Heilige Kühe und GoGo-Girls

Reisezeit: Januar - Juli 2004  |  von Ralf Knochner

von kaza nach leh - unvergesslich

ki monastery.

ki monastery.

das motorrad vollgepack und vollgetankt mache ich mich auf den weg nach manali. ein wenig mulmig ist mir schon, denn der weg soll ja uebelst sein, aber was soll ich machen ....? die ersten kilometer sind allerdings angenehm und ich kann nochmal aus der ferne einen blick auf das bekannte ki-kloster werfen, das in lage und aussehen an einen riesigen weissen adlerhorst erinnert. im morgenlicht wirkt die landschaft noch schoener und nach knapp mehr als einer stunde erreiche ich den beginn des kunzum-passes, der mit fast 5000 m nicht der groesste der reise, aber bekannt fuer seine schneefaelle ist. hier stellt das schicksal seine weichen.

auf dem kunzum pass.

auf dem kunzum pass.

ein armeelaster steht vor mir, zwei gestalten knien daneben vor einem motorrad. ein anderes motorrad, offensichtlich auch eine enfield, steht am strassenrand. ich halte und biete meine hilfe in form von ersatzteilen an. die erste reaktion ist ein wenig verwundert-kuehl, die zweite soldatisch-ernst und damit auch nicht unbedingt meinen erwartungen entsprechend. die antwort ist "nein, es ist alles in ordnung und danke fuer das angebot". ok, ich fahre also weiter, als mir zwei andere enfield-fahrer in uniform entgegenkommen. ich weiss, dass die indische armee enfields einsetzt und denke deshalb zeuge einer testfahrt zu sein. ich fahre weiter und konzentriere mich auf den weg. die sonne scheint, aber es weht ein kuehler wind und es fallen auch ein paar kleine schneeflocken auf meine haut. auf halber strecke ueberhole ich eine schon ein wenig aeltere frau auf einem fahrrad. respekt, respekt. der weg ist in ordnung, wenn auch nicht geteert, aber das ist normal hier und daran gewoehnt man sich schnell. kleine wasserlaeufe kommen mir entgegen, an den abfallenden haengen grasen tsoks (eine mischung zwischen kuh und yak) und ab und an liegt ein zerstoerter lastwagen im abgrund.

was leute so alles am wegesrand liegen lassen.

was leute so alles am wegesrand liegen lassen.

noch vor der passspitze ueberholen mich die vier armeeangehoerigen auf ihren maschinen und erst am unteren ende des passes bin ich ihnen wieder auf der spur. wir halten alle in batal, von mir scherzhaft auch downtown batal genannt, weil aus einem der drei zelte eine hohe hoelzerne stange herausragt. so ein kleiner scherz bricht das eis, es gibt was warmes zu trinken und zu essen und die offiziere und ich kommen langsam ins gespraech. das erste was mir auffaellt sind die fragen. man merkt ihn ein gutes stueck bildung an und ihr englisch ist besser als meins. sie sind auf dem weg nach leh, eine art jubilaeumsfahrt, halb privat halb dienstlich. jedenfalls sind sie mit ihren eigenen motorraedern unterwegs, aber sie werden von der armee unterstuetzt. vor ihnen faehrt mit einigen stunden vorsprung ein armeelaster und bereitet das nachtlager vor; hinter ihnen faehrt ein ebensolcher laster mit ihrem gepaeck, einem medizinischem assistenten und einem mechaniker!
nachdem wir uns eine halbe stunde lang ausgeruht und unterhalten haben, ergreift der ranghoechste unter ihnen (ein major) das wort: " wir sind unterwegs nach leh und eigentlich duerfen wir mit auslaendern keine kontakte pflegen, aber du bist uns symphatisch und vor allem ..... du hast uns hilfe angeboten. wir bieten dir deshalb an uns gesellschaft zu leisten". wow, was fuer ein angebot! was werde ich darauf wohl geantwortet haben?

damit hier keine missverstaendnisse aufkommen --- das ist die strasse.

damit hier keine missverstaendnisse aufkommen --- das ist die strasse.

falsch, ich habe nein gesagt. ich will doch nach manali!
aber wir fahren gemeinsam los und sie nehmen mich in die mitte. die folgenden 30 km gehoeren zu dem schlimmsten, was ich je an "strasse" erlebt habe. eigentlich ist es nur ein halbtrockener flusslauf mit riesigen gesteinsbrocken darin, an einigen stellen knoecheltiefem wasser (wenn ich auf dem motorrad sitze) und vielen anderen gemeinheiten, die man sonst nur in japanischen spielshows erwartet. einem ueblen unfall entgehe ich nur dank reaktion und erfahrung, bleibe aber schliesslich doch in einem flusslauf stecken. damit habe ich ja mittlerweile auch erfahrung und zum glueck bin ich diesmal nicht alleine. sofort sind die beiden hinter mir zur stelle und helfen. als wir uns so zu dritt im eiskalten wasser abmuehen, muss ich nicht nur an die worte des israelis aus vergangener nacht denken, sondern mir wird auch klar, was fuer ein trottel ich doch bin. warum an einem plan kleben, wenn sich einem so eine chance bietet?
als wir schliesslich an der naechsten behausung ankommen und eine kleine pause machen, frage ich nach ob das angebot noch gilt. ja, es gilt und es sollte eine der besten entscheidungen dieser reise werden.

bei keylong.

bei keylong.

nachdem nun soweit alles klar ist und ich mein gesamtes gepaeck in den armeelaster laden darf, wird mir klar, dass wir heute noch nach keylong kommen muessen. das sind 90 km von hier und es ist schon 17 uhr. wir fahren deshalb wie die berserker los und fuer die landschaft selbst bleibt leider nicht viel zeit. trotz der eile stelle ich fest, wieviel mehr spass motorradfahren in der gruppe macht. es wird dunkel, aber es sind nur noch 6 kmpffffffffff. ahhhhh, scheisse, ein platter reifen, der erste ueberhaupt auf meiner reise. huhu, warum ich? die beiden vorausfahrenden sind schon ausser sichtweite, aber die beiden dahinter bleiben neben mir stehen. die diagnose ist ja nun nicht wirklich schwer zu stellen, aber zum glueck zeigt das buendnis (haupsaechlich zu meinen gunsten) wirkung. der juengste der offiziere bleibt bei mir, bis nach ueber einer stunde und bei absoluter dunkelheit der nachfahrende laster eintrifft. im lichtkegel des lkw`s wechselt die belegschaft den reifen. waehrendessen kommen auch die anderen offiziere aus keylong zurueck. sie haben ein quartier fuer sich gefunden und ein zimmer fuer mich gebucht. ich bin natuerlich sehr dankbar fuer die hilfe und - obwohl mir klar ist, dass ich ja auch nichts fuer den platten kann - entschuldige ich mich fuer die zusaetzliche arbeit und die zeitinvestition. davon wollen sie aber nichts wissen und einer der offiziere antwortet mir: "wir haben nunmal die entscheidung getroffen gemeinsam zu fahren und wir stehen zu unserem wort. bis leh musst du dir keine sorgen machen." nicht schlecht herr specht. ich bin wirklich kein freund von armeen und meine wehrdienstzeit gilt mir immer noch als die groesste zeitverschwendung meines lebens, aber jetzt bin ich wirklich beeindruckt. soldatische kameradschaft ist schon eine feine sache, insbesondere wenn man davon profitiert.

ein jeep bleibt stecken.

ein jeep bleibt stecken.

wir verladen unsere motorraeder.

wir verladen unsere motorraeder.

frueh am naechsten morgen fuellen wir nochmal unsere benzintanks auf. ich muss auch noch zwei kanister vollmachen, denn auf den naechsten ca. 370 km gibt es offiziell kein benzin mehr zu kaufen. zwei indische zivilisten auf enfields wollen sich uns anschliessen und verladen auch ihr gepaeck in den laster, aber weil sie ein wenig spaeter aufstehen und dann auch noch lange brauchen, fahren wir schon mal ohne sie los. wir sollten sie erst spaet in der nach wiedersehen.
schon am abend davor drang die nachricht zu uns, dass eine wichtige bruecke bei darcha eingestuerzt ist. dort angekommen sieht es zunaechst tatsaechlich nicht gut aus bzw. teuer. nur busse und laster kommen durch den fluss, teilweise reicht das wasser bis ueber deren riesige raeder. jeeps bleiben stecken und muessen mit traktoren rausgezogen werden. fuer motorraeder gibt es nur einen weg: sie werden auf der ladeflaeche eines traktors oder lkw`s ruebergebracht. das kostet allerdings 500 rs pro motorrad. ja, das ist ein wucherpreis, aber man hat ja keine andere wahl. in deutschland waere der ganze transfer vor lauter sicherheitsvorschriften nicht zugelassen, aber sowas schert in indien natuerlich kein aas und diesmal bin ich dafuer auch sehr dankbar. ich fange in gedanken schon an mir den gegenwert dieser erpresserischen summe zu ueberlegen, als unser lkw schon vorfaehrt. andere motorradfahrer verhandeln noch verbittert oder warten auf eine transportmoeglichkeit. des raetsels loesung ist natuerlich ganz einfach: die offiziere haben mit einem ehemaligen offizier gesprochen, der jetzt hier was zu sagen hat und fuer uns ist die ueberfahrt umsonst und sofort .... alles klar?!
eine halbe stunde spaeter sitzen wir auf unseren motorraedern und die stehen auf der ladeflaeche des lkw`s, gehalten von ein paar soldaten. leinen oder gurte gibt es nicht, es bleibt nur der gleichgewichtssinn und gute bremsen. von der ueberquerung selbst habe ich leider kein foto, aber ich kann euch sagen: das war irre! 10 minuten geschaukel, gejohle und andere maennliche gebaerden um das angstgefuehl zu verdraengen.
heil auf der anderen seite angekommen setzen wir unsere fahrt gleich fort. der weg ist mehr schlecht als recht, insbesondere wegen der langen wasserdurchfahrten. nach einiger zeit machen wir in einem armeelager einen kleinen stopp und ich darf mit in das offizierscasino. ich muss sagen indische offiziere haben es so schlecht nicht. dvd, hifi, couchen und jemand der getraenke reicht. wie ich erfahre sind wir zu gast bei der hoechstdekorierten einheit indiens, natuerlich sikhs - gefuerchtet und geachtet wegen ihrer tapferkeit.

der weg zum baralacha la (gesprochen baralatscha la, la heisst pass).

der weg zum baralacha la (gesprochen baralatscha la, la heisst pass).

schon bald nach der verabschiedung erreichen wir die kehren hinauf zum ersten hohen pass der reise, dem baralacha la auf knapp unter 5000 m. es liegt ein wenig schnee, es ist kalt und mir ist ein wenig schwindlig. das sind klare anzeichen fuer eine beginnende hoehenkrankheit und deshalb mache ich nur die obligatorischen fotos vor der grossen tafel, dann aber nix wie runter. in der kleinen zeltstadt dahinter essen und trinken wir was, als der major und ein anderer offizier zu diskutieren anfangen. es ging um militaerische themen und ich haette nicht geglaubt, das indische offiziere da so unterschiedlicher meinung sein koennen bzw. diese auch noch so offen aussprechen. das war kurz vor einem streit und weise wie ich bin, habe ich mich auch auf nachfragen hin rausgehalten. aufgewaermt und gestaerkt geht es weiter. sarchu ist das ziel fuer die nacht, aber der weg dahin ist das haerteste stueck bisher. 50 m am stueck durch wasser, hoppel hoppel, aechz wuerg, nach etwas mehr als einer stunde sind wir alle am ende und zum glueck auch am ziel. meine begleiter handeln den preis fuer ein zelt incl. essen von 1200 rs auf 400 rs runter und der besitzer stellt sich als sehr umgaenglich und interessant heraus (er hat sogar eine freundin in bremen). das essen ist gut und ich bin alleine in meinem grossen zweimannzelt, aber trotz zweier decken und voller kleidung friere ich erbaermlich. erst nachher lese ich im reisefuehrer, dass sarchu auf fast 4300 m liegt. na dann ....

zwischen sarchu und pang.

zwischen sarchu und pang.

es ist nicht schwer bei der kaelte um halb sechs aufzustehen, an viel schlaf war sowieso nicht zu denken. einer der offiziere hat mir eine muetze geschenkt und ein anderer leiht mir eine weste und noch eine jacke. heute geht es ueber den zweithoechsten befahrbaren pass der welt und da moechte ich mich ein wenig besser ruesten. wir planen zudem heute die restlichen 250 km zurueckzulegen, eine mordstour also. vor dem start ueberpruefen die mitfahrenden soldaten noch alle motorraeder - das nenn ich service. nach kaffee und fruehstueck starten wir, mittlerweile (mit den beiden indischen zivilisten) wieder zu siebt.
die strasse ist ueberraschend gut und die jungs geben tuechtig gas. ich traue mich kaum fuer ein foto stehenzubleiben, sie sollen ja schliesslich nicht auf mich warten muessen. wir erreichen recht bald die gator loops, 21 steile kehren und ich halte muehsam anschluss. das aendert sich in einer der letzten kurven. als ich dort ankomme, liegen zwei motorraeder auf dem boden, vermutlich auf sand und oel weggerutscht. der major haelt sich den arm, aber zum glueck ist nichts wirklich ernstes passiert. immerhin bleibt mir so ein wenig zeit fuer fotos. die landschaft ist atemberaubend und das aendert sich auch auf dem rest der reise nicht.
bald ist pang erreicht, eine andere kleine zeltstadt und einer der kontrollpunkte, wo ich mich als auslaender melden und in ein buch eintragen muss. die strasse windet sich ein wenig hoeher auf die sog. morey plains, einem langen plateau auf 4000 m hoehe. die einzigen bewohner dieser grandiosen ecke sind nomadische hirten, die das land mit ihren paschminaziegen durchqueren. tja, und so schoen alles auch ist, so sicher ich mich auch fuehle, so angenehm die begleitung auch ist, etwas nervt! meine begleiter haben es aus mir nicht ersichtlichen gruenden unglaublich eilig und fetzen mit 80 km/h durch diese landschaft auf einer strasse voller bodenwellen. ich fuehle mich gehetzt und angetrieben, mein motorrad leidet, mein hintern auch, aber mir bleibt keine wahl. man kann halt nicht alles haben und mir ist auch klar das die offiziere keine touristen sind (zwei von ihnen sind die strecke auch schon mal gefahren), aber schade ist es schon. das ist wohl der preis, den ich fuer mein glueck zahlen muss.

blick vom taglang la in die morey plains.

blick vom taglang la in die morey plains.

wir naehern uns dem hoechsten pass dieser route, dem taglang la auf 5300 m. die hoehe merkt man, sowohl die maschine, als auch ich schnaufen und haben atemnot. langsam kriechen wir hoch und koennen, oben angelangt, bis zum karakorum-gebirge sehen. das ich das alles mal sehen wuerde, haette ich nicht gedacht. solche blicke scheinen manchmal fast jede muehe wert. ab jetzt geht es nur noch bergab, die landschaft wird wieder etwas gruener, die bizarren felsformationen haben unterschiedliche farben, gompas und chortens tauchen auf (mehr dazu in einem anderen bericht), kurz, es ist faszinierend anders, aber meine helfer und begleiter rasen immer noch.
im ort upshi machen wir eine pause und ich bin ein wenig boese. es gibt keine grund sich so zu hetzen, leh ist nur noch eine stunde fahrt von hier entfernt und es ist erst drei uhr nachmittags. als ich gerade die bis dato besten momos verschlinge, beschliesse ich den gleichen weg zurueckzufahren (dann aber nach manali) und nicht die route ueber srinagar (kashmir) zu nehmen wie urspruenglich geplant. letztere ist sowieso ein wenig gefaehrlich und so kann ich hoffentlich auf der rueckfahrt alles ein wenig langsamer, touristischer angehen.
die fahrt nach leh ist angenehm, die strasse sehr gut und gleich am wegesrand passieren wir die ersten sehenswuerdigkeiten von ladakh, die beruehmte thiksey-gompa (letzteres meint eine klosteranlage), shey und stok. als wir schliesslich in leh ankommen, bin ich zum einen erleichtert gut angekommen zu sein und zum anderen ein wenig traurig darueber, dass nun bald das ende der gemeinsamen zeit gekommen ist. wir verabreden uns fuer spaeter zum essen, ich suche bzw. finde ein schoenes zimmer und ..... ja, ja, noch ist nicht aller tage abend.

endlich angekommen (virendr, duke, die zivilisten ashish und ayai, salad)- es fehlt der major "bonny", der musste mit hohen offizieren speisen.

endlich angekommen (virendr, duke, die zivilisten ashish und ayai, salad)- es fehlt der major "bonny", der musste mit hohen offizieren speisen.

© Ralf Knochner, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
. := Auf einer Enfield Bullet durch den Norden Indiens := . . Den zweiten Teil der Reise findet ihr in der Rubrik Südostasien/Laos unter "Dauerlächeln und Bombenstimmung - der Fortsetzungsroman in Südostasien". Bis jetzt ist erst der Teil über Laos fertig, Kambodscha folgt noch.
Details:
Aufbruch: Januar 2004
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 18.07.2004
Reiseziele: Indien
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh
Der Autor
 
Ralf Knochner berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Ralf sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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