Heilige Kühe und GoGo-Girls
didwana - mitten im nirgendwo
aaaahhh herrlich - da liege ich in meinem kackefarbenen hotelzimmer auf einer holzpritsche mit vermutlich kleintierverseuchtem leintuch. in klo- und waschraum brennt jeweils eine zwei-watt-birne. genau das wollte ich mir auf dieser reise gerne ersparen. also wie kommts?
hmmm, tja, ich geb's ungern zu, aber ich habe mich in der entfernung verschätzt und bin deshalb viel zu spät aus mandawa losgefahren. nach viereinhalb stunden fahrt war ich halbsoweit gekommen wie geplant. es war ein höllenritt durch die mittagshitze, meine arme feuerrot, bis sonnenuntergang noch zwei stunden und auch der fahrtwind konnte mich nicht abkühlen - im gegenteil.
da ich nachts aus prinzip nicht fahren will, bot es sich an, in didwana eine unterkunft zu suchen. das war nicht schwer, denn es gibt nur ein hotel und ich vermute stark, dass ich der erste westliche gast bin, der hier jemals genächtigt hat. kaum hier angekommen wurde mir klar, dass heute die fernseher ausgeschaltet bleiben würden - "westler kucken" ist angesagt.
einerseits ist es putzig, wenn einen alle anstarren und auch hinterherstarren, aber mit der zeit muss man sich auch ein dickes fell dagegen zulegen. inder sind teilweise dermaßen neugierig, dass es echt anstrengend werden kann. trotzdem: ich bin nicht nach indien gekommen, um mich zu verkriechen, also nix wie raus in das indische alltagsleben.
wie erwartet ließen einige die arbeit ruhen und eine menge münder klappten auf. ich schlug mich in kleine gassen und schon kam mir der zufall zu hilfe: federball spielende kinder - hehe, immer eine leichte beute, wenn man einheimische kennenlernen will. aber als mich das ca. zehnjährige mädchen sah, erstarrte sie vor schreck. erst als ihr der federball auf den kopf fiel, wurde sie wieder lebendig und rannte schreiend ins haus.
die gelegenheit war günstig - ich schnappte mir den schläger und schon ging das altbekannte spiel los: jeder wollte mal mit mir spielen und langsam kamen alle nachbarn aus den häusern. nach gut zwanzig minuten bot mir mein spielpartner einen tee an und war wohl etwas erstaunt, als ich auch noch annahm. die schwestern kicherten, die mutter machte tee und der junge und ich bemühten uns um ein wenig konversation in englisch.
er bot an, mir einen tempel zu zeigen und das tat er dann auch. im tempel angekommen machte ich ihm alles nach und wurde, wie zum dank dafür, vom priester mitgesegnet - ich bekam pfefferminzwasser und "prasad" (eine süßigkeit). die einladung meinerseits zum essen lehnte der junge ab, brachte mich aber noch bis zu einigen restaurants am busbahnhof. das "thali" (reisgericht mit mindestens zwei gemüsebeilagen, salat und ein wenig joghurt) war köstlich und die leute waren extrem bemüht.
didwana - der marktplatz erwacht.
auf dem weg zurück komme ich an einem jahrmarkt vorbei. kaum betrete ich den platz, habe ich schon das gefühl, vielleicht einen fehler gemacht zu haben - das wird anstrengend. als attraktionen gibt es ein riesenrad (das sich mit einer irrsinns-geschwindigkeit dreht), eine schiffschaukel, ca. vierzig buden mit dem für indien üblichen plastik-kitsch und - na logisch - jetzt auch noch mich.
Es dauert keine zehn minuten, da werde ich schon von ca. dreißig kindern und jugendlichen verfolgt. der pulk wird jede minute größer, jede meiner bewegungen wird genauestens verfolgt und vermutlich kommentiert - "discovery channel" könnte nicht spannender sein. die menge wird noch größer und ich fühle mich genötigt, meinen namen mit einem stock in den sand zu kratzen. aus fünfzig kehlen ertönt es gleichzeitig: "aaaahhhh, reif". nein, ralf! "aaaahhhhh reif." ach, was soll's, dann eben "reif". das erste eis ist gebrochen, jetzt werden die jungs ein wenig übermütig und schlagen mir auf den hintern - zum spaß jage ich sie über den platz - die menge tobt vor freude.
es folgt mir immer noch ein pulk, also drehe ich mich schnell um, schaue furchterregend drein und rufe laut "buhhhhhh". zehn kinder weniger, und drei haben vermutlich in die hosen gemacht. der rest fand es anscheinend lustig und ich gehe grinsend richtung ausgang und hotel. natürlich nicht alleine.
nach dem allgemeinen händeschütteln, zwanzig weiteren "reifs" und viel aufmerksamkeit, verabschiede ich mich und laufe in mein hotel. der hotelmanager wirft die letzten hartnäckigen verfolger raus und bald darauf ziehe ich mich in mein kackefarbenes zimmer zurück - womit wir wieder am anfang wären.
Aufbruch: | Januar 2004 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 18.07.2004 |
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh