Indian Summer in den Neuengland Staaten der USA

Reisezeit: September / Oktober 2008  |  von Franzi S.

Ausflug in den wilden Norden Maine's

Heute morgen werden wir von Sonnenschein begrüsst. Wir haben herrlich in diesem riesigen Bett geschlafen, jedenfalls ich. Jürg träumte wieder von einem Absturz über die Kante in Eigernordwand-verdächtige Tiefen...

Freundlich werden wir im Frühstücksraum begrüsst. Das Hotel scheint ziemlich ausgebucht zu sein, die Tische sind fast alle besetzt. Stacey bringt uns die Karte. Man kann zwischen vier verschiedenen Frühstücksmenus auswählen. Ich entscheide mich für "stirred eggs", was nichts anders als ein gekochtes Ei ist, aber mit Käse überbacken. Dazu gibt es Toast und Marmelade. Es schmeckt wirklich lecker!

Heute wollen wir uns in den einsamen Norden Maines aufmachen. Ein Blick zum Fenster hinaus, zeigt uns aber genau in dieser Richtung dicke dunkle Wolken. Was soll's! Mit dem Auto verlassen wir Bethel und folgen eine Weile dem Androscoggin River, welcher eine beachtliche Breite hat. Auf dem Highway 2 geht's bis nach Rumford, einem grösseren Städtchen mit Industrie und von dort aus auf den Highway 17. Schon bald verlassen wir die Zivilisation mit den bestellten Feldern und gelangen in einsame Wälder, welche ab und zu von kleinen Dörfern wie Frye, Roxbury oder Byron unterbrochen werden. Die Leute haben sich wirklich einen einsamen Platz zum Leben ausgesucht. Landwirtschaft dominiert und man hat nicht den Eindruck als müsse man hier ein ärmliches Leben fristen. Die Häuser sind gepflegt wie auch die Gärten, davor hat es die üblichen Spielzeuge wie grosse 4x4 Trucks, Schneemobile und Boote.

Langsam verschwindet die morgendliche Sonne hinter dunklen Wolken, was aber auch dramatisch schöne Fotos gibt. Der schwarze Himmel und die vor allem goldenen Herbstbäume davor, leuchten in den schönsten Farben. Doch irgendwann ist fertig damit und wir fahren unter einer dunklen, nebelartigen Bewölkung. Immer weniger Zeichen der Zivilisation begleiten uns und stetig steigt der Highway in die Höhe. Die herbstlichen Bäume werden immer winterlich kahler.

hier ist der herbstliche Höhepunkt schon vorbei

hier ist der herbstliche Höhepunkt schon vorbei

Plötzlich haben wir die höchste Stelle des Highways erreicht und zu unseren Füssen öffnet sich ein fantastischer Weitblick! Sofort halten wir auf einem der Sightseeing Parkplätze und erschrecken über die eisige Bise, die uns um die Ohren weht. Wow, ist das kalt!

Der Ausblick ist atemberaubend. Wir erblicken eine weitläufige hügelige Wildnis, welche von endlosen Wäldern bedeckt ist. Unter uns befindet sich der Mooselookmeguntic Lake (wem wohl dieser Zungenbrecher eingefallen ist?) mit mehreren ebenfalls bewaldeten Inseln. Weit und breit ist kein Zeichen von Zivilisation zu erkennen. Ausser uns hält noch ein weiteres Auto und geniesst den Ausblick. Sonst sind wir wirklich mutterseelenallein. Im Buch vom Reiseautor Bill Bryson habe ich über den Appalachian Trail gelesen, welcher hier irgendwo verlaufen muss. Und plötzlich kann ich dem Autor nachfühlen wie es ist, durch endlose Wälder zu wandern und jegliches Gefühl für Zeit und Raum zu verlieren. Das wäre definitiv mein Untergang...

Blick über den Mooselookmeguntic Lake - einsame Wildnis

Blick über den Mooselookmeguntic Lake - einsame Wildnis

Uns zivilisationsgeschädigten Weicheiern reicht schon der eiskalte Wind um uns wieder ins warme Auto zu verziehen. Der Highway verläuft herrlich der Kante des Berges entlang, so dass man immer wieder schöne Ausblicke über den Norden Maines hat. Bei unserem ersten Halt hatten wir den Eindruck als ob der Herbst bereits über den Höhepunkt hinaus ist, der so genannte "past peak". Doch bevor der Highway hinunter zum See führt, sehen wir einen zweiten Aussichtspunkt. Sahen wir beim ersten nordwestlich über die Berge, gibt der Sightseeing Point hier den Blick mehr nordöstlich frei. Zu unseren Füssen liegt der Rangeley Lake. Der Reiseführer schwärmt vom Rangeley Lake State Park, welcher im Sommer ein Paradies für alle Naturfreunde ist. Schwimmen, Angeln, Vögel beobachten, Bootfahren und Zelten ist dann angesagt.

der Rangeley Lake

der Rangeley Lake

Obwohl nur ein, zwei Kilometer von unserem ersten Aussichtspunkt entfernt, leuchten hier die Bäume in einer ganz anderen Intensität. Unser Blick reicht bis an den Horizont über ein farbengesäumtes Baummeer. Gleich beim Parkplatz hat es riesige Birken und sonstige Laubbäume, die sich uns in den schönsten Farben präsentieren. Trotz dem wolkenverhangenen Himmel gibt es eindrucksvolle Fotos zu schiessen. Was für ein schöner Ort! Übrigens trennen uns hier noch ca. 50 Meilen Luftlinie von der kanadischen Grenze

Durch ein Farbenmeer schlängelt sich der Highway hinunter auf Seehöhe. In Oquossoc erreichen wir ein verschlafenes Feriennest mit vielen Wochenendhäusern, mit einer Tankstelle und einem Lebensmittelladen. Es hat immer noch Leute hier, die aber augenscheinlich damit beschäftigt sind, alles winterfest zu machen.

Unser Rundkurs führt uns um verschiedene Seen. Von Oquossoc geht der Highway nördlich am Lake Mooselookmeguntic vorbei und irgendwann streifen wir das nördliche Ende des Richardson Lakes. Die Gegend ist wirklich zum Schreien einsam! Das Fortschreiten des Indian Summers ist sehr unterschiedlich. An gewissen Orten scheinen wir mitten in der Blüte der herbstlichen Orgie zu sein und an andern hält schon langsam der Winter Einzug, sprich die Bäume sind bereits kahl. Ab und zu machen wir einen Halt um die reine, klare Luft einzuatmen, uns ein wenig die Füsse zu vertreten und natürlich Fotos von der herrlichen Landschaft zu schiessen.

An einem namenslosen einsamen Fluss erblicken wir den "past peak". Die Hügel (okay, für die Leute hier sind das Berge...) sind übersät mit geisterhaft kahlen Bäumen. Doch dazwischen gibt es immer noch Bäume, die ihre knallgelben Blätter festhalten und wie mahnende Finger erheben sich dunkelgrüne Tannen in dem Meer des Kampfes zwischen Herbst und Winter. Wir geniessen die Fahrt mit jedem Aspekt des Jahreswechsels!

Vom Highway 16 wechseln wir in Errol auf den Highway 26, welcher uns ans Südende des Umbagog Lake bringt. Da wir wieder südlich fahren, gelangen wir wieder in die Nähe der Schönwetterfront. Der Kampf zwischen Wolken und Sonne lassen schöne Stimmungen entstehen. Immer wieder erblicken wir Schilder, die zu Bootrampen führen. Das Gebiet muss wahrlich ein Sommerparadies für Ruhesuchende sein!

In einem verschlafenen Kaff namens Upton, welches erhöht einen schönen Blick über den Umbagog Lake bietet, erblicken wir eine Tankstelle mit einem kleinen Shop, der Essbares verspricht! Wir sind nämlich hungrig und möchten in der Grafton Notch ein Picknick machen. Der Laden ist zu süss! Einerseits kann man sich in einem altmodische eingerichteten Coiffeursalon die Haare schneiden lassen, andererseits sich mit dem notwendigsten an Esswaren eindecken. An einer Theke steht eine nette jüngere Dame, die uns leckere Sandwiches frisch nach unseren Wünschen zubereitet. Bei der Kasse stehen grosse Kaffeekannen, so dass wir uns gleich noch Kaffee leisten. Das alte Haus hat eine schöne Veranda, so dass wir unseren Kaffee dort geniessen. So kommt dem Kaffee nicht nur die Funktion der Koffeinzuführung zu, sondern auch dem Aufwärmen. Die Bise geht wirklich durch und durch!

Es geht weiter. Wir erreichen das Bear Valley und damit die schöne Grafton Notch. Eine Notch ist übrigens eine Schlucht. Und so geht die Fahrt durch dramatisch hohe Felsen hinunter ins Tal. Unterwegs laden immer wieder Wanderwege zu Touren ein. Auch der Appalachian Trail kreuzt hier unseren Highway. Auf einem grossen Parkplatz biegen wir zu einem der vielen Wasserfälle ab. Hier hat es ziemlich viele Leute. Nach unserer einsamen Rundfahrt schon fast zu viel! Auch Motorhomes blockieren mehrere Parkplätze, so dass wir immer wieder einen kurzen Blick hinein wagen, um zu schauen wie wir unsere Ferien nächstes Jahr verbringen werden.

Bevor wir uns hinter unsere Sandwiches machen, spazieren wir durch einen schönen Herbstwald zu einem Flüsschen. Überall hat es Picknicktische, die zum Verweilen einladen, wäre da nur nicht die Kälte! Wir spazieren dem Fluss entlang südwärts hinunter zu den Screw Auger Wasserfällen. Als harmlose Terrassen lassen die Felsen das Wasser gemütlich hinunterfliessen. Doch plötzlich verschwindet der Fluss zwischen hohen Felsbrocken und taucht viele Meter weiter unten tosend wieder auf. Als Höhepunkt finden plötzlich Sonnenstrahlen den Weg zu uns hinunter und lassen die Landschaft sofort noch schöner, noch intensiver erscheinen. Vorallem die farbenfrohen Herbstbäume entfalten ihre ganze Leuchtkraft und scheinen in den herrlichsten Rot- und Gelbtönen.

der Beginn der Screw Auger Wasserfälle

der Beginn der Screw Auger Wasserfälle

Doch die Freude über die wärmende Sonne ist nur von kurzer Dauer. So spazieren wir wieder zurück zu unserem Auto und geniessen die Sandwiches in unserem fahrbaren Untersatz. Und sie schmecken außerordentlich lecker!

Unsere Fahrt geht weiter durchs fruchtbare Bear Valley gesäumt von baumübersäten Hügeln. Immer wieder durchbricht die Sonne die Wolkendecke und bestrahlt gewisse Teile der wunderbaren Bäume wie mit einem Scheinwerfer. Was für schöne Stimmungen da entstehen! Jürg zeigt Geduld, wenn ich zum hundertsten Mal rufe: "Stopp! Ich muss fotografieren..."

Plötzlich erblicke ich Schild das die Abzweigung zu einer "Covered Bridge" zeigt. Die gedeckten Brücken sind in den Neuengland Staaten ein Muss. Vorallem seit dem Film "the bridges of Madison County" mit Merryl Streep und Clint Eastwood. Wer hat bei diesem romantischen Film keine Tränen verdrückt... Also haftet nun etwas absolut Romantisches an diesen Gebilden, und die wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen!

Okay, die Romantik ist mehr auf meiner Seite! Zum Glück halten bei der Brücke grad drei Oldtimer, so dass Jürg doch für eine Weile damit beschäftigt ist... Die Sonne hat uns definitiv gefunden! Herrlich wärmend scheint sie zu uns hinunter und rückt die Brücke ins richtige Licht. Für den Verkehr wurde sie gesperrt, aber man darf darüber laufen und hat herrliche Blicke den Fluss hinauf und hinunter, welcher natürlich von schönen Herbstbäumen gesäumt ist.

die malerische "covered bridge"

die malerische "covered bridge"

Man kann hinunter an den Fluss wandern. Viele Brückenverrückte haben das bereits getan und machen nun mit ihren Stativen professionelle Fotos vom richtigen Blickwinkel aus. Was die können, kann ich auch! Also nichts wie ab in den Wald und durch Sträucher hinunter an den Fluss. Hier hat man tatsächlich einen schönen Blick. Zwar verdecken Wolken grad die Sonne, doch ich habe ja Geduld und schon bald erstrahlt die schöne Brücke wieder im Sonnenlicht, so dass auch ich zu meinem schönen Fotos komme.

Auf unserem weiteren Weg nach Bethel erblicken wir die Abzweigung zum Sunday River Ski Resort. Dieses bekannte Skiresort hat acht Berghänge und über 100 Skipisten und ist in Neuengland einer der bekanntesten Winterskiorte. Überall gibt es Ferienwohnungen und Hotels, die aber erstaunlich naturfreundlich in die Wälder hineingebaut wurden. Irgendwie verpassen wir die richtige Abzweigung zu den Liften und gelangen versehentlich zum mondänen Golfhotel. Nicht übel der Schuppen! Irgendwie bringen wir es auch hier zustande vom Weg abzukommen. Und so befinden wir uns mit dem Auto plötzlich auf einem Gehweg und erreichen über einen Trottoirabsatz wieder die Strasse. Oi oi ... wenn uns da nur niemand beobachtet hat. Peinlich...

Wir versuchen es nochmals und finden tatsächlich die Talstation der Sesselbahn, die zu dieser Jahreszeit noch in Betrieb ist. Doch leider stellt die Bahn schon um vier ihren Betrieb ein. Es ist halb vier und damit die Zeit zu knapp für eine Fahrt hinauf auf den Berg.

Also fahren wir zurück nach Bethel. Die Bäume hier sind auf dem absoluten Höhepunkt ihrer herbstlichen Blütezeit und entsprechend brechen wir immer wieder in Begeisterungsrufe aus! Indian Summer ist wirklich eine unglaubliche Zeit!

Es ist in der Zwischenzeit halb fünf und wir sind hungrig! An der Mainstreet gibt es ein Shoppingcenter, wo wir uns mit Hähnchen, Salat und Teigwaren eindecken. Die Frische-Theken sind wirklich was praktisches. Müde begeben wir uns ins Hotel auf unser Zimmer und geniessen dort das leckere Abendessen. Jürg hat seine Lieblingssendung im TV entdeckt: True Story! Endlose Filme von Polizeieinsätzen, vorallem Verfolgungsjagden. Wuäh... Wir einigen uns darauf, das er bis acht Uhr das schauen kann, dann bin ich daran mit der Programmwahl. Und so begleitet uns dann die Titanic mit Kate Winslet und Leo di Caprio bis wir frühzeitig einschlafen.

© Franzi S., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Alle schwärmen vom Indian Summer in den Staaten. Wir wollten es mit eigenen Augen sehen... und wurden nicht enttäuscht!
Details:
Aufbruch: 26.09.2008
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 17.10.2008
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Franzi S. berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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