Kuehe, Kinder, Katastrophen -Alleine in Indien

Reisezeit: Oktober 2005 - April 2006  |  von Juljenka P.

Ein Tag mit mir

Hi du!
Ich bin heute aufgewacht und habe mir ueberlegt, wie schoen es waer, wenn du dich fuer einen Tag in mein Leben nach Indien beaemen koenntest. Dann waeren wir gemeinsam auf dem Dach unter freiem Himmel aufgewacht und wuerden uns gemeinsam aergern, dass man an unserem Strand nicht schwimmen kann. Danach waeren wir zur Feier des Tages Masalla Dosa fruehstuecken gegangen und ich haette dir erklaert, dass man sich an fettiges, scharfes Fruehstueck genauso gewoehnt wie daran, dass der Kaffe erst kommt, wenn man mit essen fertig ist. Ist halt so.
Wir wuerden gemeinsam mit dem Bus zur Arbeit tuckern und vielleicht wuesstes du ja eine Antwort auf die Frage, wie sich der Ticketverkaeufer all die Gesichter merken kann, die er schon abkassiert hat.
Bereits auf dem Weg zur Arbeit faendest du es unertraeglich heiss und wuerdest mich dafuer hassen, dass ich dich gezwungen habe aus kultureller Sensibilitaet lange Hodsen zu tragen. Du waerst wahrscheinlich fasziniert von den kleinen Shops, die kaum groesser sind als Reisekoffer und in denen die Shopbesitzer trotzdem auch wohnen. Vielleicht auch ein bisschen geschockt, wenn der Verkaufer dich mit blutroten Zaehnen anlaechelt. Die Kaudrogen, die dieses Erscheinungsbild verursachen kosten zwei Cent und sind leider weit verbreitet. Ich wuerde der Kuh, die am Strassenrand steht wahrscheinlich kaum Beachtung schenken und wearend du ein Foto von ihr machst, den ich besten Moment abwarten um unbeschaedigt von Rikshas und Scooters die Strasse zu ueberqueren. Wir wuerden erstmal Chai trinken, da unsere Anweiser sich nach indischer Zeit richten und diese sehr dehnbar sein kann. Warten ist also angesagt.

Nach einigen interessanten Diskussionen ueber Geschlechtskrankheiten und Familienplanung (fuer dich erstmal schwierig, weil du ja noch nicht weisst, was Schleimhaut auf englisch heisst), wuerden wir wie jeden tag thali essen. Dafuer zahlen wir umgerechnt knapp vierzig cent und bekommen zwei Fladenbrote mit verschiedenen Sossen und Reis. Ich keonnte dir dann erklaeren, wie und warum man ausschliesslich mit der rechten Hand isst und du wuerdest das Essen bestimmt genauso lieben, wie ich! Danach geht es in einem vollbepackten Bus in Richtung Waisenheim. Die Kinder, die dort leben, wurden teilweise misshandelt, haben ihre Eltern wegen Aids verloren oder sind selber HIV positiv. Das ist hart. Wir koennten uns dann wenigstens gegenseitig davon abhalten, sie heimlich mit nach Hause zu nehmen. Am meisten Spass bringen ihnen unsere Digicameras. Wir vergessen also zwischen Frisbee und Schokokeksen die Zeit und findens schade, dass wir so schnell wieder gehen muessen. Im Bus vorbei an Muellhalden und Luxushotels fragen wir uns, was diese Kinder fuer einen Tag im Holidaypark geben wuerden, waehrend wir wie immer von allen anderen Passagieren neugierig beaeugt werden.
Nachdem wir die Einkaeufe fuers Fruehstueck und die Abrechnung gemacht haettn, wuerden wir noch einmal mit meiner ganzen Truppe das Streetplay ueben und du faendest bestimmt grossen Gefallen daran, mich in meiner Rolle als "Captain Condom" zu sehen.
Bei einigen suendhaft billigen Gin-Tonics wuerden wir gemeinsam den Tag mit geilem Essen ausklingen lassen und dich dann zufrieden nach Hause beamen. Weil den morgigen Tag...den muss ich wieder alleine erleben. Du waerst hoffentlich genauso begeister von diesem wunderbaren Land und haettes genauso viel zu erzaehlen wie ich.
Nun j aund wenn du nicht kommen kanst, weil dein Beamer gerade nicht funktionniert, dann freue ich mich wenigstens darueber, dass du dir so viel Zeit genommen hast meinen Bericht zu lesen und sende dir ein Namaste.

© Juljenka P., 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Von Tsunamiopfern, Aidsaufklaerung und Gurus, von Sueden nach Norden und Osten nach Westen. Zum Reisen und Arbeiten in ein Land, in dem immer alles anders kommt, als man es erwartet...
Details:
Aufbruch: 01.10.2005
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.04.2006
Reiseziele: Indien
Nepal
Thailand
Malaysia
Laos
Der Autor
 
Juljenka P. berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.