Zu den Burgen im Zweimuldental
Schloss Lichtenwalde: Scherenschnitte aus aller Welt
Farbschablonen aus Japan
Bringt man die Begriffe Papier und Japan zusammen, denkt man vor allem an die berühmten Falttechniken - Origami genannt. Weniger geläufig sind die kunstvoll und minutiös geschnittenen Schablonen, mit denen man Stoffe einzufärben pflegte. Katagami heißen diese Färbeschablonen, die heute von Sammlern weltweit gesucht sind. Bekannt ist die Technik seit dem 7. Jahrhundert. Die in Lichtenwalde gezeigten Katagami stammen aus der Edo-Periode (1603/15 -1868) und entstanden in der Gegend um Kyoto. Nach der Öffnung Japans 1868 veränderte sich die Mode stark, so dass die Katagami an Bedeutung verloren. Grundsätzlich werden bei den Papierschnitten Schere oder Messer, manchmal auch beide Werkzeuge in Kombination verwendet. Zur Herstellung der Katagami benutzte man ausschließlich Messer. Bei komplizierten Mustern, an denen sich „freischwebende'1 Teile befinden, griff man zu einem unglaublichen Trick: Zwei dünne Papierblätter wurden überein-andergelegt und geschnitten, so dass zwei identische Muster entstanden. Zwischen beide Schichten klebte man hauchdünne Seidenfäden ein, an denen die losen Schnipsel „schweben".
Die Anfänge des Scherenschnitts im deutschsprachigen Raum reichen bis in das 17. Jahrhundert zurück, als man zunächst Darstellungen aus weißem Papier oder Pergament schnitt. In der Abgeschiedenheit von Klöstern entstanden ganz besonders viele dieser Arbeiten. Die „Porträtierwut" der Scherenschneider des 18. Jahrhunderts wurde bereits eingehend dokumentiert, doch entwickelten sich daneben auch ornamentale oder szenische Darstellungen in großer Fülle. Besonders die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, die sich für viele mit dem Begriff Biedermeier verbindet, sorgte für einen Aufschwung der kleinmeisterlichen Technik. In zahlreichen bürgerlichen Haushalten wurde der Scherenschnitt zur „Erbauung" in Musestunden gepflegt, aber auch namhafte Künstler, Dichter und Philosophen griffen gelegentlich zu Schere und Messer.
Während die Ausbreitung der Fotografie ab 1839 für einen schrittweisen Rückgang der Porträtsilhouetten-Nachfrage sorgte, blieb der ornamentale und Genre-Scherenschnitt in seiner Beliebthalt erhalten. Vielfigurige Szenen standen hoch in der Gunst des Publikums.
Die im 19. Jahrhundert beliebten Genreschnitte beflügelten eine ganz neue Gattung, nämlich den Illustrationsschnitt. Zunächst noch gar nicht für die Vervielfältigung in Büchern gedacht, wurde er aber bald dafür entdeckt. Und mit dem „Münchener Bilderbogen" und ähnlichen Druckerzeugnissen entfaltete er ein regelrechtes Eigenleben. Gegen Ende des Jahrhunderts hielt er mit Aufkommen des Jugendstils auch Einzug auf dem Gebiet der Postkarte und entwickelte sich in dieser Form zum regelrechten Sammelgegenstand. Allerdings entfernte sich der Scherenschnitt durch Vervielfältigung mittels Druck von seinem Unikatcharakter und von der eigentlichen Herstellungstechnik, weshalb wir diese Erscheinung im Rahmen unserer Ausstellung nicht näher verfolgen.
Das 19. Jahrhundert ging als Zeitalter der Industrialisierung in die Geschichte ein, so dass Bestrebungen nicht verwundern, durch Stanzen eine Vervielfältigung des Scherenschnitts erreichen zu wollen. Dem zarten Wesen des Scherenschnitts hat dies allerdings nie entsprochen.
Unbekannter Künstler - zwei Offiziere mit ihren Damen - Scherenschnitte, mit Stoff unterlegt Deutschland, um 1825 / 30
Aufbruch zu neuen Zeiten
Mit dem Jugendstil kehrten um 1900 neue künstlerische Anschauungen auch auf dem Gebiet des Scherenschnitts ein. Besonders das Genre der Plakatkunst nahm zahlreiche Anleihen an den Schattenbildern. Zugleich begann eine Aufarbeitung des alteren Schaffens, was sich durch Besprechung in verschiedenen Publikationen wie z.B. dem „Kunstwart" äußerte. Bis 1920 erschienen zahllose Veröffentlichungen zur Silhouettierkunst. Die neuen Strömungen von Kubismus, Expressionismus und Fauvismus wirkten auf die experimentierfreudigen Vertreter des Scherenschnitts ein, was sich bei einigen von ihnen in einer vollkommen neuen Sichtweise - wegführend vom Naturalismus - zu äußern begann. Das Werk des Malers und Scherenschneiders Fritz Griebel ist dafür ein deutliches Beispiel. Ein geistiger und künstlerischer Stillstand war in der Zeit des Dritten Reiches zu verzeichnen. Die kitschige und flache Ausdrucksweise vieler publizierter Papierarbeiten dieser Zeit haben leider nicht wenig zur Geringschätzung des Scherenschnitts beigetragen. Erst nach 1950 konnte sich die Scherenschnittkunst wieder entfalten, wobei die Teilung Deutschlands zu unterschiedlichen Entwicklungen führte.
Aufbruch: | 03.07.2017 |
Dauer: | 11 Tage |
Heimkehr: | 13.07.2017 |