Heilige Kühe und GoGo-Girls

Reisezeit: Januar - Juli 2004  |  von Ralf Knochner

INDIEN SPEZIAL: brahma kumaris = die "kinder brahmas"

das ist eine spirituelle bewegung mit hauptsitz in mt. abu und tausenden niederlassungen in aller welt. wohin immer man hier geht, sieht man die anhänger dieser bewegung. man erkennt sie an ihrer immer komplett weißen bekleidung und dem namensschildchen an der brust.
auf dem weg hierher habe ich mir ernsthaft überlegt, einen der kostenlosen kurse mitzumachen, die eine einführung in die lehre der brahma kumaris darstellen sollen. inhaltlich klang die beschreibung in meinem reiseführer - selbst für mich als agnostiker - ganz interessant: alle religionen verfolgen dasselbe ziel ... yoga ... meditation ... also einiges, was neu für mich ist.
dass ich es dann doch nicht gemacht habe, hängt wohl mit meinen vorurteilen, ersten eindrücken und festgefahrenen einsichten, aber auch ein wenig gesunder vorsicht zusammen. ich bin halt leider manchmal jemand, der das haar in der suppe sucht.
merkwürdig kommt mir schon alleine dieser religiöse wiederauffrischungstourismus vor. jeden tag kommen hier busse an, aus denen weißgekleidete gestalten aussteigen. die zentralen punkte der brahma kumaris werden angefahren, u.a. auch ein total kitschiges religionsmuseum.
und warum diese art uniform?

vor ein paar tagen habe ich einen ihrer parks besucht, und bevor man den park betreten darf, muss man einen kleinen vortrag über sich ergehen lassen. da bekam ich dann sozusagen die grundannahmen der bewegung erklärt. prompt kamen wieder die zweifel in mir hoch: woher wissen die das, anders gefragt, warum muss man bereits vorher bereit sein, zu glauben, und kann es nicht selbst erfahren?
und da war auch wieder dieses gefühl: "wir-haben-es-bereits-kapiert-und-höhere-weihen-erreicht,-aber-wir-sind-so-nett-und-lassen-dich-daran-teilhaben". also genau dieses leicht elitär-gönnerhafte verhalten, das man bei vielen religionsanhängern findet.

nach dem durchlesen einer broschüre, hatte ich den eindruck, als ob sich jemand aus verschiedenen religionen etwas herausgesucht und vermischt hätte. das an sich wäre weder neu noch schlecht, aber ich persönlich brauche das eine sowenig wie das andere.

was ich jetzt sage (oder besser gesagt schreibe) mag ein wenig kindlich, vielleicht sogar böse klingen, aber für mich ist es real und gegenüber wirklich betroffenen nicht böse gemeint: schaut euch doch mal diese gesichter an, extra für euch eingescannt.

würdet ihr diesen leuten spirituelle lehren glauben oder geld anvertrauen?
ich bitte nochmals um entschuldigung, aber diese fotos erinnern mich stark an fotos einer theateraufführung mit geistig-behinderten erwachsenen.

ach ja, der park. schön angelegt, aber mit verbotsschildern gepflastert. eine art merchandising gibt es auch, und bevor man den park verlässt, wird man von einem weißgekleideten, ernst dreinblickenden mann mit knopf im ohr und walkietalkie nachdrücklich gebeten, doch bitte 5 minuten in einer halle vor diesem bild zu meditieren.

der meditationsraum der brahma kumaris.

der meditationsraum der brahma kumaris.

die christlichen kirchen werden diese vereinigung vermutlich als eine art sekte darstellen (ich habe diese behauptung nicht überprüft), was ich allerdings eher als lustig empfinden würde. das ist in etwa so, als ob ich ein großes bekleidungsgeschäft frage, ob noch ein kleineres bekleidungsgeschäft eröffnen darf. das an sich wäre also für mich bestimmt kein grund etwas nicht zu tun, es würde eher meine neugier wecken.
von mir aus sollen alle glücklich werden wo und wie sie wollen, solange sie anderen nichts antun. ich freue mich für jeden, der einen festen glauben - an was oder wen auch immer - hat. mir ist das bis heute leider nicht vergönnt.
vielleicht würde es mir leichter fallen, zum glauben zu finden, wenn ich sehen würde, dass menschen nur aufgrund ihrer religiösen oder spirituellen überzeugung effektiv bessere menschen wären, aber da gibt es - gemessen an der masse der gläubigen - nicht allzu viele. die täglichen nachrichten aus aller welt reichen da eigentlich schon aus, aber auch das elend in indien ist als hinweis dafür tauglich, dass religiöse bekenntnisse bei weitem nicht ausreichen. so interessant und berührend ich den anblick gelebter spiritualität oder religiösität der menschen hier und woanders finde, aber manchmal kotzt es mich an, wenn es den gleichen menschen offenbar scheißegal ist, dass 20 m weiter jemand jämmerlich verreckt.
aber um auf die brahma kumaris zurückzukommen: das ist hier genauso. slums und arme menschen gibt es auch in mt. abu. tausende von menschen pilgern jährlich hierher, spenden geld und halten sich selbst vermutlich für wahrhaft gläubige, nach weltgerechtigkeit und ausgleich strebende menschen. bravo... lasst uns noch einen park bauen,... aber um die ecke schauen wir lieber nicht.

© Ralf Knochner, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
. := Auf einer Enfield Bullet durch den Norden Indiens := . . Den zweiten Teil der Reise findet ihr in der Rubrik Südostasien/Laos unter "Dauerlächeln und Bombenstimmung - der Fortsetzungsroman in Südostasien". Bis jetzt ist erst der Teil über Laos fertig, Kambodscha folgt noch.
Details:
Aufbruch: Januar 2004
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 18.07.2004
Reiseziele: Indien
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh
Der Autor
 
Ralf Knochner berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Ralf sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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