Auf nach Peru
Machu Picchu
Die pure Freude
Ein Sonnenstrahl erhellt einen der hohen Berge, die Aguas Calientes einrahmen. Hoch oben erwacht der Tag am Himmel. Wir steigen um halb sieben in einen der Busse, die nonstop die steilen Serpentinenstrasse hinauf fahren und die Touristen zum Eingang nach Machu Picchu bringen. Das die Strasse unbefestigt ist und die Busse uns hinauf rütteln kann uns nach der gestrigen Fahrt nichts mehr anhaben. Zu sehr sind wir gespannt auf die alte Inkastadt.
Cesar begrüsst uns beim Eingang und führt uns hinein und hinauf. Die ersten Stufen sind anstrengend, es geht durch den Wald hinauf zum ersten Aussichtspunkt, zum klassischen Fotopunkt.
Und dann stehen wir da, atemlos, überwältigt vom Blick über die geheimnisvolle letzte Stadt der Inkas, die vor uns in den ersten Sonnenstrahlen des Tages erstrahlt.
Kann ein Tag schöner sein?
Cesar erzählt von der zufälligen Entdeckung durch Hiram Bingham, der einem kleinen Jungen etwas Schokolade schenkte, worauf dieser ihm den Zugang zu der geheimnisvollen Stadt zeigte. Allerdings war Bingham nicht von Anfang an bewusst, was er da entdeckt hatte, denn der Dschungel hatte alle Gebäude längst überwuchert. Später kam er zurück und erforschte die Mauern.
Er glaubte, dass vor allem Frauen hier wohnten und brachte das Gerücht der Inkaprinzessinnen oder der Jungfrauen für den Inka in Umlauf.
"Tatsächlich war es aber so, dass er für jeden Schädel, den man ihm brachte, der Bevölkerung einen Soles zahlte, und dass die Knochen sehr einfach zugeordnet wurden. Man zerbrach sie, weiche Knochen = Frauen, harte Knochen = Männer. Die Definition entbehrte jeder Grundlage. Heute untersucht man die Knochen wissenschaftlich und es stellt sich heraus, dass zur Hälfte Männer wie Frauen da wohnten".
Cesar hat hier nicht nur als Führer gearbeitet, sondern auch als Teilnehmer von wissenschaftlichen Ausgrabungen. Er kann daher sehr viele interessante Details zeigen. Sei es an Steinen oder in wissenschaftlichen Theorien. "Er hat den Steinen Leben gegeben", meint Werner später.
Annemarie im Stadteingang - Foto: Werner
Cesar erzählt, dass heute vieles in Machu Picchu rekonstriert sei. Vieles ist wissenschaftlich untermauert und mit den Steinen wieder aufgebaut, die hier gefunden wurden. Anderes ist lieblos gebaut worden, weil Arbeiter am Werk waren, die keinen wissenschaftlichen Hintergrund hatten und nur Befehle ausführen.
Heute darf nichts mehr rekonstruiert werden. Es gibt nur noch Renovationen von bestehenden Gebäuden.
Er erklärt uns die Unterschiede von Lagerhäusern mit vielen Fenster für die Durchlüftung und Wohnhäusern, die wenig Fenster haben, weil man darin nur geschlafen hat. Dafür brauchte es kein Licht, aber Wärme, die ohne Fenster bessern behalten wird.
Wohn- und Lagerhäuser wurden mit einfach zugehauenen Steinen gebaut, wohingegen die Tempel mit fein geschliffenen Steinquadern erstellt wurden.
Wir besuchen den Tempel des Condors der in der Form eines riesigen Condors mit zwei Flügeln angelegt ist. Man hat behauptet, dass hier ein heiliger Condor gehalten und gefüttert wurde, doch Cesar verneint. In der engen Stelle könnte ein Condor nicht mehr starten. Er braucht Thermik und viel Platz zum Fliegen.
Ganz oben ist das astronomische Zentrum mit der Sonnenuhr. Der fein geschliffene Stein wurde oft von Gruppen als Kraftstein benutzt und es gab früher Touristengruppen die sich um den Stein aufgestellt haben und ihre Hände darauf legten. Seit ein paar Jahren darf man ihn daher nicht mehr berühren und seit kurzem ist er gar mit einem Seil abgetrennt.
Tempel des Condor - Foto: Beat
Die Sonnenuhr - ein Kraftort
Foto: Werner
Sonnentempel von oben
Langsam führt uns Cesar durch die ganze Anlage.Erzählt da eine Episode, macht auf einen Riss, eine Kerbe aufmerksam und gibt uns genügend Zeit zum Duchatmen, zum fotografieren.
Den fotografieren muss man. Eigentlich ist es ganz egal, wohin man die Kamera richtet, jedes Sujet, jeder Winkel ist fantastisch.
Es gibt einen kleinen botanischen Garten wo unter anderem Orchideen blühen. In einer Nische im Tempel ganz oben entdecken wir ein kleines Tier. Ein Chinchilla, erklärt Cesar, eine Art Hasenmaus, die von ihrem sicheren Platz aus sie Touristen freundlich beobachtet.
Ein Chinchilla hat sich in den Ruinen eingenistet.
Von weitem grüssen die Schneeberge und über allem breitet sich ein klar blauer Himmel aus. Nur ein paar kleine weisse Wolken unterbrechen das strahlende Blau. Es ist heiss, nach und nach ziehen wir alle unsere Jacken und Pullover aus.
Rundum sind wir umgeben von geheimnisvollen steilen Bergen die bis auf die Spitze mit undruchdringlichem Dschungel überwachsen sind.
"Bestimmt gibt es hier noch mehr Dörfer, denn die Arbeiter, die diese Stadt gebaut hatten, mussten in der Nähe sein, durften aber nicht hier wohnen, da diese Stadt nur den Privilegierten und Oberen vorbehalten war", erklärt Cesar und weist auf Striche in den gegenüberliegenden Hängen hin. Da könnten noch nicht entdeckte Stadtmauern versteckt sein.
Mit den beiden Reiseführern: Cesar und René M. - Foto Beat
Der Tempel der drei Fenster
Das Wächterhaus
Cesar erklärt die verschiedenen Arten von Terrassen. Auf den einen wurden Gemüse und Früchte angebaut. Auch mit Coca wurde experimentiert, obwohl der auf dieser Höhe nicht wirklich gut gedeiht. Wir sind auf 2400 m.
Andere Terrassen dienen der Sicherung des Geländes. Sie sind vor allem auf der steilen anderen Seite der Stadt angebracht und sichern vor Abbrüchen.
Im kleinen Gärtchen wachsen sogar Orchideen
Unerklärlich, wie diese Mauern entstanden sind.
Der Tempel der Pacha Mama
Das Herz im Tempel der Pacha Mama
Das Wächterhaus
Nachdem Cesar seine offizielle Führung abgeschlossen und sich von uns verabschiedet hat, können wir das Gelände auf eigene Faust erkunden. Wir haben für alle den Aufstieg nach Wayna Picchu, dem Berg der 400 m über der ganzen Anlage thront, gebucht. Nur wenige Besucher dürfen täglich hinauf und bei uns entscheiden sich Beat, Werni und René, die Herausforderung anzunehmen.
Noch liegt die steile Westflanke im Schatten, als die drei den Einstieg in Angriff nehmen.
Wir anderen streben derweil dem Eingang zu, wo eine kleine Snackbar auf uns wartet und wir uns erfrischen können. Danach nehmen ein paar den Weg zum Sonnentor unter die Füsse, andere, zu denen auch ich gehöre, setzen sich noch einmal irgendwo hin, geniessen, lauschen, schauen, träumen.
Beat, Werni und René wollen den Wayna Picchu bezwingen
Der Einstieg zum Wayna Picchu Foto: Doris
Geschafft - die drei Gipfelstürmer auf dem Wayna Picchu Foto: Beat
Die Aussicht ist überwältigend. Man erkennt die Serpentinenstrasse, die von Aguas Calientes hinauf führt.
Foto: Beat
Ein nicht alltäglicher Blick auf Machu Picchu vom Wayna Picchu. Foto: Beat
Der Wayna Picchu war ihnen noch nicht genug. Unsere Männer wollen heute alles sehen. Kaum zurück von der schwindelerregenden Tour, nehmen sie auch noch den Weg zur alten Inkabrücke und zum Sonnentor auf sich.
Auf dem Weg zur Inkabrücke. Foto: René M.
Inkabrücke Foto: René M.
Die Aussicht von der Inkabrücke
Foto: Beat
Auch das Sonnentor ist geschafft - hinten erkennt man den Wayna Picchu
Foto: Beat
Vom Sonnentor - Foto: Beat
Foto: Beat
Die Wasservorräte werden an der Quelle aufgefüllt.
Irgendwann fahren wir zurück ins Tal. Jeder bestimmt selber, wann er zurück will, denn René M. und ich sind der Meinung, dass Machu Picchu der Höhepunkt der Reise ist, und wir den Teilnehmern genügend Zeit geben wollen, selber zu entscheiden, wie lange sie an diesem einmaligen Ort verweilen wollen.
Nicht so wie die ganz eiligen Touristen, die am morgen mit dem Zug herfahren, den Tag in der Inkastadt verbringen und am gleichen Tag wieder abreisen.
Aguas Calientes, der Ort, der nur dank den Touristen entstanden ist, ist ein sehr pittoresker Platz. Eigentlich gibt es hier nur Hotels in allen Preislagen, unzählige Restaurants mit den verschiedensten Angeboten und Souvenirläden.
Bauregeln scheint es hier keine zu geben, die Gebäude sind wirr durcheinander gebaut und kaum eines ist fertig gestellt. Es scheint, dass je nach Saison immer wieder einmal ein Stock aufgebaut wird.
Und mitten durch den Ort rauscht der Fluss über die Steine. Es ist der Urubamba, der später zum Ucayali wird und sich unter diesem Namen bei Castilla, wo wir vor ein paar Tagen die Schule besucht haben, mit dem Maranon zum Amazonas vereint.
Shoppen - immer wieder eine beliebte Beschäftigung - Foto: Werner
Für den Abend hat René M. einen Tisch im "Indio Feliz" reserviert. Der Name "glücklicher Indio" passt zu unserer euphorischen Stimmung und das Essen ist phänomenal.
Anstossen auf einen unglaublich fantastischen Tag, der kaum mehr zu überbieten ist.
Auf dem Heimweg begleitet uns der Mond, der hier auf dem Rücken liegt.
Foto: Beat
René Meier, unser Reiseleiter.
Damit keine Verwirrung mehr entsteht, werde ich ihn in Zukunft René M. nennen.
Aufbruch: | 23.08.2014 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 12.09.2014 |