Thailand - Malaysia - Singapur - Indonesien. Ein Reisebericht von 1989

Reisezeit: Juli / August 1989  |  von Peter Kiefer

Kuala Lumpur/Tag 6: Finger ab

Zum Frühstück tauchen wir Pfannkuchen in eine Currysoße, es schmeckt ausgesprochen gut! Dann die Sache mit der Weiterreise. Das Ziel ist Sarawak.
Wir müssen die übermüdeten Glieder in Schwung halten, tappen zu einer Reiseagentur, die uns unser Guide (dieses Mal nicht wie sonst Lonely Planet, sondern Stefan Loose) empfiehlt. Der lange Weg ist jedoch vergebens, das Büro existiert gar nicht mehr. Andere Agenturen, die in der Nähe sind, haben noch nicht geöffnet, außerdem ist es Sonntag. Eine Information besagt, dass sie nur eine einzige Stunde öffnen würden, zwischen zehn und elf. Was sollen wir machen, wir setzen uns wieder brav in ein Café, schlürfen Saft und halten uns mit Gesprächen munter.
Nacht- und Frühflüge nach Kuching, sagt Stunden später ein lackiertes Mädchen in einem dieser Büros, seien deutlich preisgünstiger als die Flüge tagsüber. Wir schlucken das und buchen einen Flug erst für 23.05 Uhr. Dreizehn Stunden müssen wir von nun an totschlagen. Wir bummeln umher, besuchen einen Hindutempel im chinesischen Teil der Stadt, sehen uns mit verschlafenen Köpfen die knallbunten Gipsgötter an, ebenso die korpulenten Frauen in den brokatbestickten Saris, die ihren Familien das Picknick richten, Kinder säugen und sich in rollenden Rs unterhalten. Einmal bietet uns eine von ihnen Reispudding an. Wir lehnen ab und fragen uns hinterher, warum.
Dasitzen, zugucken (und nicht dabei einschlafen), bis einer sagt, man dürfe auf diesem halb hohen Mäuerchen nicht sitzen. Wie wär's stattdessen mit Kartenschreiben (ein Karin-Vorschlag)? Wir schlendern zum Hauptpostamt.

Eine Zoohandlung liegt auf dem Weg. Ein vollgeschäumter Hund pest durch den Laden, bestimmt versucht er gerade vor einer Schönheitsbehandlung zu fliehen. Er ist nicht als einziger unterwegs, denn jetzt kommt eine Riesenschildkröte angekrochen, die auf eine Küche zusteuert (als freiwilliges Suppenfleisch?). Ein Inder, an dessen einem Finger zwei Glieder fehlen, spricht uns an, erzählt, dass diese Mordsschildkröte da ihm seinen Finger abgebissen hätte. Wirklich? Ja, ja!
Die Post ist am Sonntag geschlossen, noch ein vergeblicher Weg. Überhaupt macht es trotz der zum Teil einfallsreichen Hochhausarchitektur wenig Freude durch Kuala Lumpur zu spazieren. Man fördert den Autoverkehr, den Fußgängern bleibt oft nur ein bretterbohlenbreiter Gehsteig. So oder so, wir halten die Balance und erreichen den Bahnhof, der im maurischen Stil gebaut wurde, eine touristische Attraktion.
Mit Kaffee versuchen wir uns aufzuputschen und haben die famose Idee in einen Park zu gehen, zu einem künstlichen See und uns dort ein Boot zu mieten, um auf die Seemitte hinauszurudem und ein Nickerchen zu halten. Aber der Weg ist weit, zu weit, und endet für uns bereits auf halber Strecke, beim Nationalmuseum.
Riesenandrang herrscht, die halbe Stadt scheint sich hier zu versammeln. Viel ausgestopftes Leben ist in Vitrinen ausgestellt, im Ensemble mit den trippelnden Mädchen in den knöchellangen Kleidern, die plappernd durch die Räume gehen, wird es ein bisschen wach geküsst.
Etwas hat mich in den Zeh gestochen, es schmerzt wie der Stich einer Biene. Karin behauptet, es sei eine fliegende Ameise gewesen. Trotz dieser Lädierung, wir schlurfen wieder zurück ins chinesische Viertel, unter anderem dorthin, wo wir zuvor einmal im Colonial Hotel gewohnt haben, einer Absteige wie eine Film-noir-Kulisse aus dem China der dreißiger Jahre. Heute werfen wir nur einen Blick von außen darauf.

Nicht weit entfernt wird gerade eine Kobraschlange massakriert. Man steckt ihren Kopf in eine Klemme und legt durch einen Schnitt ihre Hauptschlagader frei. Diese wird nun ebenfalls aufgeschlitzt und das Blut tropft in eine Glas, das man - we like Chinese! - als potenzsteigerndes Mittel verkauft. Jemand, der neben mir steht und wie wir das Spektakel begafft, erklärt mir alles noch einmal zu Mitschreiben.
Die Dämmerung hat eingesetzt, als wir schließlich im Bus zum Flughafen sitzen. Dass ich an dem Schalter, wo wir die Tickets in Empfang nehmen, vergessen habe, in welcher Ecke meines Handgepäcks die Reiseschecks verstaut sind und dann auch noch hundert M-Dollar zu wenig hinblättere, bringt mir einen höflich-geduldigen Blick ein. Dabei bin ich einfach nur müde.
Die Stewards im Flugzeug tragen Smokingjacken mit Goldrevers. Alles bloß Schein. Das Essen an Bord offenbart es, selbst bei Aeroflot schmeckt's besser. Die Landung passt ins Bild, man fühlt sich für ein paar Sekunden wie auf einem galoppierenden Pferd.
Jetzt ist es 1.30 Uhr in der Nacht, als wir in Sarawak ankommen. Das angepeilte Hotel Kuching ist längst verschlossen, eine Klingel gibt es nicht. Ein anderes Hotel, zu dem uns der Taxifahrer bringt, ist ausgebucht, beim dritten klappt es dann. Es ist deutlich teurer, dafür hat es ein bequemes Zimmer und sogar eine Badewanne Wir machen noch Gebrauch davon, ehe wir - nach wie vielen Jahren! - endlich wieder in ein Bett fallen.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Reise des Jahres 1989 ist ein wenig lückenhaft dokumentiert. Erstens streikte mein Fotoapparat zeitweilig, zum anderen hat der Atem des Tagebuchs nur etwa vier Wochen gereicht. Dennoch erfährt man einiges: die Begegnung mit einer Dorfgemeinschaft der Iban in einem Langhaus auf Sarawak, ebenso die mit einem javanesischen Sultan oder auch Einzelheiten einer Verbrennungszeremonie in einem balinesischen Dorf.
Details:
Aufbruch: Juli 1989
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: August 1989
Reiseziele: Thailand
Malaysia
Singapur
Indonesien
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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