! Dann checken wir aus und verabschieden uns von Nellie und Leon. Die beiden freuen sich sichtlich über unser Kompliment, dass wir uns hier sehr wohl gefühlt haben.
Das Wetter meint es auch heute gut mit uns. Obwohl es in den Bergen bereits ein paar Quellwolken hat, scheint herrlich die Sonne. Wir durchfahren das lang gezogene North Conway und gelangen via Conway nach West Ossipee. Dort entdecken wir einen riesigen Laden, der sich verführerisch mit dem schönsten Indianerschmuck anpreist. Lechz ... nichts wie hin! Doch aus dem finanziellen Fiasko wird nichts: der Laden öffnet erst in einer Stunde. Habe ich nun Glück oder Pech gehabt?
Keine Ahnung - jedenfalls führt uns die Fahrt auf den Highway 104, wo wir durch Bäume hindurch einen malerischen See entdecken. Auch andere Touristen haben diesen Hot Spot schon erobert. Überall stapfen Touris durchs Unterholz und suchen sich einen schönen Platz zum Fotografieren. Der Ausblick ist schlicht atemberaubend. Der breite See ist spiegelglatt, im Hintergrund dominiert ein Berg und rundherum hat es Wald, der natürlich in den schönsten Indian Summer Farben leuchtet. Das Wasser spiegelt diese Farbenpracht messerscharf. Es ist ein unglaublicher Anblick!
Gegen Mittag erreichen wir Meredith, welches an einem der Seitenarme des riesigen Lake Winnipesaukee (was für ein Name...) liegt. Der Reiseführer spricht von einem gepflegten Städtchen mit wunderschönen Häusern. Und da hat er recht! Der strahlendblaue Himmel, die schneeweißen Häuser und dazwischen die herbstlich tiefroten Bäume ergeben wahrlich ein schönes Bild!
Eine grosse umgebaute Mühle lädt zum Shopping und Essen ein. Wir durchstöbern ein paar der originellen Läden und staunen über einen Wohnshop, der alles von hand geschnitzte Möbel anbietet. Sehr urchig und sehr geschmackvoll. Preis entsprechend! In einer Bäckerei decken wir uns mit Muffins und frisch gebrautem Kaffee ein und spazieren über einen viel befahrenen Highway hinunter an den See, wo es einen kleinen Park mit Picknicktischen hat. Das Wetter ist herrlich und mit 15 Grad angenehm warm.
Wir erblicken nur einen kleinen Teil des Lake Winnipesaukees. Er ist der grösste See in New Hampshire mit 186 km2 und verfügt über ein 386 Kilometer langes Ufer. Der von Bergen umgebene See ist mit 274 Inseln übersät. Natürlich gibt es an einem solch schönen Ort viele Feriendörfer, in denen man sich ausgiebig erholen kann.
Der indianische Namen Winnipesaukee bedeutet "Lächeln des Grossen Geistes". Das tönt doch schön. Er bezieht sich auf eine Legende, wonach ein in Seenot geratener Krieger mit Hilfe eines vom Himmel gesandten Lichtstrahls heil zum Ufer zurück fand. Der Tourismus hat den See heute in zwei grundverschiedene Welten geteilt: Das Westufer ist durch und durch kommerziell und hat sein lautes Zentrum in Weirs Beach, welches einem riesigen Rummelpark gleicht. Das Ostufer hingegen ist exklusiver und durch ein Labyrinth aus Buchten und Inseln überwiegend in Privatbesitz.
Lange sitzen wir hier am Ufer und lassen es uns gut gehen. Da wir wieder mal ein Handynetz haben, rufe ich auch noch Vreneli an um wieder mal ein Lebenszeichen von uns zu geben.
Unsere Fahrt geht weiter durch endlose Wälder und durch einsame Dörfer. In Sunapee erreichen wir den grossen Freeway 89. Auf diesem fahren wir wieder nordwärts bis an die Grenze von Vermont. Dort verlassen wir den Freeway und gelangen auf den Highway 4.
Eva macht sich mit ihrer Boutique immer im Internet schlau über mögliche Kollektionen und deren Hersteller. So ist sie auch auf die Seite von Fat Hat gelangt, die ihre Fabrik in Vermont hat. Ich bin nun offiziell als ihr Modescout unterwegs und habe den Auftrag die Fabrik und ihre Produkte professionell unter die Lupe zu nehmen. Wir verlassen die Hauptstrasse und gelangen auf einer Nebenstrasse nach Quechee. Das Dorf ist wirklich süss, doch nirgends entdecken wir einen Hinweis auf die Kleiderfabrik. Wir erblicken eine grosse Fabrik mit einem riesigen Parkplatz, der über und über mit Autos besetzt ist. Was sich darin wohl befindet?
Vermont ist bekannt für seine Antiquitäten und Kunsthandwerke. Und hier entdecken wir eine grosse (und anscheinend höchst bekannte) Glasbläserei. Es hat Leute wie blöd, die einkaufen wie blöd! Und es hat wirklich schöne Produkte, preislich ziemlich am oberen Ende und absolut nichts für uns! Wie sollten wir auch Glasvasen oder -lampen heil nach Hause bringen. Aber an der Information erkundige ich mich nach Fat Hat. Anscheinend sind wir beim Abbiegen in den Nebenhighway daran vorbeigefahren. Aha!
So kehren wir um und fahren wieder zurück an die Hauptstrasse und siehe: tatsächlich entdecken wir alte Holzhäuser, die mit Fat Hat angeschrieben sind. Jürg macht sich auf eine längere Wartezeit bereit. Doch ich kann ihn überzeugen mit mir hineinzugehen. An der Kasse stelle ich mich vor und warum ich hier bin. Ob ich wohl die verschiedene Stücke aus ihrer Kollektion fotografieren dürfe. Ich darf! Die nette Verkäuferin stellt mir auch ihren Laden vor. Man kreiert jeweils eine Frühlings- und eine Herbstkollektion mit nur wenigen Modellen und Stoffen und stellt die dann dafür in vielen verschiedenen Farben und Grössen her. Das Nähatelier ist gleich neben dem Laden, wo man den Frauen beim Arbeiten zuschauen kann. Hier ist nix mit Made in China. Alles ist Made in Amerika.
So kämpfe ich mich durch die verschiedenen Kollektionen, fotografiere manchmal ab der Stange und manchmal ziehe ich die Kleider an und fungiere als Model. Jürg fotografiert dann jeweils. Es hat ein paar schöne Sachen, aber auch ein paar Altmodische. Die Stoffe sind angenehm und vielfältig. Alles in allem gefällt mir Fat Hat gut, jedoch glaube ich nicht, dass dies in Eva's Konzept passen wird. Aber das muss sie selber entscheiden.
Jürg zeigt viel Geduld. Doch endlich ist das auch überstanden und unsere Fahrt geht weiter nach Woodstock. In diesem schönen Städtchen ist schlicht die Hölle los. Busweise werden die Touristen herangekarrt und entsprechend wird flaniert und eingekauft. Antiquitätenläden sind wirklich das Non-plus-Ultra in Vermont... Wer übrigens glaubt, dass wir hier am Ort sind, wo das legendäre Woodstock Festival stattfand, ist im Irrtum (ich glaubte das zuerst auch). Doch es gibt noch ein zweites Woodstock im Staate New York, und das kam in den Genuss der musikalischen Legende. Dieses Woodstock hat nichts damit zu tun.
Wir durchfahren das Städtchen und biegen auf eine Nebenstrasse ab, die uns durch idyllische Hügel, Wälder und Dörfer südwärts nach Chester bringt.
Vermont hat seinen Namen 1609 von einem Samuel de Champlain erhalten. Das Wort bedeutet auf französisch "grüner Berg", und er fand es wohl sehr passend als er über das fruchtbare Land schaute. Noch heute, fast 400 Jahre später, ist Vermont ein Winkel unverfälschter Natur mit dichten Wäldern, die sanft gewellte Hügel und Täler überziehen. So steht's im Reiseführer.
In dem ländlichsten Staat Amerikas leben nur knapp über eine halbe Million Menschen. Wie wir sehr schnell feststellen, wird die Landschaft von herausgeputzten Höfen und schwarz-weissen Kühen bestimmt, die auf saftig grünen Wiesen grasen. Haben wir Freiburg erreicht? Also hier muss sich Oma Ducks Bauerhof befinden. Idyllischer ist kaum möglich...
Kurz gesagt: Vermont ist der Schweiz nicht unähnlich. Was sehr positiv auffällt: Man sieht keine grossen Werbeschilder, ein Gesetz verbietet nämlich, dass man die aufstellt. Natürlich ist Vermont ein beliebtes Feriengebiet und zwar zu jeder Jahreszeit. Naturfreunde schätzen die besten Möglichkeiten zum Campen, Wandern und Angeln. Im Winter gibt es bekannte Skigebiete. Doch Vermont ist auch ein Magnet für Maler, Schriftsteller, Musiker und Dichter. Vermutlich finden die Leute hier ihre berühmte Inspiration.
Doch am schönsten ist Vermont im Herbst, wenn tausende von Laubguckern wie wir die gemütlichen Strassen befahren und den Farbenreichtum der Bäume bestaunen, die eine Skala von Senfgelb bis Feuerrot zeigen. Wir freuen uns, die nächsten zwei Tage dafür ausgiebig Zeit zu haben!
Gegen Abend erreichen wir Chester, ein kleines verschlafenes Dorf am Rande der Green Mountains. Auf dieses Kaff sind wir auf der Suche nach einer schönen Unterkunft gestoßen. Wir fanden das Inn Victoria, welches als einer der besten B & B's in den USA gerühmt wurde. Im Tripadvisor waren die Bericht ausnahmslos so gut und verführerisch, dass wir uns entschieden, hier ebenfalls drei Nächte zu verbringen. An der Hauptstrasse entdecken wir neben einer Kirche schnell einmal das schöne viktorianische Haus.
Wir betreten eine wunderschöne Wohnstube mit antiken Möbeln, die sehr gemütlich eingerichtet ist. Über einer Kommode blickt uns streng Queen Victoria an, darunter stehen Kristallkaraffen gefüllt mit Cherry. Plötzlich steht Julie vor uns und strahlt uns an wie ein Honigkuchenpferd. Aufs herzlichste heisst sie uns willkommen und zeigt uns das ganze Haus. Sie und ihr Gatte Jon sind aus England und hegen und pflegen ihr B & B mit viel Liebe und Freude. Das erkennt man auf den ersten Blick! Ihre lustige und herzliche Art ist sehr ansteckend, und wir fühlen uns sofort zu Hause.
Unser Zimmer liegt im 1. Stock. Alle Zimmer haben Namen von englischen Prinzessinnen und uns gehört für die nächsten 3 Nächte das Princess Alice Zimmer. Es ist überwältigend!! Riesig gross mit einem ebenso riesigen King Size Bett. Weiter dominiert eine Chaiselongue und ein grosses Cheminée den Raum. Doch es kommt noch besser: Das Badezimmer hat in etwa die Grösse unseres letzten Schlafzimmers in der Sprucemoose Lodge. Der Boden ist schwarz-weiss gekachelt, ein riesiges Jacuzzi gibt es, eine Dusche, ein antikes Möbelstück mit einem Brünndli und natürlich auch ein Klo. Es ist kaum zu glauben und Julie amüsiert sich bestens über unsere begeisterten Gesichter.
In Ruhe räumen wir unser Gepäck ein und machen es uns gemütlich. Dann begeben wir uns zu Julie in die Küche und fragen sie, ob wir wohl unsere restliche Pizza in der Mikrowelle aufwärmen dürften. Natürlich dürfen wir das, und so verspeisen wir schon bald im gemütlichen Esszimmer unsere Resten von gestern. Derweilen bringt Julie frischgebackene Brownies für den Afternoon Tea. Tradition verpflichtet! So geniessen wir zum Dessert äusserst leckere Brownies und trinken dazu ein Glas Sherry (Jürg ist davon allerdings wenig begeistert...).
Zum Verdauen unternehmen wir einen Spaziergang durch Chester. In der Zwischenzeit hat sich der Himmel bewölkt. Gemütlich bummeln wir durch die ruhige Hauptstrasse. Es hat nur wenige Autos und auch Leute sind nicht viele zu sehen. Es gibt sogar einen Souvenirladen, der noch geöffnet hat. Alles war irgendwie von Hand hergestellt werden kann, ist hier zu finden. Zu süss! Plötzlich bricht die Sonne durch die Wolkendecke und verzaubert herbstliche Ahornbäume in eine wahre Farborgie. So schön! Bei einer Tankstelle kaufen wir im dazugehörigen Shop noch ein paar Snacks für morgen, dann geht's zurück in unser schönes B & B.
Mir ist es irgendwie nicht so wohl. Einerseits friere ich und andererseits rumpelts im Magen. Jürg meint, das käme vom Sherry. So was könne ja kein Mensch trinken. Okay, liegt's halt am Sherry... Dank dem grossen Kamin wird es schnell warm im Zimmer und unter der Decke wird es sowieso schnell angenehm warm. Wir freuen uns auf die nächsten zwei Tage in Vermont...
Aufbruch: | 26.09.2008 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 17.10.2008 |