Indian Summer in den Neuengland Staaten der USA
Noch einmal überwältigt uns der Indian Summer
Unser letzter Tag im Indian Summer bricht an! Dies macht uns ein wenig traurig! Es war die schönste Herbstzeit, die wir jemals angetroffen haben! Wir sind überzeugt nie mehr etwas schöneres vorzufinden. Wir täuschen uns...
Das Frühstück nehmen wir wieder am grossen Familientisch ein, und Jon und Julie verwöhnen uns natürlich aufs Neue. Zuerst gibt es einen leckeren Zimt-Kürbis Kuchen. Dann ein Joghurt mit Früchten und Crunch unten drin. Und zum Abschluss ein Stück Torte mit Schinken und Käse. Es schmeckt hervorragend. Kein Wunder gehört unser B & B zu den 10 schönsten der ganzen USA, gewählt von Tripadvisor Leser, die sicher eine Menge Erfahrung an Unterkünften haben.
Nebst unseren Amis lernen wir ein neues Pärchen aus Bristol/Südengland kennen. Es entwickelt sich wiederum ein angenehmes Gespräch übers Reisen und was man alles schon gesehen hat. Für uns waren dies wirklich ungewöhnliche Unterkünfte mit Familienanschluss. Bei Motels ist man sich solche persönlichen Begegnungen nicht gewohnt. Zudem kostet diese Art Übernachtung auch ziemlich mehr als Motels. Wir werden es nicht immer brauchen, aber es passte wunderbar zu dieser Gegend.
Aber ich spreche bereits in Vergangenheit, dabei haben wir noch einen wunderbaren Tag vor uns!
Auf dem Highway 103 verlassen wir Chester und gelangen auf den grossen Freeway 91. Nach 21 Meilen verlassen wir diesen in Brattleboro und fahren westwärts weiter auf dem Highway 9, der uns stetig in die Höhe führt. Hatten wir geglaubt, dass wir den Höhepunkt des Foliages bereits gesehen haben, werden wir plötzlich eines besseren belehrt.
Mitten im Wald entdecken wir Bäume mit einem brillanten Rot, so dass es kaum zu glauben ist! Und dann fahren wir auf einer Anhöhe auf eine grosse Lichtung, wo sich ein Bauernhof mit Scheune und See befindet. Wie andere "Leafpeepers" stehen auch wir sofort auf die Bremse und halten am Strassenrand. Was wir hier erblicken, würde auf jeder Postkarte als retouchierter Kitsch abgetan: Das Bauernhaus ist wie in einer Fernsehserie malerisch schneeweiß mit einer weissen und roten Scheune an der Seite. Der ganze Hof liegt unter riesigen Bäumen, die in den strahlendsten Gelb- und Rottönen leuchten. Davor erblicken wir einen schönen kleinen See. Dazu der tiefblaue Himmel. Es ist kaum zu beschreiben, aber wir haben den absoluten Höhepunkt des Indian Summers gefunden. Wir und die andern Touris erfreuen uns an dem Anblick und alle schiessen Fotos wie wild! So was muss zuhause auch gezeigt werden können, Beschriebe reichen da bei weitem nicht aus!
Auch die umliegenden Wälder leuchten in den strahlendsten Farben, die man sich vorstellen kann. Hier schreibt die Natur Märchen!
Doch obwohl kaum zu glauben, geht das Herbstmärchen weiter. Der Highway windet sich immer höher, die uns begleitenden Bäumen strahlen weiter und plötzlich erreichen wir einen grossen Parkplatz mit Raststätte und blicken in alle Himmelsrichtungen. Wir sind am 100 Mile Sky View angelangt! Sofort fahren auch wir auf den Parkplatz und blicken über ein Meer von roten und orangen Bäumen und Büschen. Die Aussicht ist schlicht ergreifend grandios und dank dem herbstlich klaren Wetter sieht man meilenweit übers hügelige Land. Von jeder Himmelrichtung leuchten uns die schönsten Farben entgegen. Ich finde kaum Worte um dies zu beschreiben. Es ist ein grandioses Finale unserer Herbstreise. Herbst in der Schweiz wird nie mehr dasselbe sein. Diese Farben übertreffen alles je gesehene!
Auch wir spazieren in die Raststätte, welche natürlich auf die vielen Touristen bestens eingerichtet ist. Es gibt einen riesigen Souvenirshop und es werden alle Spezialitäten Vermonts zum Probieren und Kaufen angeboten. Dazu gehören als ländlicher Staat natürlich viele Käsesorten und sonstige Milchprodukte. Aber auch Honig, Sirup und Früchte.
Wir können uns von dem Aussichtspunkt kaum lösen und ich schiesse Fotos wie blöd. Immer wenn ich wieder einmal rundum alles fotografiert habe, kommt das Gefühl auf, ich hätte noch was verpasst, und so beginnt alles wieder vorne. Gott sei Dank haben wir heutzutage eine digitale Kamera. Das gäbe Kosten, wenn man zuhause zuerst alles entwickeln müsste um zu schauen, welche man dann schlussendlich behält...
Jürg bugsiert mich ins Auto. Er will endlich weiter! Der 100 Mile Sky View war natürlich der höchste Punkt des Passes, und so geht es auf der andern Seite rasant in die Tiefe. In Wilmington biegen wir auf den Highway 100 ab. Es geht wieder in die Höhe. Durchfuhren wir Wälder in den schönsten Rot- und Orangetönen, begleiten uns nun meistens tiefgoldene Wälder, welche ab und zu von knallroten Ahorn durchzogen sind. Märchenhaft!
Immer wieder muss Jürg halten, damit ich alles fotografisch festhalten kann. Sei es ein Friedhof unter hohen dreifarbigen Bäumen, sei es ein schöner See inmitten der bunten Umgebung oder Flüsse mit malerischen Brücken und farbenfrohen Bäumen. Es gibt so viele endlose Motive und es ist unser letzter Tag im Foliage! Gefährliche Verbindung...
Unsere Rundfahrt führt uns wieder zurück auf den Highway 9 und nach Wilmington. Dort herrscht das Chaos! Es gibt eine Ampel mitten im Dorf, das die Kreuzung der beiden Highways 100 und 9 regeln. Und alles staut sich! Das Dorf selber ist das grösste im Mount Snow Valley und sieht wirklich süss aus! Die Main Street besteht größtenteils aus restaurierten Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Wir entscheiden uns zu einer Pause. Wie viele andere Leute bummeln auch wir der Mainstreet entlang und besuchen einen der vielen Shops. Vermont ist der Staat der Kunsthandwerker und Antiquitätensammler. Entsprechend sind die Läden auch darauf ausgerichtet. Wir staunen über die Qualität der Sachen. Von wegen alles billiger Kitsch. Es hat wirklich geschmackvolle Souvenirs und man könnte sich locker die Wohnung mit alten Gegenständen und Möbeln einrichten.
In einer Bäckerei gibt es Cappuccino und Muffins, dann bummeln wir noch ein wenig durch das schöne Städtchen. Der viele Verkehr stört aber die Idylle schon ein wenig! Die Leute sollten mal ihr Verkehrskonzept überdenken!
Mittag ist vorbei und wir wollen noch in ein bekanntes Skigebiet, zum Mount Snow. So wälzen wir uns auch noch langsam Meter um Meter vorwärts bis wir endlich zu dieser vermaledeiten Ampel kommen und auf den Highway 100 nordwärts abbiegen können. Wir durchfahren ein höchst idyllisches Tal und den aufkommenden Lodges und Ferienhäusern an zu urteilen, haben wir ein bekanntes Feriengebiet erreicht. Die Häuser haben erstaunliche Ähnlichkeit mit unserer alpinen Architektur. Auch erblicken wir des öftern eine deutsche, österreichische oder schweizerische Flagge. Es ist nicht schwer zu erraten, wer sich hier angesiedelt hat...
Vor uns erblicken wir den 1100 Meter hohen Mount Snow, welcher nach dem ursprünglichen Landbesitzer Reuben Snow benannt wurde. Allerdings glauben viele, der Name beziehe sich auf den Schnee, den es hier im Winter reichlich gibt und ohne den der Ort nicht leben könnte.
In den späten 1990er Jahren investierte man über 35 Millionen Dollar für den Ausbau des Skigebietes, das jetzt 104 Loipen und Pisten, oft durch Wälder, auf einer Gesamtfläche von 247 Hektar bietet. Als eines der ersten Skigebiete in den USA bot Mount Snow auch Snowboard-Fahrern etwas, u.a. Trainingsbereiche für Anfänger. Das Zentrum gründete die erste Schule für Mountainbikers in Amerika. Im Sommer sind die insgesamt 72 Kilometer langen Fahrradwege, Wanderrouten, ein Inlineskate- und Skateboard-Park sportliche Herausforderungen.
Doch wir befinden uns im Spätherbst. Viele Unterkünfte haben geschlossen und bereiten sich auf die Wintersaison vor. Uns gefällt die Gegend ausgezeichnet und natürlich dominieren auch hier unsere wunderschönen Indian Summer Bäume.
Beim Mount Snow Ski Resort erreichen wir das Zentrum, welches aus mehreren Hotels und Lodges besteht. Das First Class Hotel gleich neben den Skipisten hat geöffnet. Und es scheint die Hölle los zu sein! Es ist Columbus Day Weekend, also verlängertes Wochenende. Und was ist schöner als im rosa Cadillac Cabriolet einen romantischen Ausflug in die herbstlichen Wälder zu unternehmen... Ein Auto ums andere fährt vor und lässt von Pagen das Gepäck aus dem Wagen räumen. Entweder sind es ganze Familien mit Kind und Kegel oder eben Paare, die ein romantisches Weekend verbringen wollen. Jedenfalls ist ganz schön was' los!
Im danebenliegenden Sportgeschäft befindet sich der Ticketschalter für die Sesselbahn, die noch als einzige Anlage geöffnet hat. Es ist zwei Uhr und wir möchten gerne auf den Mount Snow hinauf. Natürlich nicht zu Fuss ganz nach meinem Motto "hätte uns der liebe Gott Bergbahnen erfinden lassen, wenn er dies gewollt hätte?". Eben...
Aber da wir uns ja nicht von der ganz unsportlichen Seite zeigen wollen, wäre eine Wanderung hinunter ganz nett. So erkundige ich mich bei einem jungen Burschen mal wie es denn so mit den Wanderwegen aussieht. Er gibt mir einen Plan und erklärt mir die verschiedenen Möglichkeiten. Unfähig zu unterscheiden, ob mich der gute Mann nun auf den Arm nehmen will oder nicht, erklärt mir dieser, wenn wir vor hätten runter zulaufen, müssten wir hier aber ein Formular unterschreiben, dass wir dies auf eigenes Risiko unternehmen würden und dass das Mount Snow Resort keine Haftung für Unfälle übernehmen würde. Ich frage ihn, ob er mit mir einen Scherz mache? Nun werde ich ungläubig angeschaut!
Hallo Fränzchen!! Wir befinden uns in den USA, im Land der unbegrenzten juristischen Möglichkeiten! Ich kann es trotzdem nicht verklemmen dem jungen Mann kurz meine Meinung mitzuteilen, nämlich dass die Leute hier wirklich einen an der Waffel hätten. Wir hätten in der Schweiz tausende von Wanderwegen und jeder ist selber verantwortlich zu sich zu schauen. Wo würde das auch hinführen, wenn jeder noch einen "Fötzel" unterschreiben müsste, dass er niemand verklage, wenn er sich einen Knöchel verknackse. Natürlich spreche ich da an eine Wand! Ich wiederhole es: wir sind in den USA! So unterzeichnen wir halt den Wisch. Die spinnen die Amis...
Mit der Sesselbahn geht es gemütlich auf den Mount Snow hinauf. Es ist eine herrliche Fahrt durch ein Meer von gelben und orangen Herbstbäumen. Und eine langsame... immer wieder drosselt die Sesselbahn die Geschwindigkeit. Vermutlich müssen sie jeden Kunden oben persönlich vom Sessel tragen, damit nicht noch ein Unfall passiert, der dann verklagt werden kann... Okay, jetzt werde ich zynisch! Aber wir geniessen die Fahrt. Die Aussicht ist grandios, die nachmittägliche Sonne scheint herrlich warm zu uns hinunter und die Bäume sind zum Verlieben schön.
Endlich erreichen auch wir die Bergspitze. Und die Aussicht ist schlicht grandios. Endlose Hügel überziehen das Land (oder halt Berge für ihre Verhältnisse...), einsame Seen sind zu sehen und ein makellos blauer Himmel überzieht alles. Was für ein Tag...
Nun in Sachen Verträgen ausarbeiten, wo man nicht haftbar gemacht werden kann, sind die Amis einsame Spitze, aber anständige Wanderwege zu bauen, da versagen sie! Der Wanderweg ist nichts anderes als die Skipiste. Schicken wir die Jungs und Mädels mal zum Verein Berner Wanderwege. Dort würden sie dann lernen wie man so was macht! Die Wanderung hinunter ist also mehr oder minder ein Wandern über Grasflächen zwischen Bäumen. Aber schön ist es trotzdem, mal abgesehen von der ebenso grandiosen kaum-existenten Beschilderung, die uns immer wieder zweifeln lässt, ob wir wohl noch auf dem richtigen Weg - tschuldigung - Piste sind. Kluge Kerlchens wie wir nun mal sind, sagen wir uns, es kann nur hinuntergehen...
Es begegnen uns kaum Leute unterwegs. Ab und zu erblicken wir Männer, die beim präparieren der Piste sind, sprich man bessert irgendwelche Löcher aus. Dank der Aussicht und den herrlichen farbenfrohen Wäldern wird es eine wunderschöne Wanderung. Auf dem Plan stand etwas von zwei Stunden, doch in einer Stunde und zehn Minuten sind wir wieder bei der Talstation der Sesselbahn. Was für ein herrlicher Ausflug!
In der Zwischenzeit ist es halb vier und so machen wir uns langsam auf den Heimweg. Der Highway führt uns wieder nach Londonderry, wo wir noch einmal einen Halt im Shoppingcenter machen um uns ein Abendessen zu posten. Müde aber glücklich kommen wir um fünf wieder in Chester an. Was für ein herrlicher Tag, was für ein Abschluss im Indian Summer der Green Mountains.
Unser Abendessen geniessen wir auf dem Zimmer vor dem TV. Jürg hat wieder etwas für sich entdeckt: Auktionen von Oldtimern in Arizona! Natürlich werden auch herrliche Muscle Cars versteigert, die ihm fast das Wasser in die Augen drücken. Ja, hätte man das Geld, dann käme man mit noch manch schönem Schmuckstück nach Hause...
Aufbruch: | 26.09.2008 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 17.10.2008 |