Heilige Kühe und GoGo-Girls

Reisezeit: Januar - Juli 2004  |  von Ralf Knochner

bharatpur - insel des glücks: am rande erzählt


13. februar - nationaler feiertag (von mir ausgerufen)

tag des ersten festen stuhls... in einer art regentanz springe ich um das klo herum und danke laut dem gott der chemiekeule. dem starken drang, ein foto zu machen kann ich gerade noch widerstehen.

der barbier von bharatpur
freundlich und stolz schaut er in die kamera. wahrlich, er hat im leben großartiges vollbracht - leider nicht bei mir.
der friseursalon ist eingerichtet wie immer - vor 20 jahren wurden viele spiegel und eine reihe von neonröhren an die wand gehämmert, friseurstühle für kleine indische hintern erworben und ein brett für die wartenden angebracht - seitdem verfällt alles nur noch.
zuerst hat er mich kräftig eingeseift und dann leider recht unsauber rasiert, aber ich war trotzdem glücklich - glücklich unverletzt gehen zu können. ich hatte erst nach dem hinsetzen bemerkt, dass er offenkundig an parkinson oder ähnlichem litt, jedenfalls machte seine rasurhand sprünge zwischen 5 und 7 cm. als schlussendlich die momente der pein vorüber waren, gab er sich nochmal mühe und hat mir das gesicht und die kopfhaut massiert - leider so stark, dass ich dachte, mein ende wäre gekommen. ja ja, ich weiß schon, diese verweichlichten westler. zur ehrenrettung der indischen barbiere sei erwähnt, dass sie sonst ausgezeichnete arbeit abliefern.

der barbier von bharatpur

der barbier von bharatpur

auch eine art zu reisen
eines abends treffe ich eine österreicherin, die an der deutschen schule in delhi unterrichtet und hier einen wochenendausflug absolviert. sie wohnt seit zwei jahren in delhi und hat kürzlich um ein jahr verlängert. gerade hat sie ihr interesse an der hiesigen vogelwelt entdeckt, beklagt sich dann aber kurz über die aufdringlichen rikschafahrer am bahnhof. schlussendlich sei dann die fahrt zum hotel aber doch spottbillig gewesen.
ich versuche, ihr zu erklären, dass ihr rikschafahrer (nur hier in bharatpur, in anderen städten ist das system ein wenig anders) die hälfte ihres ersten übernachtungspreises als kommission bekommen wird. das will sie mir nicht glauben... sie hätte zwar schon von sowas gehört, ... aber nein, nein.
ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich über soviel naivität lachen, den kopf schütteln oder sie beneiden soll. sie erscheint mir wie der lebende beweis dafür, dass jeder indien ganz anders erleben kann, wenn er bereit ist, bestimmte dinge einfach nicht wahrzunehmen. letztendlich komme ich zu dem schluss, dass ich sie darum beneide ... sie erlebt indien sicher viel entspannter als ich.

sehenswürdigkeiten
das ist das schöne am motorrad: einfach aufsteigen und losfahren. fatepur sikri ist nicht weit weg und soll eine der größeren sehenswürdigkeiten sein, eine befestigte, heute verlassene Stadt. also nichts wie hin an einem vormittag.

in fatepur sikri.

in fatepur sikri.

es sind schon einige busse mit touristen da und an selbsternannten führern mangelt es nicht. ich schnappe mir einen davon und ganz treuherzig meint er, ich könne ihm dann am ende das geben, was ich für richtig halte.
hahaha... den trick kenne ich schon: westler sind dafür bekannt, immer viel zuviel zu geben und ich warne ihn gleich, dass er nachher meinen wird, das wäre zu wenig. ooohnein, das wuerde er niiiiieeee tun, denn er mag meinen charakter (... oh mann, halt die schnauze, ... das nervt!).
na ja, er macht die sache ja ganz ordentlich und er kann auch nichts dafür, dass ich geschichte im allgemeinen etwas ermüdend finde (irgendwer hat gegen irgendwen anderen irgendeinen krieg geführt, usw., etc.).
alles ist ziemlich staubig, es ist heiß, überall lauern postkarten, handgeschnitzte pferde und diese das-brauchst-du-doch-ganz-bestimmt-verkäufer. kurzum - nichts wie weg. Als ich meinem führer nach knapp mehr als einer stunde 50 rs (ca. 85 cent) gebe, bricht er fast in tränen aus und macht auf beleidigt. zum trost will er mich noch in den laden des angeblichen onkels reinziehen - natürlich nur zum schauen... natürlich...!!! und kriegt dadurch noch ein paar rupias.
oh mann, machmal nervt es gewaltig, wenn sie einen für so doof halten (ich wünschte, ich könnte das einfach ausblenden, so wie die oben beschriebene dame... ach wäre das schön).

architektur in deeg.

architektur in deeg.

deeg ist ein anderes ziel für einen halbtagesausflug und viel schöner als fatepur sikri. der ort ist fast parkähnlich angelegt und der eintritt wesentlich billiger (260 rs in fatepur sikri, 100 rs in deeg). ich bin mit einem der beiden studenten aus dem gästehaus hingefahren und habe schöne fotos gemacht.
auf der rückfahrt klammert der student sich an mich und schläft fast ein. daran muss ich mich noch gewöhnen, die extreme körperliche nähe zwischen männern fällt mir wirklich nicht immer einfach.

szene in deeg.

szene in deeg.

auf den letzten kilometern ist es schon dunkel und auf diese erfahrung möchte ich in zukunft gerne verzichten: die scheinwerfer der fahrzeuge sind - vielleicht sogar absichtlich - nicht auf die straße gerichtet, sondern ganz normal geradeaus. das blendet extrem, und im gegensatz dazu sind weder die straßen noch die mehrzahl der verkehrsteilnehmer irgendwie beleuchtet.

oh schande
ebendieser oben erwähnte student durfte heute morgen mit meinem motorrad fahren. er ist nett, erwachsen und ist sicher schon mit manchen motorrädern gefahren, aber von schmächtiger statur. ich setze mich entspannt auf die veranda und frühstücke. er kommt zurück, stellt das motorrad ab, wir unterhalten uns... die zeit vergeht.
am nachmittag, als ich wegfahren will, merke ich, dass mit dem motorrad etwas nicht stimmen kann... öl tropft heraus und - erst jetzt sehe ich es - der schalthebel und die fußraste sind verbogen.
ich frage höflich aber bestimmt nach, und tatsächlich hat er einen kleinen unfall gehabt, hat sich aber so geschämt, dass er nichts gesagt hat. das ist doch echt zum kotzen. ein unfall kann mir auch passieren, aber nichts zu sagen, das ist ein starkes stück, mein junge.
er fährt mit mir zu einem mechaniker, aber am dienstag haben die alle zu (hier schließen die geschäfte stadtviertelweise und meistens gibt es für jeden beruf bestimmte viertel). also werde ich noch einen tag bleiben und hoffen, dass es keine probleme gibt... zahlen wird natürlich der verursacher, da kenne ich nichts.

nachtrag: reparatur auf die indische art, quasi mit der brechstange - aber das motorrad hält ja was aus. der geldbeutel des armen studenten wurde auch geschont (40 rs), bei mir hätten sie vermutlich mindestens das doppelte verlangt. insgesamt halt doch einen tag verloren... aber hey... ich hab ja zeit, gelle.

und die moral von der geschicht: verleih niemals dein motorrad nicht.

im park
gerade sitze ich wieder im naturschutzgebiet von bharatpur und schreibe ein paar zeilen für diesen bericht und - ich gestehe meine sünde - höre musik. als ich nach 10 minuten den kopf hebe, traben, fliegen oder sitzen in einem radius von 5 metern um mich herum mindestens 10 verschiedene arten von vögeln. vor mir sucht ein kranich das wasser ab und gerade eben ist ein eisvogel direkt vor meinem gesicht vorbeigeflogen... dieser park ist herrlich!

© Ralf Knochner, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
. := Auf einer Enfield Bullet durch den Norden Indiens := . . Den zweiten Teil der Reise findet ihr in der Rubrik Südostasien/Laos unter "Dauerlächeln und Bombenstimmung - der Fortsetzungsroman in Südostasien". Bis jetzt ist erst der Teil über Laos fertig, Kambodscha folgt noch.
Details:
Aufbruch: Januar 2004
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 18.07.2004
Reiseziele: Indien
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh
Der Autor
 
Ralf Knochner berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Ralf sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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