Frankreich - Spanien 2013
Auvergne (Frankreich) - Streckenverlauf: Thiers - Ambert - Cunlhat
3.09.2013 - 5. Tag - Thiers - Ambert - Cunlhat
3. September 2013 - Dienstag - 5. Tag
Campingplatz Les Ombrages, Platz Nr. 13 - Dallet, Auvergne (Frankreich)
Dallet - Thiers -Saint Genes - Ambert - Saint Jean - Cunlhat - Saint Martin - Dallet
Fahrzeit: 6 Stunden, 128 Meilen - 207 km
Der Wecker schellt um 7.30 Uhr. Rolf fährt mit dem Fahrrad ins Dorf, Baguette holen. Ganz schön anstrengend, ca. 3 km, bergig. Unser Frühstück können wir in der Sonne genießen, die Entenscharen leisten uns Gesellschaft. Doch in diesem Jahr sind sie sehr schreckhaft.
Gegen 10 Uhr starten wir, Richtung Thiers. Wir suchen in der Altstadt nach einem Parkplatz. Da kommt ein älterer Herr aus seiner Garage und bietet uns an, dass wir vor der Garage parken dürfen, er sei jetzt unterwegs und wir könnten bleiben, solange wir wollen. Immer wieder sind wir von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen in dieser Region beschämt. Der alte Franzose war früher mal in Deutschland und kann noch einige Worte Deutsch.
Wir nehmen das freundliche Angebot gerne an und machen uns auf, wieder einmal die "Stadt der Messer" zu durchstreifen. Auch in diesem Jahr erstehen wir in einem kleinen Laden einige Messer und Steak-Bestecke, als Geschenk für unsere Freundin Sandra, die während unserer Abwesenheit unser Haus hütet. Rolf liebäugelt mit einer Uhr, kann sich aber nicht zum Kauf entschließen.
Dann wandern wir zur Eglise Saint-Genes, dies ist ein stark veränderter, ursprünglich romanischer Bau aus dem 11./12. Jh. Die Kirche besitzt die größte Vierungskuppel der Auvergne. Wir haben mal wieder Glück und können auch das Innere anschauen und fotografieren. Was ich ganz interessant finde, ist der moderne Kreuzweg und eine Statue, die irgendwie ägyptisch ausschaut!
Wir durchstreifen die alten Gassen mit ihren schönen Häusern und Geschäften, die Geschäfte mit Messern haben es Rolf angetan, während ich mich mehr für Krimskramsläden interessiere.
In der Rue de la Coutellerie finden sich wunderschöne Wohnhäuser: Nr. 14 mit freizügig skulptierten Konsolen aus Holz, Nr. 21, Maison de l'Homme des Bois, das Haus des "Waldmenschen", stammt aus dem 15. Jh. und ist mit einer affenähnlichen Figur geschmückt.
Thiers ist keltischen Ursprunges. Eine erste Siedlung am linken Durolle Ufer wurde 532 von den Franken zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte auf dem rechten Ufer des Flusses im heutigen Altstadtviertel und ist bereits seit Jahrhunderten das Zentrum des französischen Messerschmiedehandwerkes.
Die Legende erzählt, dass Kreuzritter nach dem ersten Kreuzzug das Geheimnis der Messerschmiedekunst aus dem Morgenland mitbrachten. Seit dem 14. Jh. ist die Eisenverhüttung in Thiers heimisch. Die Erzeugnisse wurden nach Spanien, Holland und in die Lombardei ausgeführt. Klingen jeder Art wurden auf den von der Durolle angetriebenen Schleifsteinen bis zur Perfektion geschliffen. Heute verfügt man über moderne Produktionsmittel, doch es haben sich neben den bedeutenden Fabriken fast 300 kleine Messerschmieden und Handwerksbetriebe gehalten, mehr als 5.000 Menschen sind in den Coutelleries beschäftigt.
Neben Schneidwaren aller Art werden chirurgische Instrumente, Kunststoffartikel, Bestecke, Küchengeräte, Geschirr, Formdrehteile und Zubehör für die Autoindustrie in Thiers hergestellt.
Überall in der Stadt finden sich Metallskulpturen zeitgenössischer Künstler. Dank einer hervorragenden Altstadtsanierung säumen malerische Fachwerkhäuser aus dem 15., 16. und 17. Jh. die engen, kurvenreichen Gassen, die größtenteils den Fußgängern vorbehalten sind.
Gegen 11.30 Uhr verlassen wir die schöne Stadt, D 1089, Richtung Boen, bis Leigneux, eine Kurve nach der anderen, D 6, vorbei an Chateau Chalmazel (13./14. Jh.), über Col du Beal, 1.390 m, durch einen dunklen, unheimlichen Wald, über eine helle Lichtung, von der man einen phantastischen Blick über die Landschaft hat.
Unterwegs beobachte ich, dass einige Menschen ihre Wäsche zwischen zwei Laternen zum Trocknen aufgehängt haben, wieder andere haben ihren Wäscheständer mit Wäsche nicht im Garten stehen, sondern direkt vor der Haustür. Warum wohl? Weil dort die Sonne besser hin scheint? Ich habe keine Ahnung und Rolf hat mir strikt untersagt, zu fragen. Er meinte, das ginge denn doch zu weit ...
Über den Col du Beal D 40 bis Job, dann geht es weiter auf D 66 bis Ambert.
Zwischen den Bergen des Livradois und den Monts du Forez erstreckt sich eine breite Ebene, in deren Mitte Ambert liegt. Zu Reichtum kam der Ort durch die Fertigung von Papier, beginnend im 15. Jh. Wichtigster Abnehmer war Lyon, die Stadt der Drucker.
Doch auch in Ambert forderten die Religionskriege ihre Opfer. Im Febr. 1577 fiel der berühmt-berüchtigte Hugenottenführer Merle in die Stadt ein und richtete ein Blutbad an. Die Katholiken versuchten, Ambert zurückzugewinnen. Merle, der nicht genug Männer hatte, die Stadt zu halten, griff zu einer List. Er ließ den aus den Kirchen des Ortes entnommenen Statuen Helme aufsetzen und auf der Stadtmauer aufstellen. So glaubten die Angreifer, dass die Verteidiger, nicht zu bezwingen seien und zogen sich zurück. Erst später fiel die Stadt wieder an die Katholiken zurück.
Ambert war auch die Heimat zahlreicher Genies: der Mathematiker Michel Rolle, der Komponist Emmanuel Chabrier, der Dichter und Gelehrte Maurice Faucon, der Dichter und Humanist Pierre de Nolhac etc. Henri Pourrat - 1887-1959 - legte Zeugnis ab vom Leben der Bauern. Sein Werk ist das eines Geschichtenerzählers (Le Tresor des Contes).
In Ambert treffen wir um 13.30 Uhr ein und machen Kaffeepause in einem kleinen Bistro, direkt an der Kir-che. 2011 waren wir schon mal da. Inzwischen gibt es einen neuen Besitzer und neue Stühle und auch die Toilette wurde renoviert, ich habe ein Bild gemacht, muss man gesehen haben. Wieder spricht uns ein älterer Herr an, der nicht nur das Motorrad bewundert, sondern uns auch erzählt, dass er mal mit der Armee in Münsingen (Baden-Württemberg) stationiert war. Wie klein doch die Welt ist ...
Wir schauen uns nun die Eglise St-Jean an. Die Kirche, zwischen 1471 und 1518 erbaut, gehört - bis auf einige Teile - der Zeit der Spätgotik an. Außen an der Fassade sieht man die leeren Nischen, wo die Statuen standen, die der Hugenottenführer Merle für seine List missbrauchte. Auch diese Kirche ist geöffnet und wir können uns in aller Ruhe umschauen.
Danach machen wir einen Spaziergang durch die alten Gassen. In einem Bistro entdecke ich eine furchteinflößende Gestalt - sieht aus wie ein Alien, also schnell ein Foto gemacht. Auch ein Denkmal in Gestalt eines Engels für die Gefallenen gefällt mir sehr gut. Außerdem gibt es eine neue moderne Skulptur, die vor der Kirche steht.
Nachdem wir alles angeschaut und fotografiert haben, geht es um 14.30 Uhr weiter, D 996, über Col des Fourches, 970 m, Col du Tontee, 996 m, die Landschaft wechselt, mal dunkler Wald, mal helle Lichtungen. Wir biegen ab auf D 105 und erreichen gegen 15 Uhr Cunlhat.
Cunlhat, heute ca. 1.300 Einwohner, liegt im regionalen Naturpark Livradois Forez, auf ca. 700 m Höhe. Der Ort entstand aus einer gallo-römischen Besiedlung. Benediktiner-Mönche gründeten dort im Mittelalter eine Abtei, deren Kirche heute Pfarrkirche ist - die Kirche St. Martin. Sie gehört seit 1912 zu den historischen Denkmälern Frankreichs. Von 1988 bis 2001 fand in Cunlhat das größte europäische Harley-Davidson Treffen statt.
Nicht nur die schöne alte Markthalle gefällt uns in Cunlhat, nein, auch die romanische Kirche Saint Martin, die wir uns anschauen. Unter der bemerkenswerten Kirche liegen Mönche und Mitglieder der Familie Montboissier Terraules begraben. Diese Familie gehörte früher zu den reichsten Landesherren.
Wir verlassen den historischen Ort, D 997 und sind zurück am Campingplatz gegen 16 Uhr, nach 6 Stunden, 128 Meilen (207 km). Heute hat Rolf Service-Tag, d. h. Frischwasser laden, Abwasser- und Toilette reinigen.
Das Wetter ist herrlich und so können wir unser Abendessen wieder draußen genießen: Kabeljau, Zucchini, Salat, Baguette, Bananen, Pfirsiche und Weißwein.
12 Enten kommen zu Besuch, 10 weibliche Tiere und 2 Erpel. Sie picken alle Krümel auf und Rolf muss sein restliches Brot, was er noch zum Käse braucht, regelrecht verteidigen. Ein schöner Abend.
Die Invasion der Holländer ist noch da. Merkwürdigerweise sind die meisten recht unfreundlich, seltsam, denn normalerweise sind gerade die Holländer sehr nett. Nachdem die Enten den letzten Krümel verputzt haben, ruft eine zum Abmarsch. Wir sind allein, nur das Rauschen des Flusses ist zu hören.
Aufbruch: | 30.08.2013 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 19.10.2013 |
Spanien