Thailand - Malaysia - Singapur - Indonesien. Ein Reisebericht von 1989
Langhaus/Tag 13: Schikanös und aufgeblasen
Auch das Frühstück ist ziemlich aufwendig, sicherlich unseretwegen. Karin meint eine der mitgebrachten Instantsuppen ins Spiel bringen zu müssen, aber damit kann die Köchin nicht viel anfangen; sie bereitet zwar die Nudeln zu, den Brühwürfel lässt sie aber im Alubeutel. Es gibt grünes, spinatartiges Gemüse, unter welches Schweinefleisch gemischt ist, außerdem gebackenen und gesottenen Fisch. Alles ist aromatisch zubereitet, aber nicht scharf. Die Schüsseln werden um Karin und mich herum aufgebaut und ständig ermuntert uns jemand nur ja beherzt zuzugreifen. Gestern bereits hatte uns eine Frau darauf angesprochen und gemeint, wir sollten die Gelegenheit nutzen und lernen mit der Hand zu essen, um es auch den Unsrigen zu Hause beizubringen.
Nach dem Essen haben wir Lust auf ein Bad und verursachen mit unserem Outfit größere Turbulenzen, um genau zu sein: mit Karins. Sie trägt nämlich ihren Bikini und genau die Jungs, die sich die Bikinimädchen (die sie natürlich bloß aus dem Fernsehen kennen) haben auf den Arm tätowieren lassen, kommen mit dem Anblick am wenigsten klar und schreien so ungehemmt los, als würde jemand nicht aufhören sie zu kitzeln: Hollywood tobt im Langhaus.
Karin leiht sich einen Sarong aus, aber der hat andere Tücken: Während die Frauen geübt sind damit baden zu gehen, bläht er sich bei Karin, kaum dass sie ins Wasser gestiegen ist, derart auf, dass zwei darin Platz finden würden. Sie ist nun unaufhörlich damit beschäftigt die riesigen Stoffblasen zu glätten und provoziert wieder nur Gejohle.
Insgesamt ist es freilich ein beschaulicher Tag, Sonntag übrigens, den man als christlichen Feiertag beachtet. Die Erwachsenen dösen in Hängematten oder besteigen ihre langen Boote, um die im Fluss ausgelegten Netze zu kontrollieren. Einige pflücken unten am Fluss schwarzblaue, leicht süßlich schmeckende Beeren; Karin meint, sie hätten Ähnlichkeiten mit denen der Eberesche.
Die Kinder drängeln mich zu einem Spiel, das im ganzen südostasiatischen Raum populär ist. Es hat Ähnlichkeiten mit Volleyball, nur dass man die Hände und Arme nicht einsetzen darf, sondern den Ball mit den Beinen, der Brust und dem Kopf ins gegnerische Feld befördern muss. Drei Spieler postieren sich jeweils in einem Feld, ich bin in jeder Runde bei den Verlierern. Vielleicht liegt's bei mir an dem sehr kleinen und aus Zweigen geflochtenen Ball: Mit der Spielkunst der Jungs kann ich jedenfalls nicht mithalten. Trotzdem gelingen mir ein paar "spektakuläre" Aktionen, die dann frenetisch beklatscht werden.
Ein anderes Spiel ist Probeexerzieren und die kleineren Jungs (aber auch wir, die wir ihnen dabei zusehen) zeigen darin eine bemerkenswerte Ausdauer. Das Spiel ist ebenso simpel wie komisch: Ein vermeintlicher Feldwebel, der älteste Junge in der Runde, lässt seine Soldaten stramm stehen oder sonst welche militärischen Verrenkungen machen, er "schikaniert" sie. Und alle Knirpse folgen seinen Anweisungen mit Feuereifer, machen aber, sobald er ihnen auch nur einen Augenblick den Rücken zukehrt, nichts als Faxen. Dafür werden sie dann von ihm "zurechtgestaucht".
Computerspiele geistern auch schon herum, während gleich nebenan noch Körbe geflochten, Hüte genäht, Mehl gestampft oder aus Blättern der Fächerpahne Jalousien hergestellt werden. Die Jungs führen uns auch zum alten Langhaus, dort ist eine Getreidemühle. An dem vom Mehl geweißten Boden erkennt man, dass sie noch in Betrieb ist.
Später ist wieder Kapit, jenes lokale Tor zu einem vermeintlich modernen Leben, ein Stichwort. Die Frau des Holzfällers am Ende des Hauses scheint das Bedürfnis zu haben, sich uns anzuvertrauen; es ist als suchte sie Verbündete. Sie zeigt uns ein Fotoalbum mit Bildern von einem Aufenthalt in der Stadt, von Picknicks mit Klassenkameraden und einer Wohnzimmerszene, die wenig gemein hat mit ihrem hiesigen dörflichen Umfeld. Einen Sarong trägt übrigens keine der abgelichteten Frauen.
Obwohl noch Trockenzeit herrscht, hat es in der vergangenen Nacht heftig geregnet und auch heute Abend ziehen Wolken auf. Aber bald klart der Himmel wieder auf und die Sterne leuchten. Ich nehme noch ein Bad. Auf dem Fluss verkehren weiterhin die länglichen Motorboote. Den ganzen Tag über haben die Frauen hier ihre Wäsche gewaschen und gebadet, solche Szenen eines "unschuldigen" Urwaldlebens nehme ich mit in den Schlaf.
Aufbruch: | Juli 1989 |
Dauer: | circa 5 Wochen |
Heimkehr: | August 1989 |
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