Kuehe, Kinder, Katastrophen -Alleine in Indien

Reisezeit: Oktober 2005 - April 2006  |  von Juljenka P.

Bomben, Soldaten und Nepal

Ich weiss gar nicht, was ich sagen soll. Zwischen Soldaten und Bomben bekommt die Reise in den letzten Tagen einen merkwuerdigen Beigeschmack. Zuallererst: mir geht es gut.
Aber von vorne. Nach Delhi habe ich noch zwei Tage in Varanasi verbracht, der heiligsten Stadt Indiens. dort badet jeder Hindu einmal in seinem Leben im Ganges und dort verbrennen sie die Leichen vor den Augen jedes Touristen. Ich haette nicht gedacht, dass ich wirklich so nah an die brennenden Koerper herankomme und das Gefuehl ist kaum zu beschreiben. Wer in Varanasi stirbt und am Ganges verbrannt wird, hat sozusagen die Eintrittskarte zum Pardies erworben, keine Wiedergeburten mehr, sondern Flucht aus dem lebenskreis. Trotzdem scheint mir die Vorstellung an diesem dreckigen Fluss zwischen den dunklen Gestalten und einigen Touris zu enden wenig attraktiv. Varanasi ist nicht nur die heiligste Stadt, sondern auch die dreckigste und die indischste. Ueberall sind Kuehe, ueberall Faekalien, und ueberall Menschen.
Ein kroenender Abschluss meines Indienaufenthaltes sozusagen.
Am letzten Abend, als Andrea, Katharina und ich voellig normal durch die strassen getingelt sind, auf der suche nach essen, sind uns ploetzlich Massen an Menschen auf der Hauptstrasse entgegengestuermt. In Indien denkt man sich nicht viel dabei, wenn viele Menschen auf der Strasse sind und hektisch ist es sowieso fast immer, aber als wir spaeter zu unserem Hotel zurueckwollten und uns der Weg von Polizisten versperrt wurde, die erzaehlten, dass eine Bombe explodiert sei, erklaerte sich die Hysterie. Ein Anschlag auf einen Tempel, und zwei auf den Bahnhof waren in der Zwischenzeit veruebt worden. Ich weiss nicht, wieviel davon in den deutschen Nachrichten zu hoeren war, aber die Tatsache, dass eine religioese Staette attakiert wurde, laesst sich nur schwer erklaeren. 26 Tote und viele Verletzte. Ich war noch nie so nahe an etwas vergleichbarem dran. Dabei ist Indien ein so friedliches Land. Immerhin war es der letzte Abend in Indien und am nacechsten Tag habe ich die Reise nach Nepal gestartet. Auf der unendlich langen Busfahrt sind mir nochmal all die Bilder durch den Kopf gegangen. Diese wunderbare Reise, durch ganz Indien, die unzaehligen Orte, die kleinen und grossen Wunder, die strapazioesen Reisen und die Menschen, die mich begleitet haben. Nach Nepal ging es alleine. Von Katharina und Andrea, die mir so ans Herz gewachsen sind, habe ich mich schweren Herzens verabschieden muessen. Und ich muss zugeben, dass ich auch mein Indien mit einer klitzekleinen Traene im Auge verlassen habe ( OK einer grossen Traene!).

Auf dem Dachen eines nepalesischen Busses habe ich die zweihundert Kilometer nach der Grenze am naechsten Tag in geschlagenen 10 Stunden zurueckgelegt. Schuld dran sind nicht nur die fuerchterlichen Strassen und Serpentinen sondern vor allem die Checkpoints der Sodaten. Immerhin wird man mit atemberaubenden Landschaften und einem Sonnenbrand entlohnt.ICh begreife nur langsam, was in diesem Land vor sich geht, aber ich begreife es.An jeder Strassenecke stehen bewaffnete, volluniformierte Kinder, die vor den rebellischen Maoisten schuetzen sollen. Die meisten sehen so aus als seien sie zwischen 16 und 20 und starren den ganzen Tag ununterbrochen in die Luft. Ich weiss nicht so ganz, ob ich mich dadurch sicherer fuehlen soll, oder einfach nur Angst habe. Beide Seiten haben offiziell gesagt, dass TOuristen nicht das Ziel seinen und deshalb relative Sicherheit geniessen. Hier in Pokhara ist alles auf Touristen ausgelegt: wunderschoene Restaurants am See, Reisebueros, Internet, hunderte Hotels, Souvenirshops etc. und trotzdem sind kaum Touristen hier, um sieben muessen alle in den Haeusern sein und ab zehn ist auch in der Touristengegend Ausgangssperre. Ich wuerde so gerne Fotos machen, um die ganze Situation zu dokumentieren, aber ich traue mich nicht. In vier Tagen beginnt ein Transportstreik, der den ganzen Verkehr im gesamten Land lahmlegt. Ob ich bis dahin ausreise, oder bleibe weiss ich noch nicht.

© Juljenka P., 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Von Tsunamiopfern, Aidsaufklaerung und Gurus, von Sueden nach Norden und Osten nach Westen. Zum Reisen und Arbeiten in ein Land, in dem immer alles anders kommt, als man es erwartet...
Details:
Aufbruch: 01.10.2005
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.04.2006
Reiseziele: Indien
Nepal
Thailand
Malaysia
Laos
Der Autor
 
Juljenka P. berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.