Heilige Kühe und GoGo-Girls

Reisezeit: Januar - Juli 2004  |  von Ralf Knochner

INDIEN SPEZIAL: anstatt des silbernen jubiläums

vorbemerkungen:

1. dieser text ist lang ... bitte nur weiterlesen, wenn ihr wirklich lust habt
2. meine mutter darf nichts von dem erfahren, was hier drin steht ...... ist das klar ..... nix, nothing, nada und auf keinen fall. sie macht sich so schon sorgen genug, wenn sie das erfährt, dann kann sie überhaupt nicht mehr schlafen!
ich werde auch nie mehr darauf bezug nehmen (auch sonst niemand!), wenn doch .... martin (das ist der webmaster) ... mach mich bitte darauf aufmerksam.

ok, also:

alles wie geplant. ich werde um 6 uhr geweckt, packe meine sieben sachen, verabschiede mich artig und fahre vorsichtig die straße aus dem fort herunter. die großen steine sind hier sehr rutschig. aus dem fort hinaus, das mich für 7 heiße tage und nächte beherbergt hat, richtung "national highway 15", der jaisalmer mit bikaner verbindet. dort werde ich danny wiedertreffen und zwei tage bleiben. verbunden mit einem kleinen heimwehanfall und dem wunsch nach deutscher sprache, habe ich mich entschieden, meine cd mit österreichischen interpreten einzulegen. obwohl nicht-österreicher, finde ich "i'm from austria" schon ein wenig ergreifend, besonders live. vielleicht - denke ich so bei mir - bin ich ja bei peter cornelius' "der kaffee ist fertig" schon weit genug gefahren und kann irgendwo in einem lokal am straßenrand frühstücken. die straße aus jaisalmer heraus ist sehr breit und von guter qualität. ich bin darauf nach jaisalmer gekommen, weiß also, was mich erwartet. das schild mit der aufschrift "nh 15" habe ich passiert.
es ist die beste zeit zu starten: kaum verkehr, angenehme fahrtemperatur und man sieht die behausungen neben der straße erwachen. ich trage mein t-shirt, lange hose, turnschuhe und helm, der cd-player ist in der knietasche. so macht motorradfahren spaß. vor mir die straße, jaisalmer endet bald, nur noch eine rikscha zu sehen - also auf 80 km/h beschleunigt und zum überholen vorbereitet. aus einer seitenstraße von rechts kommt langsam ein lastwagen gekrochen und biegt auf seiner spur stadteinwärts, also meine gegenfahrbahn, ein. in indien ist linksverkehr angesagt. die rikscha ist auf höhe des lastwagens, ich 50 m dahinter, aber die rikscha fährt ja geradeaus, zumindest gibt es kein anderweitiges zeichen. verdammt ...... sie biegt ab ...... o shiiiiit ...... bremsen .................. ooooaaaahhhhhh ...... aaarschloooooch. der aufprall erfolgt seitlich, zum glück in einem spitzen winkel. ich sehe das motorrad von der rikscha abprallen, ich fliege durch die luft und merke, wie mir ein schuh vom fuß gerissen wird. der aufprall auf dem boden tut erstaunlicherweise überhaupt nicht weh, ich schlittere über die fahrbahn, kopf voraus, aber rücklings. nach 3 metern bleibe ich auf wenig split liegen.

ich lausche in meinen körper, aber ich spüre nichts bedrohliches, nur ein wenig schmerzen am linken knie. ich richte mich auf und schau an mir runter. helm, brille, ja sogar die kopfhörer und der ganze rest ist an seinem platz. hose und shirt sind zerissen und schmutzig, der schuh wird mir gebracht. meine blicke suchen den unfallgegner. er ist in die kleine straße eingebogen, steht jetzt neben seiner rikscha und begutachtet die betroffene seite seines fahrzeuges. ich sehe ein kleines mädchen in schuluniform auf der rückbank. der rikschafahrer schaut mich kurz an, sagt etwas - vielleicht sorry, aber ich verstehe es nicht - steigt ein und fährt weg.
jaaaa, das ist indien nach dem motto "irgendwer wird sich schon darum kümmern". ein paar männer, vermutlich auch der lastwagenfahrer, helfen mir. die maschine liegt am boden, benzin läuft aus. ohhh, das könnte teuer werden. ich drehe den benzinhahn zu und mit vereinten kräften wuchten wir das schwere ding auf. auf den ersten blick schaut sie total verbeult aus, auf den zweiten blick sind eigentlich nur der schutzbügel (das ding trägt seinen namen zu recht), die fußrasten und der schalthebel verbogen. die maschine startet sogar und nachdem ich mich bei meinen helfern gebührend bedankt habe, fahre ich, ihren hinweisen folgend, selber in ein privates krankenhaus.
der arzt ist nicht da, wird aber angerufen. "das kostet eine notfallgebühr" sagt die schwester. der arzt, ein mitfünfziger, kommt 20 minuten später. mittlerweile habe ich mir die hose ausgezogen und mir im siffigen bad mit meinem gefilterten touristenwasser die sichtbaren wunden an den unterarmen und am knie abgewaschen. mein linker mittelfuß ist am rist total angeschwollen, wie aufgeblasen. auf der liege im arztzimmer werde ich untersucht. er sieht die schwellung und meint "vermutlich gebrochen". oohhh scheiße ...... operation in indien ...... niemals!!!!!!! "aber es tut gar nicht soooo weh" meine ich. zur bestätigung seiner theorie drückt er in die schwellung. "jaaa, schmerzhaft, aber nicht so arg" wiederhole ich. mein gesicht zeigt anscheinend auch nicht die erwartete schmerzintensität, denn jetzt greift er mit beiden händen und von beiden seiten voll rein, aber ordentlich. ich gehe fast an die decke, schreie laut und suche einen festen gegenstand um seinen dummen hinterkopf zu spalten. zu seinem glück finde ich nichts und der schmerz lässt nach. röntgen ist angesagt, aber später, zuerst prüft er meinen blutdruck. der ist prima in ordnung, aber er gibt mir jetzt diättipps. die tetanusspritze kann ich ihm gerade noch ausreden. der assistent bringt schon mal die rechnung. 110 rs für die untersuchung, 60 rs für die noch kommende behandlung der wunden. der arzt nimmt die rechnung und unterhält sich mit dem assistenten. ich verstehe nur 220 und 120. obwohl des hindi nicht mächtig ist mir klar, dass der arzt meint, ich - als tourist - könne auch das doppelte zahlen. ich sage laut "aahhh tourist charge", der arzt lächelt gequält. der assistent macht dem arzt klar, das die beträge bereits im buchhaltungsbuch stehen und er mich nicht mehr bescheißen kann.

bei der behandlung meiner schürfwunden befällt mich ein wenig mitleid mit den schwestern ..... da habe ich ja bessere mittelchen in meinem medizintäschchen. mit vereinten mitteln versuchen wir unser bestes und ich bin froh, sterile kompressen und verbandszeug dabeizuhaben. kurz vor dem röntgen schildere ich nochmal den unfall, woraufhin der arzt meint "ohhh, mit gegnerischer beteiligung ..... dann dürfen wir überhaupt nichts machen ..... sie müssen ins staatliche krankenhaus ..... das ist gesetz"! gut, also um die ecke gefahren ..... lange suchen und warten .... arzt gefunden ..... werde zum röntgen geschickt. der röntgenfritze schickt mich aber erst zum eingangsschalter, wo ich mir für 50 rs quasi den röntgenfilm erkaufe. eine halbe stunde später hole ich die aufnahme ab und warte auf den arzt. warte auf den arzt. warte auf den arzt. ich verliere die geduld, fahre zum privaten krankenhaus und bitte den dortigen arzt um seinen "professionellen" blick. er sieht keinen bruch oder anbruch und ich fahre - froh über mein glück im unglück - wieder in mein in der früh verlassenes hotel.
das erstaunen dort ist groß, aber mein altes zimmer ist noch frei und die leute sind bemüht, mir zu helfen. die nächsten beiden tage verbringe ich im bett, spüre manche schmerzen gehen und neue kommen. mein hals, vermutlich ein schleudertrauma, macht mir am meisten sorgen, der mittelfuß färbt sich blau. mein motorrad wird repariert und ich sage dem mechaniker, dass er bis zu 500 rs freie hand hat, ansonsten solle er mich anrufen. klar, ein fehler, die rechnung lautet auf 490 rs und 2-3 liter benzin fehlen. schwamm drüber, ich möchte hier weg. die testfahrt führt mich zur unfallstelle. mir ist wichtig, nach unfällen (und leider hatte ich davon schon welche in deutschland) sofort wieder zu fahren, besonders auch am unfallpunkt, damit sich eventuelle ängste gleich verlieren, sonst wäre es in zukunft gefährlicher, als es sowieso schon ist.
ich überlege kurz, ob ich an dieser stelle morgen früh zum unfallzeitpunkt auf den rikschafahrer warten soll. er wird das mädchen jeden tag um die gleiche zeit zur schule bringen. aber was mache mit ihm, wenn ich ihn habe? leute schlagen liegt mir nicht so und ehrlich gesagt (dabei bin ich doch fast immer ehrlich, oder?), ich war zu schnell dran und mit den gedanken schon auf freier strecke. ein motorradfahrender inder in meiner vorunfallsituation hätte wie verrückt gehupt ...... das habe ich natürlich nicht getan. abgesehen von meiner mitschuld: ich bin wirklich froh, dass mir nicht mehr passiert ist. es hätte wesentlich schlimmer enden können.

fußkühlung - alternativ mit gefrorener wasserflasche.

fußkühlung - alternativ mit gefrorener wasserflasche.

ach ja, ironie des schicksals: in meiner tasche finden sich noch zwei bereits beschriebene postkarten mit dem satzstück "3000 km unfallfrei". das letzte wort habe ich jetzt durchgestrichen.

© Ralf Knochner, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
. := Auf einer Enfield Bullet durch den Norden Indiens := . . Den zweiten Teil der Reise findet ihr in der Rubrik Südostasien/Laos unter "Dauerlächeln und Bombenstimmung - der Fortsetzungsroman in Südostasien". Bis jetzt ist erst der Teil über Laos fertig, Kambodscha folgt noch.
Details:
Aufbruch: Januar 2004
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 18.07.2004
Reiseziele: Indien
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh
Der Autor
 
Ralf Knochner berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Ralf sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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