Kuehe, Kinder, Katastrophen -Alleine in Indien
G wie Gastfreundschaft
Ich hatte es ueber dem ganzen Frust aufgrund der Tsunamimisere fast vergessen, was ich so liebe in diesem Land. Das G wie Gastfreundschaft, bzw H wie hospitality ist mit Deutschen Sitten nicht zu vergleichen. Ich schlendere also so durch die Strassen, auf der Suche nach gar nichts, als ein bischen Ruhe an meinem freien Nachmittag. Alle anderen sind ins Kino gegangen, um sich eine Schnulze (man mische eine Hochzeit, eine Kampfszene, Eifersucht und ein bisschen westlichen Flair mit viel Kitsch und Tanz) auf Tamil anzuschauen.
Wie selten kommt es schon mal vor, dass ich gar nichts zu tun habe? Ich geniesse deshalb also die Freiheit und schlendere die Strasse auf und ab, als mich ploetzlich ein indisches Maedchen anspricht. Erstmal der nette Klassiker, woher ich komme und wie ich heisse und konsorten. Normalerweise verdruecke ich mich immer schnell nach solchen Smalltalks aber heute habe ich die Einladung auf einen Kaffe angenommen (man hat ja Zeit). Das Maedchen heisst Shiva und ist eine extrem aufgeweckte Medizinstudentin. Wir quatschen also freundschaftlich, waerend ich omnioese Suessigkeiten serviert bekomme. Die ganze Nachbarschaft ist gekommen, um zu sehen, wer denn da so auf dem Sofa sitzt. Es wird geschaekert und gelacht. Sofort habe ich das Familienalbum und saemtliche Kinder auf dem Schoss. Nach ca einer Stunde laed Shiva mich ein, sie zu ihrer Tanzstunde zu begleiten, wo ich Bollywoodtanz vom Feinsten zu sehen bekomme und als wir wieder zu Hause sind, ist die Familie aus dem Haeuschen. Die Mutter fragt mich, ob ich denn ein Foto mit ihr schiessen wuerde und wir beschliessen, uns dafuer schick zu machen. Ein teurer Sari wickelt sich wie von alleine um meine Hueften und prompt klebt ein Bindi auf meiner Stirn. Die Familie besitzt ein Modeschmuckgeschaeft und macht mir selbstverstaendlich ein kitschiges Paar goldener Perlenohrringe inklusive passender Kette zum Geschenk. Mit acht anderen Frauen style ich mich auf und lache. Ich lerne einige Tanzschritte und diniere schliesslich das feinste Essen der Welt, bevor ich samt Eskorte heimkutschiert werde. Und das alles nur, weil ich mal einen Nachmitag nichts zu tun hatte nd urch die Strassen schlendere. Ich habe noch nie solche Herzlichkeit und Offenheit erlebt, wie in diesem Land und sie ist in Indien einfach selbstverstaendlich. Man hat Zeit oder nimmt sie sich eben. Wenn ich zu Hause waer, wuerde ich mich vor Weihnachtsstress und Organisationswut wahrscheinlich foermlich ueberschlagen, waerend ich mich hier einfach treiben lassen und viel Zeit zum Nachdenken finde. Das ist ein Luxus, den ich vielleicht nie wieder bekomme und ich versuche ihn nicht zu verschwenden.
De Stimmung hier und die unbeschreibliche Einzigartigkeit machen mich gluecklich. Und vielleicht schaue ich mir dann ja naechstes Wochenende die Schnulze an, die soll naemlich gar nicht so schlecht gewesen sein, sagen zumindest die anderen(und sind trotzdem auf meinen neuen Schmuck eifersuechtig.)
PS: Habe heute Bilder gesehen, die traumatisierte Tsunamikinder gemalt haben. Vermisste Geschwister, zerstoerte Haeuser und elende Zukunftsvisionen. Das Projekt geht mir immer mehr an die Nieren, je mehr ich die Menschen hier lieben lerne und je mehr ich die Katastrophe begreife. Schon seltsam, wie mich das ganze vor einem Jahr kaum beruehrt hat und jetzt so dominiert. Ich weiss, das auch mein Mitgefuehl vorbei geht und ich nicht als Mutter Theresa nach Hause kehren werde, trotzdem schafft es irgendwo in mir drin ein ehrliches Bewusstsein dafuer, wie gut es mir geht. Ich wehre mich auch innerlich, gegen die ganzen alltaeglichen Zeichen der Armut allzu sehr abzuhaerten. Bettelnde Kinder und Menschen, die mitten auf der Strasse in einen Fetzen gehuellt schlafen, sind nun mal nicht normal!
Trotzdem Gute Nacht...
julia
Aufbruch: | 01.10.2005 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.04.2006 |
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