Zu den Burgen im Zweimuldental

Reisezeit: Juli 2017  |  von Herbert S.

Jugendstil in Chemnitz

Eigentlich wollten wir ja zum Bauernmarkt am Kloster Buch, aber gestern Abend habe ich mir überlegt, dass diese Ereignisse eigentlich alle gleich sind und uns daher ein halber Tag für andere Besichtigungen fehlen könnte.
Im Stadtplan von Chemnitz taucht auf einmal der Name van de Velde auf, ich werde hellhörig und tatsächlich befindet sich im ehemaligen Wohnhaus des Strumpffabrikanten Herbert Esche das von de Velde-Museum. Es wird unser erster heutiger Zielort.

Villa Esche - Baujahr 1903 - Umbau 1911

Villa Esche - Baujahr 1903 - Umbau 1911

Der junge Chemnitzer Textilunternehmer Herbert Eugen Esche - ein Kenner und Liebhaber zeitgenössischer Kunst - erteilte 1902 dem belgischen Künstler Henry van de Velde den Auftrag zum Bau einer repräsentativen Villa. Bereits 1899 hatte van de Velde Mobiliar für die Wohnung des jungen Ehepaares auf dem Kaßberg entworfen.
Van de Veldes „Entwurf für das Leben" ging von der Idee eines Gesamtkunstwerkes aus, eine Vision, die sein späterer Weimarer Schüler Walter Gropius (1883-1969) mit dem Bauhaus-Konzept in Dessau konsequent wieder aufgriff.
Entwurf und Bau der Villa Esche In Chemnitz waren van de Veldes erstes architektonisches Auftragswerk in Deutschland, bei dem er zudem die völlige Freiheit des Gestalters und das umfassende Vertrauen seiner Auftraggeber genoss. Damit dokumentiert die geradlinige und funktionale Gestaltung der Villa Esche besonders authentisch van de Veldes rationale Auffassung des Jugendstils.

Ein überaus entgegenkommenden älterer Herr führt uns durch das Haus und läßt uns auch in Räume hineinschauen, die nicht zur offiziellen Führung gehören. Wieder einmal hat sich ein Architekt unabhängig von Baukosten wohl ‚austoben‘ können, denn die vielen Details zeugen von durchdachtem Bauen vor hundert Jahren.
Der Entwurf des Gestalters umfasste alle Bereiche des Wohnumfeldes der Familie: von Fassade und Raumanordnung über Wandgestaltung, Wand-bespannung, Türen, Fenster, Lampen und Teppichen bis hin zu Mobiliar, Porzellan, Silber und privaten Gebrauchsgegenständen.

Speisezimmer (EG)

Speisezimmer (EG)

Nachdem der Belgier seine Vorstellungen 1895 in seinem eigenen Haus im Brüsseler Stadtteil Uccle zum ersten Mal verwirklicht hatte, bildete das Haus Esche seine erste architektonische Manifestation in Deutschland. Verwandte Gestaltungskriterien lassen sich dabei beobachten. So gruppierte Henry van de Velde gern den Grundriss seiner Häuser um eine zentrale, von oben belichtete Halle, deren Schwerpunkt die Treppe ist. Von diesem Raum lassen sich fast alle anderen erreichen. Zierstück des ansonsten fensterlosen Zentrums ist stets ein farbiges Oberlicht mit einer betont künstlerischen Wirkung.

Halle und Treppenaufgang

Halle und Treppenaufgang

im Glaskuppelsaal befindet über dem Jugendstilglas eine begehbare Glaskonstruktion

im Glaskuppelsaal befindet über dem Jugendstilglas eine begehbare Glaskonstruktion

Im oberen Stockwerk werden überwiegend Möbel aus der Villa Esche präsentiert.

Schrank, zweiteilig , 1910

Schrank, zweiteilig , 1910

Frisierkommode mit schwenkbarme Spiegel , 1897

Frisierkommode mit schwenkbarme Spiegel , 1897

Sessel - 1901/02 aus anderer Wohnung
und Notenschrank - 1897 - Ausführung van de Velde

Sessel - 1901/02 aus anderer Wohnung
und Notenschrank - 1897 - Ausführung van de Velde

Spieltisch und Stühle - Familie Esche Gutshaus Lauterbach -  1907/08

Spieltisch und Stühle - Familie Esche Gutshaus Lauterbach - 1907/08

große Amphore - 1902 - Villa Esche

große Amphore - 1902 - Villa Esche

Bücherschrank mit abnehmbarem Aufsatz  - 1897 - Ausführung van de Velde

Bücherschrank mit abnehmbarem Aufsatz - 1897 - Ausführung van de Velde

durchdachte Details - wie ein von der Diele bestückbarer Schrank, dem man Tischwäsche im Zimmer entnehmen konnte.

durchdachte Details - wie ein von der Diele bestückbarer Schrank, dem man Tischwäsche im Zimmer entnehmen konnte.

Heizkörperverkleidung mit angebauten Stauschränken

Heizkörperverkleidung mit angebauten Stauschränken

Durchdachte Details begeistern den

Wie schon beschrieben war die gartengestaltung ebenfalls Teil der Gesamtkonzeption des Architekten

die heute als Restaurant genutzte Remise stammt aus der gleichen Zeit  wie die Villa

die heute als Restaurant genutzte Remise stammt aus der gleichen Zeit wie die Villa

Das Haus scheint in einem ehemalig vornehmen Viertel von Chemnitz zu stehen, denn auch gegenüber stehen noch imposante (Jugendstil)Villen.

© Herbert S., 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir lieben Schlösser und Burgen - der Freistaat hat eine SchlösserLand-Card herausgegeben, die mit 20€ für 10 Tage gültig, Zugang zu nahezu 50 Gebäuden ermöglicht. Die Freiberger und die Zwickauer Mulde vereinigen sich bei Colditz zur Vereinigten Mulde und durchfließen eine der schönsten Regionen von Sachsen. Unser Feriendomizil ist damit zentraler Ausgangspunkt zur Erkundung von ganz Sachsen, inmitten der Metropolen Dresden, Leipzig und Chemnitz.
Details:
Aufbruch: 03.07.2017
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 13.07.2017
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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