Thailand - Malaysia - Singapur - Indonesien. Ein Reisebericht von 1989

Reisezeit: Juli / August 1989  |  von Peter Kiefer

Cirebon/Tag 19: In den Staub geworfen

Morgens um sieben tönt der Patio von einem bis zum Anschlag aufgedrehten Radio, mein Kopf löst sich in indonesische Schlagermusik auf. Ich erreiche, dass wir ein anderes Zimmer erhalten, das weiter abseits vom Getöse liegt. Die einstöckigen Flügelbauten des Asia umschließen zwei begrünte Innenhöfe. Noch hat die Tageshitze nicht eingesetzt, als wir zum Frühstück (Tasse Kaffee und eine Scheibe Marmeladetoast) an einem Tischchen vor der Tür unseres Zimmers sitzen.
Folgt man draußen einem kleinen Stichkanal, gelangt man zu einem der Märkte von Cirebon, einem Bilderbuchmischmasch aus bunten Frauen, Gemüsen, Früchten, Federvieh und Fischen. Tritt man allerdings wieder aus dieser niedrigen Markthalle, die so voller Leben steckt, hinaus auf die Straße, könnte der Kontrast kaum größer sein. Da entdeckt man nur schäbige Betonfassaden und ein bisschen Reklamerummel. Aber dann, wenn man ans Ende der elendig langen Hauptstraße gelangt ist, verzweigt sie sich in kleinere Sträßchen und Gässchen, und nun wird's wieder heimelig.
Vor einer Moschee hängt eine riesige Trommel. Gleich gegenüber ist der Kraton Kasepuhan, ein Palast, auf dessen Eingangsmauern Delfter Kacheln angebracht sind, bemalt mit Windmühlen und Holzschuhbauern, es ist ein koloniales Multikulti. Wir setzen uns in den Schatten eines großen Baumes, beobachten einen Quacksalber, der vor ein paar Spielzeugrobotern sitzt und ein Pulver mischt; dazu erzählt er eine nicht enden wollende Geschichte. Zwei Marktfrauen hocken vor einem riesigen gelben Sonnenschirm und verkaufen ihr in grellen Farben leuchtendes Gemüse. Ein Wasserverkäufer hat an jedem Ende seiner Tragestange ein meterlanges Bambusrohr hängen, aus dem er seine Becher voll gießt. Die Vogelhändler hängen ihre Käfige an Häuserwände. In Käfige eingesperrte Vögel sind überall zu sehen, ebenso Zierfische, die in Gläsern und Schüsseln schwimmen. Ein Rikschafaher hat sein Gefährt über und über mit Kokosnüssen beladen, ein anderer seines mit Ananasfrüchten; die meisten strampeln oder schieben gewichtige Damen durch die Gegend, die ihre Einkäufe erledigen.

Ein chinesischer Tempel gehört in diesem Teil der Welt natürlich immer mit zur Besichtigungsfolklore, übrigens ein recht sehenswerter mit großartigen Wandbildern. Er stammt noch aus dem 17. Jahrhundert. Gegenüber gibt es das gute Süppchen und ein paar Uniformierte werfen uns freundliche Blicke zu, als wollten sie damit signalisieren, dass nichts und niemand uns diese Mahlzeit streitig machen könne. Wenig später entdecken wir eine Kaschemme, in der wir einen Kokossaft trinken möchten, dann aber den Satai-Spießchen mit Erdnusssoße erliegen.
Der Bankkurs für die indonesischen Rupien ist schlecht, ein Schwarzer Markt nicht in Sicht. In einer Rikscha fahren wir zu einem weiteren Palast - Cirebon ist eine Sultansstadt -, gelangen dort aber nicht viel weiter als auf eine breite, mit Tischen und Stühlen ausgestattete Terrasse. Zufällig bemerkt uns eine Passantin und macht einen mageren älteren Herrn auf uns aufmerksam. Der bittet uns durch einen Seiteneingang ins Haus hinein und legt uns das obligatorische Gästebuch vor.
Nach einem kleinen Eintrag führt er uns durch das bescheidene Palastmuseum. Im Wesentlichen besteht es nur aus ein paar gerahmten Fotografien. Karin bemerkt es als Erste: Er, der ältere Herr, ist auf einem dieser Fotos selbst abgebildet, als Kind noch. Da sitzt er - die Szene ist auf ungefähr 1920 datiert - auf dem Trittbrett einer Bugatti-Limousine und rasch wird klar, dass er einer der Prinzen ist.
Ja, sagt er, es stimme schon, jetzt sei er der Sultan, und er erzählt so leichthin, dass das einfache Volk sich vor seiner, der Herrscherfamilie, zu Zeiten dieser Aufnahme noch hätte in den Staub werfen müssen. Er hatte mir gleich zu Anfang eine Visitenkarte in die Hand gedrückt, auf der viele Vornamen aufgedruckt sind, ohne dass daraus aber sein fürstlicher Rang ersichtlich wäre. Den zu führen, sei ihm amtlich untersagt. Aber er hat noch ein zweites - inoffzielles - Kärtchen; darauf steht "Sultan Kecirebonan VIII". Einen seiner Söhne, der gerade erscheint, stellt er lakonisch mit "Crownprince" vor. Er macht uns auch mit seiner ältesten Tochter bekannt.

Als ich ein Foto dieser illustren Begegnung mache, will der Sultan nicht mit aufs Bild. Der Grund ist seine Eitelkeit: Er möchte nicht in Zivilkleidung abgelichtet werden.
Wir schlendern wieder weiter, dieses Mal durch eine Gegend mit kleinen Häusern und ebensolchen Gärten. Das Hello, Mister tönt aus fast jeder Ecke. Solange die Laune dafür ausreicht, quittieren wir es mit einem freundlichen Lächeln. Einmal macht uns jemand auf einen großen Vogel aufmerksam, der angekettet auf einem Gartenzaun sitzt. Wir betrachten ihn neugierig, während sich eine wachsende Schar von Leuten um uns versammelt; für sie sind wir das Objekt der Neugierde. (Wir erinnern uns an den Zoo in Kairo, wo die Besucher vor dem Löwenkäfig sich nicht recht entscheiden konnten, wem sie ihre Aufmerksamkeit schenken sollten, uns oder den Löwen.)
Schon an der nächsten Straßenecke versperrt uns dann ein fälliges Mädchen den Weg und begrüßt uns so überschwänglich, dass jeder Widerstand zwecklos ist. Eine Minute später sitzen wir deshalb in einem der kleinen Häuser und werden mit Kuchen und Leitungswasser bewirtet. Immer mehr Leute drängeln jetzt in die Stube herein, stellen die immer gleichen Fragen, kichern und lachen. Das Gruppenfoto wird im Garten absolviert.
Weil sich der Hunger schon wieder meldet, machen wir nun einen Abstecher zum Nachtmarkt. Eine Frau taucht auf, sie wendet sich an Karin, bittet darum, dass wir ihr folgen. Es ist eine der Prinzessinnen und sie führt uns zum Palast zurück (der eher mit einer kolonialen Villa zu vergleichen ist). Dort werden uns zwei weitere Prinzen vorgestellt, der jüngere hat sich gerade zum Besuch einer Diskothek angekleidet und geschminkt ist er auch. Der Sultan erscheint und hat nun seinen großen Auftritt: Er trägt eine prächtige Uniformjacke, einen Wickelrock und auf dem Kopf einen Turban mit einer edelsteinbesetzten Spange. Jetzt möchte er fotografiert werden. Aber was soll ich machen? Ich habe kein Blitzlicht und aus dem erhofften Foto kann nichts werden.
Die folgende Unterhaltung dreht sich um den Wandel der Zeiten, amerikanische Musicals, die Kecirebonan VIII besonders schätzt, auch über die Deutschen. Von deren Sprache kennt er vier Wörter: Eins - zwei - drei -Achtung! Man serviert Tee (beim Anheben der Tasse muss ich mich beherrschen, um nicht den kleinen Finger nach außen zu spreizen). Der Abschied hat dann etwas Rührendes. Zwei Prinzessinnen, zwei Prinzen und der Sultan stehen auf den Stufen der Veranda und winken uns hinterher.

Javanische Marktfrau.

Javanische Marktfrau.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Reise des Jahres 1989 ist ein wenig lückenhaft dokumentiert. Erstens streikte mein Fotoapparat zeitweilig, zum anderen hat der Atem des Tagebuchs nur etwa vier Wochen gereicht. Dennoch erfährt man einiges: die Begegnung mit einer Dorfgemeinschaft der Iban in einem Langhaus auf Sarawak, ebenso die mit einem javanesischen Sultan oder auch Einzelheiten einer Verbrennungszeremonie in einem balinesischen Dorf.
Details:
Aufbruch: Juli 1989
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: August 1989
Reiseziele: Thailand
Malaysia
Singapur
Indonesien
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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