Heilige Kühe und GoGo-Girls

Reisezeit: Januar - Juli 2004  |  von Ralf Knochner

bikaner - nichts als hitze

jaisalmer in meinem rücken, die aufgehende sonne vor mir - so geht es durch die karge landschaft. nach über 100 km die frühstückspause. es ist 8.30 uhr und der verschlafene chef weckt zwei aus der belegschaft. das straßenlokal ist nicht auf westliche besucher eingestellt (was ja auch völlig ok ist) und deshalb esse ich zum frühstück das, was ich sonst eher zu abend essen würde. gleich weiter durch sandverwehungen auf einsamen straßen. das ganze wäre schon sehr eintönig, wären da nicht ab und an frauen in ihren bunten saris. grellgelb oder pink, leuchtendrot und dunkelblau bringen sie etwas farbe in den alltag. am straßenrand spielen kinder, viele davon hüten auch ziegen und die meisten laufen in kurzen, verschlissenen kleidern herum. ich muss wieder mal an meine tochter denken, die gerade ihren zehnten geburtstag gefeiert hat. was für ein unterschied in der lebensperspektive. hier auf dem land gehen mädchen ihren alters sicher eher selten zur schule und arbeiten bereits von früh bis spät - tragen wasser von weit her, putzen und passen auf die anderen kinder auf. meine tochter geht zur schule, spielt den halben nachmittag und hat sogut wie keine verantwortung zu tragen. ihre eltern und großeltern machen sich gedanken über ihre zukunft und versuchen sie zu fördern, interessen zu wecken ... diese kinder hier am straßenrand (und davon gibt es in diesem land millionen) haben vermutlich nicht viele alternativen und die familien werden sich - mangels eigener perspektiven - wohl nicht allzuviel gedanken darüber machen.
so eine motorradfahrt kann schon mal lang dauern und nachdem ich in gedanken die welt auf den kopf gestellt, umgebaut und natürlich gerechter gemacht habe, ereilt mich die erbärmliche realität des lebens in form geisteskranker verkehrsteilnehmer in bikaner ..... na ja, eigentlich nur das übliche.

kinder lassen einen drachen steigen.

kinder lassen einen drachen steigen.

bikaner hat touristisch gesehen nicht viel zu bieten, das aber im überfluss. in der abendsonne und der morgenluft lassen kinder drachen steigen, ansonsten verkriechen sich alle menschen, die es sich leisten können, vor der sengenden sonne.
mein hotel schaut teuer aus, aber da danny schon vor mir hier war, kenne ich den heruntergefeilschten preis - soz. israeli-geprüft. nachts kann ich vor lauter hitze nicht schlafen und schwitze die laken voll. es wird zeit, in den norden, in die berge zu kommen.

im rattentempel von deshnok.

im rattentempel von deshnok.

tja, was soll man sonst noch erzählen? ach ja, natürlich der rattentempel von deshnok. der ist in einem kaff 30 km von bikaner entfernt und laut eigener aussage dem achten weltwunder gleich (www.karnimata.com). das könnte tatsächlich auch so sein - vorausgesetzt man ist blind, taub, geistig behindert und kommt nie über 30 km von bikaner hinaus. ich hatte mit mehr ratten gerechnet, aber ich fand es auch so schon ekelhaft genug. das sollen also angeblich die seelen verstorbener und kommender dichter und poeten sein - na prost mahlzeit oder vielleicht doch eher nicht. falls rtl2 aber noch eine showidee für zwangsmasochisten suchen sollte ... bittesehr: wer trinkt als erstes mit den ratten aus diesem behälter?

kamelfarm.

kamelfarm.

ansonsten besuche ich in der gluthitze noch eine kamelzuchtfarm vor den toren der stadt. "das kamel an sich" ist ja durchaus sehr interessant, die farm leider nicht. zum glück rennt mir dort matt vor die füße, ein engländer, der in delhi lebt und gerade für einen reiseführer rajasthan bereist. wir verstehen uns auf anhieb glänzend, die kamele sind vergessen und der abend gerettet.
mit matts geländewagen fahren wir in die altstadt, und vertilgen ein köstliches abendessen. ich beschreibe ihm detailliert meine reise und er macht sich eifrig notizen. matt selbst ist - wie die meisten engländer in indien - ein wenig durchgeknallt und das meine ich durchaus positiv. er führt touristen auf enfield-motorrädern durch indien, ab und an auch auf fahrrädern, fährt motorrad- und autorennen in indien, paragliding ..... muss ich noch mehr sagen??!! und er ist ein kleiner spaßvogel: auf der rückfahrt müssen wir nach dem weg fragen und einer der inder trägt eine absolut scheußliche und viel zu enge weste, worüber ich (als zwangspolemiker) natürlich sofort ablästere. prompt fragt matt den inder mit geheucheltem interesse, wo es denn diese tolle weste zu kaufen gäbe, sein dt. freund würde sich so sehr dafür interessieren - um dann laut lachend gas zu geben. danach zeigt er mir noch wie eng und schnell man zwischen pfosten hindurch und an hindernissen vorbei fahren kann, während er nebenbei scherze macht und witze erzählt.
allein schon wegen ihm, oder sagen wir es deutlich, nur wegen ihm hat sich bikaner gelohnt.

zeitungslektüre im schatten.

zeitungslektüre im schatten.

© Ralf Knochner, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
. := Auf einer Enfield Bullet durch den Norden Indiens := . . Den zweiten Teil der Reise findet ihr in der Rubrik Südostasien/Laos unter "Dauerlächeln und Bombenstimmung - der Fortsetzungsroman in Südostasien". Bis jetzt ist erst der Teil über Laos fertig, Kambodscha folgt noch.
Details:
Aufbruch: Januar 2004
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 18.07.2004
Reiseziele: Indien
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh
Der Autor
 
Ralf Knochner berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Ralf sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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