Indian Summer in den Neuengland Staaten der USA
Weiter nordwärts bis zum Acadia Nationalpark
Am Morgen um halb sechs bin ich bereits wieder putzmunter. Der arme Jürg wurde von Albträumen geplagt, er hatte das Gefühl, dass er vom Bett fallen würde, weil er so hoch liegt. Darüber muss ich wirklich lachen. Solche Betten sind für uns schon ungewöhnlich. Wir sind uns einig, wenn wir jemals in die USA ausgewandert wären, hätten wir unsere Betten auf alle Fälle mitgenommen. Aber geschlafen habe ich herrlich, und das trotz der Tatsache, dass im Ofen eine kleine Flamme gebrannt und einen flackernden Schein erzeugt hat. Ich hasse es einfach, wenn irgendwo Licht zu sehen ist. Trotzdem habe ich wunderbar geschlafen. Ich scheine mich da zu bessern...
Hoffnungsvoll werfe ich mal einen Blick zum Fenster hinaus und erblicke tatsächlich einen Sternenhimmel. Das ist schon mal ein Beginn, denn langsam habe ich vom schlechten Wetter die Nase voll.
Als wir uns im Bad parat machen, scheinen plötzlich die ersten Sonnenstrahlen hinein. Fürs Frühstück sind wir noch zu früh, so dass wir uns zu einem Spaziergang aufmachen.
Sah Camden gestern durch die regengrauen Wolken noch unspektakulär aus, erstrahlt das Städtchen heute in der morgendlichen Sonne! Das Weiss der Häuser strahlt um die Wette mit dem morgendlich blauen Himmel, und alles wirkt so klar wie frisch gewaschen. Der Spaziergang führt uns wieder hinab zum Hafen. Das Wasser ist beinahe bewegungslos und spiegelt die Boote herrlich wieder. Lange sitzen wir auf einem Bänkli unterhalb der Bibliothek und geniessen die morgendliche Stimmung. So sieht ein Städtchen doch gleich freundlicher aus!
Um halb neun sind wir im Abisgail Inn zurück. Im Esszimmer erhalten wir einen schönen Zweiertisch am Fenster. An zwei andern Tischen sitzen ein amerikanisches und ein deutsches Ehepaar. Für uns ist es das erste Mal, dass wir in einem Hotel ein so familiäres Frühstück geniessen können, und wir fühlen uns wirklich wie bei Freunden zu Besuch.
Beth hantiert in der Küche. Als erstes bringt sie uns einen Früchtecocktail mit Rahm, danach einen warmen Brombeerkuchen mit Würstchen. Es schmeckt lecker! Zum Trinken erhalten wir Orangen- oder Cranberryjuice und natürlich Kaffee. Das Braten der Würstchen erzeugt ziemlichen Rauch und plötzlich heulen lautstark die Brandmelder los. Ein ohrenbetäubender Lärm! Der Hausherr kommt mit Sohnemann auf dem Arm daher und wedelt den Rauch hinaus. Doch die Brandmelder geben keine Ruhe und legen immer wieder los bis man halt die Batterien entfernt. Danach kehrt wieder Stille ein. Nun Brandmelder sind in diesen Häusern unentbehrlich, denn alles ist aus Holz gebaut.
Um halb zehn checken wir aus und verabschieden uns von Beth. Unsere Fahrt führt uns auf dem Highway One weiter nordwärts. Wir durchqueren Dörfer und Städtchen wie Lincolnville - Northport - Belfast und Searsport. Alle liegen irgendwo schön an der Küste. Immer wieder erblicken wir herrliche Buchten oder überqueren auf hohen Brücken breite Flüsse, die oftmals auch als Häfen dienen. Das Wetter begleitet uns in gemischter Weise, manchmal scheint die Sonne, manchmal dominieren die Wolken.
In Bucksport verlassen wir den Highway One und biegen in die 175. ab. Der Reiseführer schwärmte von einem Neu England Städtchen namens Castine, das wir nun besuchen wollen. Lange führt uns eine einsame Strasse achterbahn artig hinauf und hinunter durch schöne herbstliche Wälder. Immer wieder erblicken wir einsame Häuser weitab von allem. Wir fragen uns oft wie man so weit ab von allem leben kann.
Um halb zwölf erreichen wir Castine und eine steile Strasse führt uns hinunter an den Hafen, wo wir unser Auto parken. Castine wurde im 17. Jahrhundert gegründet und war wegen der strategischen Lage über der Bucht stets begehrt. Hier wehten die Flaggen Frankreichs, Großbritanniens, Hollands und der USA.
Am Hafen ankert ein riesiges Schiff und wir finden heraus, dass sich hier die Maine Maritime Academy befindet. Wir entscheiden uns für einen Spaziergang, welcher uns zuerst steil die Hauptstrasse hinauf führt. Die Häuser sind wirklich witzig in den Hang hineingebaut und auch die zur Strasse stehenden schrägen Parkplätze sind eine Herausforderung. Handbremse anziehen obligatorisch!
Wir biegen südwärts in eine Nebenstrasse ab und erblicken wunderbare alte Häuser, die sehr gepflegt sind! Überhaupt ist das Städtchen filmreif und man erwischt sich dabei, wie wenn man Ausschau nach den Gilmore Girls hält. Oder auch Lassy könnte uns jeden Moment aus einem Garten entgegen springen.
Die Gärten sind sehr englisch mit wunderbar geschnittenem Rasen und vielen Blumen. Einzelne Büsche und Bäume leuchten bereits in den intensiven Herbstfarben. Es ist Idylle pur und man kann sich fast nicht vorstellen, dass dieser Ort immer wieder Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen war. 1779 erlitten zum Beispiel die US-Marine eine ihrer grössten Niederlage gegen die Briten im Unabhängigkeitskrieg. Es war eine Schlacht, bei der mehr als 40 Schiffe gekapert oder versenkt wurden. An jedem Strassenecken erinnert ein Holzschild an irgendeine historische Tatsache. Da war ganz schön was' los...
Die Leute, die uns begegnen, grüssen uns freundlich und auch die nachbarschaftlichen Beziehungen werden ausgiebig mit einem Plausch gepflegt.
Nach einer Stunde sind wir wieder zurück bei unserem Auto. Der ganze Spazierweg wurde von strahlendem Sonnenschein begleitet, was ich sehr geniesse. Während ich mich beim Auto in leichtere Kleidung schmeisse (es wird warm), schaut sich Jürg noch ein wenig die Hafenanlage an. Dann geht unsere Fahrt weiter.
In Blue Hill wollten wir eigentlich einen weiteren Halt einschalten. Doch das Städtchen gefällt uns nach Castine nicht sonderlich so dass wir weiterfahren. Die Halbinsel in der Penobscot Bay ist sehr waldreich und der Indian Summer scheint hier schon sehr fortgeschritten zu sein. Wir durchfahren Alleen von farbintensiven Bäumen. Es ist eine Farborgie für die Sinne, und wir staunen, was die Natur da hervorbringt. Vom intensiven Rot über Gelb zu Orange ist alles zu finden. Es sieht fantastisch aus und gibt uns einen Vorgeschmack davon, was wir in den nächsten Wochen noch alles sehen werden.
Wir erreichen wieder den Highway One in Ellsworth. Hier ist auch die Abzweigung auf den Highway 3, welcher uns in den Acadia Nationalpark führen wird. Waren wir bis anhin vom typisch amerikanischen Charme der Business Routes verschont geblieben, holt sie hier uns ein: Kilometerweit erblicken wir Tankstellen, Motels, Restaurant- und Schnellimbissbuden, dann Einkaufszentren und jeglicher Mist von billigen Souvenirläden. Der Charme der Neu England Staaten wurde hier erfolgreich beerdigt!
Schnell tanken wir unseren GMC auf und durchfahren danach schnellstens diese Missbildung amerikanischer Zivilisation. Schon bald erreichen wir wieder die schöne Natur. Zu unserer Linken erblicken wir die Frenchmen Bay, zu unserer Rechten die Blue Hill Bay. Ganz im Osten sehen wir einen Hügel, den Cadillac Mountain. Über einen breiten Damm erreichen wir Mount Desert Island, wo sich der Acadia Nationalpark befindet, das berühmte Naturparadies der Ostküste.
Das Wetter bessert sich zusehends und im Radio meldet der Wetterbericht, dass wir die nächsten zwei Tage nur Regen zu erwarten hätten. Na Bravo! Also wollen wir mal den einigermaßen schönen Tag noch geniessen. Ich mache Jürg den Vorschlag, dass wir auf den Cadillac Mountain fahren könnten. Er ist damit einverstanden. Die Fahrt zum Nationalpark und nach Bar Harbor ist von regem Verkehr gekennzeichnet. Es hat viele Wohnmobile, und wir erinnern uns daran, dass wir auch schon bald in so einem Vehikel den ganzen Verkehr aufhalten werden.
Als erstes fahren wir zum Visitor Center des Nationalparks. Dort kaufen wir uns einen Jahrespass für alle Nationalparks der USA. Da wir in acht Monaten bereits wieder in den USA sein werden mit der Absicht viele weitere Parks zu besuchen, lohnt sich diese Investition. Dann geht die Fahrt ab auf den 465 Meter hohen Cadillac Mountain. Natürlich können wir uns ein mitleidiges Lächeln nicht verkneifen als wir lesen wie hoch der "Berg" ist. Da wohnen wir ja höher. Aber wir befinden uns auf Meereshöhe, und da wirken 465 Meter über Meer eindrucksvoller. Es wird eine kurvenreiche und schöne Fahrt hinauf in die übrig gebliebenen Wolken. Und der rege Verkehr hält an! Irgendeinmal haben wir einen schönen Blick auf Bar Harbor und sehen zwei riesige Kreuzfahrtschiffe, die in der Bucht ankern. Die Aida erkennt man mit ihrer Malerei schon von weitem und die andere ist ein Schiff der Princess Line, wie Jürg mit dem Feldstecher ausmacht.
Das erklärt auch den Aufmarsch der Touristen, dem wir auf dem Cadillac Mountain begegnen. Junge, Junge, da hat es ja in der Stadt Bern an einem Donnerstag Abend weniger Menschen! Viele Reisebusse und nostalgische Trams bevölkern die Parkplätze und natürlich auch Motor Homes und sonstige PW's. Hier oben ist wirklich die Hölle los! Trotzdem geniessen wir den grandiosen Ausblick. Nordwärts ist der Himmel fast wolkenfrei. Noch ca. 100 Kilometer weiter und wir wären in Kanada! Ostwärts sind viele kleine Inseln zu erkennen und südwärts der grosse Eagle Lake mit der südlichen Küste Neu Englands.
Wir klettern auf dem felsigen Berg herum, kurven um die vielen Touris herum um einen möglichst ruhigen Ort zu finden (was so ziemlich unmöglich ist) und geniessen wie alle andern den Ausblick! Einfach atemberaubend dieses Panorama! Wir stellen auch fest, dass sich die nebelartige Bewölkung immer mehr zurückzieht und der blaue Himmel Überhand gewinnt! Na wenn das kein Grund zur Freude ist!
Es ist in der Zwischenzeit zwei Uhr. In Anbetracht, dass wir heute vermutlich den schönsten Tag im Acadia geniessen können, entscheiden wir uns zur Fahrt auf dem Loop in den Nationalpark hinein. Eine Einbahnstrasse führt rund um den Cadillac Mountain herum zu all den schönen Punkten im Acadia Nationalpark.
Der Reiseführer meint zum Acadia, es sei zwar der einzige Nationalpark Neu Englands, doch einer der meistbesuchten der USA. "Wo Berge das Meer treffen", schwärmen die Broschüren, womit sie ausnahmsweise recht haben. Ein anderer spricht von der unumstrittenen Perle in Neu Englands Krone: "bis zu 500 Meter hohe, steil aus dem Meer aufragende Granitbuckel, tiefe Fjorde und idyllische Inlandseen sind sein Markenzeichen". Dank seiner Lage in der Übergangszone zwischen gemässigtem und subarktischem Klima kann der Park mit einer extrem artenreichen Flora und Fauna aufwarten. Experten haben innerhalb der Parkgrenzen über 500 Baum- und Pflanzenarten sowie rund 300 Vogelarten gezählt. Den wenig gastfreundlichen Namen erhielt die Insel 1604 von Samuel de Champlain, einem Seefahrer aus Frankreich, der die felsigen Gipfel "bar aller Bäume" vorfand.
Doch schon bald verbrachte die Ostküsten-Elite des 19. Jahrhunderts hier ihren Urlaub, allen voran die Familien Rockefeller, Ford und Astor. Den Umweltbewussten unter ihnen ist der Nationalpark zu verdanken. Eine engagierte Gruppe um John D. Rockefeller vermachte ihr Land zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Regierung mit der Auflage, die Natur für alle Zeit durch einen Nationalpark zu schützen.
Die knapp 50 Kilometer lange Aussichtsroute, die wir nun befahren, führt uns zuerst in eine sumpfartige Landschaft westlich vom Cadillac Mountain, durchzogen von kleinen Flüssen und Seen. Die herbstlichen Bäume spiegeln sich herrlich im Wasser. Überall hat es Ausweichstellen, wo man parkieren und die Natur geniessen kann. Auf einer Anhöhe haben wir einen herrlichen Blick über die Frenchman Bay hinüber zur Schoodic Peninsula.
Ein weiterer Halt unternehmen wir beim schönen, felsenumschlossenen Sandstrand namens Sand Beach. Wir fühlen uns wie nach Neuseeland versetzt. Der herrliche Anblick der Bucht mit dem goldenen Sand und dem blau grünen Wasser erinnert uns an den Abel Tasman Nationalpark auf der Südinsel. Eine Holztreppe bringt uns hinunter an den Strand, wo wir uns auf angeschwemmtes Holz setzen und den Wellen zusehen, die herrlich in die Bucht hineintosen. Was für ein schöner Ort!
Beim nächsten Halt gelangen wir wieder mitten in den grossen Touristenrummel. Beim Thunder Hole, einer Unterwasserhöhle, ist schlicht die Hölle los! Zu Hunderten klettern die Kreuzfahrttouristen auf den Felsen herum und wollen sich den besten Platz für das Spektakel ergattern. Da das Meer immer noch vom Hurricane Kyle ziemlich aufgewühlt ist, lässt sich das auch sehen! Wir erblicken eine schluchtartige Einbuchtung zwischen hohen Felsen. Die anrollenden Wellen schiessen in diese Schlucht hinein und knallen mit lautem Getöse an die Felswände, so dass das Wasser meterhoch in die Höhe schiesst. Wahrlich ein beeindruckender Anblick. Vermutlich haben wir einen guten Tag erwischt, denn ein Weg gesichert durch ein Geländer, führt dieser kleinen Schlucht entlang. Doch niemand steht dort, denn das hinein schiessende Wasser überspült diesen Weg locker! So stehen auch wir auf hohen Felsen und schauen dem Spektakel mit sicherem Abstand zu. Die Töne sind echt unheimlich wenn eine riesige Welle wieder ihr Wasser in die Schlucht drückt und der Felsen am Ende der Schlucht die Flut mit einem lauten Knall aufhält. Lange stehen wir hier und geniessen das Schauspiel. Dann flüchten wir vor der Masse der Touristen. Wie das wohl hier erst im Hochsommer in den Schulferien aussieht?
Der Loop führt uns an einer herrlich wilden Küste entlang. Ein weiterer Halt machen wir oberhalb von beeindruckend steilen Klippen. Die bewegte See wirft ihre Wellen nun ungehindert an die markanten Felsen. Der Himmel ist tiefblau und kaum mehr eine Wolke behindert die Sonne. Was für ein Tag! Ich bin wirklich dankbar, dass ich den Acadia Nationalpark in dieser Pracht sehen darf! Soll es morgen doch schütten wie es will!
Den letzten Halt schalten wir beim Otter Point ein. Ein Spaziergang bringt uns auch hier auf Klippen hinaus, welche aber nicht so hoch sind. Malerische Pfützen zwischen den Steinen zeugen davon, dass die Wellen locker bis hier hinauf spritzen können. Wir klettern herum und suchen uns einen schönen Platz zum Sitzen. Lange geniessen wir den Ausblick auf das bewegte Meer, hören dem tiefen Rauschen der Wellen zu und lassen uns von der Sonne wärmen. Was für ein schöner Ort! Wir verlieben uns wahrlich in den Park.
Die Fahrt zurück nach Bar Harbor führt uns an den beiden Seen Jordan Pond und Eagle Lake vorbei. Als wir die Abzweigung auf den Cadillac Mountain erblicken, entscheiden wir uns spontan noch einmal zu einer Fahrt hinauf auf den schönen Aussichtspunkt. Und so geht's noch einmal hoch auf 465 Meter über Meer. Dieses Mal halten wir unterwegs noch an andern Punkten und geniessen den Ausblick auf den schönen Eagle Lake. Ganz oben ist nach wie vor die Hölle los! Wo die nur all die Leute herkriegen...? Doch Kreuzfahrtschiffe haben viel Platz. Wer wüsste das besser als wir! So suchen wir uns noch einmal einen ruhigen Ort und geniessen für uns den Ausblick. Die spät nachmittägliche Sonne verwandelt das Wasser um die vielen kleinen Inseln langsam in flüssiges Gold. Es sieht wunderschön aus!
Es ist halb fünf und die Sonne neigt sich immer mehr dem Horizont zu. Wir fahren wieder hinunter, füttern Alma mit der Adresse unseres nächsten Hotels und erreichen ohne Umweg das Mira Monte Inn. Es ist ein herrlich altes viktorianisches Haus, umringt von riesigen Bäumen. Eine malerische Veranda lädt zum Verweilen auf Schaukelstühlen ein. Was für ein schönes Haus. Irgendwie müssen wir uns daran gewöhnen, dass wir da einfach reingehen können ohne zu klingeln. Man hat einfach das Gefühl, dass man da in eine Privatsphäre hineinplatzt. Doch wir werden freundlich von einer älteren Dame begrüsst.
Sie zeigt uns die verschiedenen Räume des grossen Hauses: das Wohnzimmer, die Bibliothek, das Esszimmer und natürlich unser Zimmer namens West End Wing. Jürg schaut ziemlich skeptisch drein. Häuser dieser Art sind nun mal ein wenig dunkel, nicht zuletzt durch die dunklen Tapeten und antiken Möbel. Wir fühlen uns ins vorletzte Jahrhundert versetzt oder wie in einem alten Film. Unser Zimmer wird von einem grossen King Size Bett dominiert mit einer weissen verschnörkelten Bettstatt. Die Bettdecke ist selber gehäkelt. Im linken Ecken gibt es ein grosses Cheminée, darüber hängen alte Bilder von Ladies aus früheren Zeiten. Am Fenster gibt es einen kleinen Tisch mit zwei Polstersesseln, alles antike Möbel. Natürlich ist die Tapete geblümt, was Jürg zu "Begeisterungsstürmen" hinreisst. Eine Balkontüre führt uns hinaus auf eine kleine Terrasse mit Rattantischchen und -stühlen. Der Blick geht in einen grosszügigen Garten mit alten Baumbeständen. Ich finde das Zimmer idyllisch und spannend, Jürg kann sich noch nicht sonderlich damit anfreunden. Er hat immer das Gefühl er sei bei jemandem zu Besuch.
Wir haben Hunger! Obwohl die nette Landlady grad ein Zvieri bestehend aus Cherry, Crackers, eine Art Gugelhopf und Käse parat macht, brauchen wir etwas Handfestes. Es ist aber lustig die englische Tradition des Fünf-Uhr-Tees zu sehen. Wir spazieren nach Bar Harbor hinein. Das Städtchen liegt unter riesigen Bäumen versteckt. Das ist uns schon auf dem Cadillac Mountain aufgefallen. Viele Restaurants und Shops säumen die Hauptstrasse. Das gehört natürlich dazu, wenn Kreuzfahrtschiffe regelmäßig hier ankern! Doch die schönen Gebäude sind gepflegt und die Shops führen wirklich spannende Dinge, nebst all den üblichen Souvenirs.
Wir haben aber Hunger. So begeben wir uns in ein nett aussehendes Restaurant, wo wir auf hohen Bänken einen gemütlichen Tisch erhalten. In der Cocktail Karte erblicke ich eine Empfehlung für einen herbstlichen Drink: einen Blueberry Mojito. Das tönt natürlich lecker, so dass ich gleich mal einen bestelle. Logischerweise hat es darin viel Alkohol und logischerweise ist dies auf nüchternen Magen eine blöde Idee! So fährt mir der Cocktail natürlich richtig ein und ich erblicke die Welt in einem leicht verschwommenen Umfeld. Das bessert sich immerhin als ich dann mein Crab Cake erhalte, einen leckeren Auflauf mit frischen Krabben. Mmmmmh! Jürg hält sich da lieber an Altbewährtes und verdrückt ein Steak.
Satt und immer noch leicht angeheitert machen wir einen Bummel durch das süsse Städtchen. Da wir halt auch schon recht spät im Jahr unterwegs sind, nachtet es früh ein. Überall brennen Lichter - man könnte meinen Weihnachten stehe schon bald vor der Türe. Am Hafen unten verlässt die Princess Line grad die Bucht und gleitet hell beleuchtet hinter der ebenfalls herrlich beleuchteten Aida vorbei. Was für ein majestätischer Anblick!
Unser Spazierweg führt uns wieder zurück zu unserem Hotel. Etwas ganz eigenartiges, ich möchte sagen schon unheimliches, passiert uns auf dem Heimweg. Wir spazieren neben einer Kirche vorbei als dort plötzlich die Beleuchtung ausgeht. Nun, das ist ja noch nichts ungewöhnliches. Doch dann putzt es die Birne einer Strassenlampe, die wir grad passiert haben, und eine zweite auch noch. Wir schauen uns ziemlich verdattert an und fühlen uns wie in einem Horrorfilm. Senden wir da eine zerstörerische Energie aus? Oder verfolgt uns da ein Wesen aus einer andern Welt? Das ist ja spannend... Mit Sperberaugen beobachten wir jede weitere Lampe an der wir vorbeikommen, doch der Spuk ist vorbei. Das war ja eigenartig...
Wir gelangen in nächtlicher Dunkelheit zurück zu unserem Hotel. Das Haus erstrahlt in warmem Schein und in den verschiedenen Zimmern leuchten überall antike kleine Lampen. Da meine Fantasie nun mal schon angekurbelt wurde, könnte ich mir hier bestens ein Geisterhaus vorstellen. Mitten in der Nacht wird der Geist einer ermordeten Frau langsam in einem geheimnisvollen Schein die Treppe hinunterschweben und unter leisem Stöhnen in der Wand verschwinden... Ich sei ja völlig beknackt, meint mein Göttergatte. Der Mann hat einfach keinen Weitblick! Ts...
Im Zimmer stellen wir unser Cheminée an und schon bald füllt wohlige Wärme unser antikes Zimmer. Auch Jürg fühlt sich langsam zuhause und meint, so schlimm sei es eigentlich gar nicht. Geniessen wir den Trip in die Vergangenheit. So etwas erlebt man nicht alle Tage...
Wie viele Geister unsichtbar wohl um uns herumschweben .... ??
Aufbruch: | 26.09.2008 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 17.10.2008 |