Zu den Burgen im Zweimuldental

Reisezeit: Juli 2017  |  von Herbert S.

Colditz

Wie üblich beginnt unser Tag gegen 9.30 Uhr – ganz in der Nähe unseres Hauses liegt der Heimatturm, der 1901 anläßlich eines 1. Heimatfestes errichtet wurde. Eine Kindergartengruppe macht dort Picknick, aber leider ist der Turm gesperrt – bei gutem Wetter soll man eine tolle Aussicht bis Leipzig haben.

Heimatturm

Heimatturm

Daher sind wir bereits 9.50 Uhr am Schloss Colditz, das in der Hauptsache eine riesige Europa-Jugendherberge beherbergt. Der andere Teil der großen Burg ist zwar äußerlich weitgehend wiederhergestellt, hat aber noch viel Innenräume, die der Restaurierung harren und daher nicht besichtigt werden können. Nur das Museum ist zu besichtigen.

Das Schloss Colditz ist Wahrzeichen der Stadt Colditz und schon von Weitem sichtbar auf einem 30 Meter hohen Fels am Ufer der Mulde gelegen. Im Jahr 1046 erstmals urkundlich erwähnt, diente das Schloss unter anderem als Jagdschloss, Armenhaus, Verwahranstalt für geistig Kranke, Gefangenenlager oder Krankenhaus. Heute ist Schloss Colditz Eigentum des Freistaates Sachsen und beherbergt eine Jugendherberge und das sogenannte Fluchtmuseum. Weitere Räumlichkeiten befinden sich noch in der Restaurierungsphase.

Jugendherberge in Schloss Colditz

Jugendherberge in Schloss Colditz

Besondere Bedeutung erlangte Schloss Colditz im Zweiten Weltkrieg als Hochsicherheits-Gefangenenlager für alliierte Offiziere, die bereits durch mehrere Ausbruchsversuche aus anderen Lagern von sich Reden gemacht hatten. Wegen seiner baulichen Gegebenheiten erachtete die Deutsche Wehrmacht das Schloss Colditz als besonders geeignet für einen solchen Zweck.
Allerdings hatte man nicht mit der Intelligenz, dem Erfindungsreichtum und Freiheitswillen der Gefangenen gerechnet: Über 300 Fluchtversuche wurden gewagt - davon waren 31 erfolgreich.

Gefangenenlager Oflag IV C - OFLAO IV C
Das Kürzel Oflag steht für Offiziersgefangenenlager. Es gab aber auch Stalags (Stammlager) für die Mannschaften oder Dulags (Durchgangslager). Seit Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurden in den 22 Wehrkreisen des Reiches Kriegsgefangenenlager eröffnet. Diese waren mit römischen Ziffern gekennzeichnet. Die Zahl IV gehörte zum Wehrkreis Provinz Sachsen. Ein Großbuchstabe präzisierte das Lager auf dem jeweiligen Ort. So ergab sich für Colditz also Oflag IV C.
Nach dem Krieg wurden vor allem in Großbritannien die Geschichten der Gefangenen aus Colditz zu populären Legenden.

Gefangenenlager Oflag IV C - OFLAO IV C
Das Kürzel Oflag steht für Offiziersgefangenenlager. Es gab aber auch Stalags (Stammlager) für die Mannschaften oder Dulags (Durchgangslager). Seit Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurden in den 22 Wehrkreisen des Reiches Kriegsgefangenenlager eröffnet. Diese waren mit römischen Ziffern gekennzeichnet. Die Zahl IV gehörte zum Wehrkreis Provinz Sachsen. Ein Großbuchstabe präzisierte das Lager auf dem jeweiligen Ort. So ergab sich für Colditz also Oflag IV C.
Nach dem Krieg wurden vor allem in Großbritannien die Geschichten der Gefangenen aus Colditz zu populären Legenden.

Schloss Colditz war ab Herbst 1939 vorerst eins von vielen Offiziersgefangenenlagern im Deutschen Reich. Nachdem sich Ausbrüche aus anderen Lagern häuften, richtete das Oberkommando der Wehrmacht im November 1940 hier - inmitten des Reiches und fern von jeder Grenze - ein Sonderlager ein. Dies bedeutete mehr Zählappelle, mehr Wachpersonal und mehr Durchsuchungen als in anderen Oflags. Trotzdem hielt sich das deutsche Regime an die Grundsätze der Genfer Konvention von 1929, wonach gefangene Offiziere zu jeder Zeit human behandelt und in ihrer persönlichen Würde respektiert werden mussten. Ihnen stand das Recht auf persönliches Eigentum und freie Religionsausübung zu. Intellektuelle und sportliche Aktivitäten der Gefangenen sollten gefördert werden. Neutrale Staaten, die „Schutzmächte", kontrollierten die Umsetzung der Genfer Konvention und kamen auch mehrmals im Jahr ins Schloss Colditz, wo sich ihre Delegierten frei bewegen konnten. Sie führten sogar Gespräche ohne deutsche Zeugen. Gefundene Mängel sollte die Wehrmacht beseitigen. Den Gefangenen war es erlaubt, eine bestimmte Anzahl von zensierten Postkarten und Briefen zu versenden. Sie durften Pakete mit Kleidung, Nahrung und Büchern empfangen. Ihren Sold erhielten sie in Lagergeld ausgezahlt. Bestrafungen gab es in Form von Einzelhaft, die meist ein bis drei Wochen dauerte. Die hierfür vorhandenen Zellen reichten aber oft nicht aus, so dass kurioserweise manchmal zwei Gefangene zusammen in „Einzelhaft" saßen.
Als Kollektivstrafen wurden der Parkspaziergang untersagt oder die Nutzung des Theatersaals verboten. Eine Pflicht zur Teilnahme an Arbeitseinsätzen gab es nur für die persönlichen Assistenten der höheren Offiziere, die Ordonnanzen.

Wer nach Colditz eingeliefert wurde, war nicht nur Offizier, sondern zählte zu den "Bösen Buben" - wie sich die Gefangenen selbst nannten. Sie waren entweder mehrfach ausgebrochen oder besonders prominent, besonders aufsässig bzw. besonders deutschfeindlich. Als deutschfeindlich galt, wer z.B. den militärischen Gruß verweigerte.
Auf kriegsgefangener wie auf deutscher Seite schaukelte sich in den Kriegsjahren das Repertoire an Katz- und Mausspielen beträchtlich hoch. Scheiterte ein Ausbrecher, brachte er bei seiner Wiedereinlieferung sein Wissen mit zurück, um beim nächsten Mal noch geschickter sein zu können. Die „Bösen Buben", aber auch ihre Bewacher wurden immer erfahrener, so dass sich Colditz zu einer Arabeske unter den Kriegsgefangenenlagern, zu einer Fluchtakademie entwickelte.

So wurden Pappmaschee-Puppen für den Appell von 'abwesenden' Gefangenen hergestellt - hierzu wurden Stoffe umgefärbt und  Mantelknöpfe aus Stanniol produziert.

So wurden Pappmaschee-Puppen für den Appell von 'abwesenden' Gefangenen hergestellt - hierzu wurden Stoffe umgefärbt und Mantelknöpfe aus Stanniol produziert.

Im Juni 1941 versuchte der französische Leutnant Boule als Frau verkleidet zu fliehen. Seine Kleidung war in monatelanger Arbeit entstanden und die Perücke hatte ihm seine Frau geschickt. Am Tag der Flucht begann das Täuschungsmanöver auf dem Weg in den Park. Boule trug über dem Kostüm seinen Uniformmantel. In einer unübersichtlichen Kurve zogen ihm Kameraden den Mantel vom Leib, er setzte Perücke und Hut auf, drehte sich um und ging in entgegengesetzter Richtung fort. Dabei verlor er jedoch unbemerkt seine Armbanduhr.
Ein anderer Gefangener, der von dem Fluchtversuch nichts ahnte, hob die Uhr auf und gab sie einem Wachmann mit dem Hinweis, „die Dame" habe sie verloren. Der Wachmann ging also der Frau hinterher. Boule hörte ihn näherkommen, verlor die Nerven und gab auf.

die Dame Boule

die Dame Boule

In acht Monaten Bauzeit entstand ab 1941 ein extrem aufwendiger und langer Tunnel unter der Schlosskirche. Die französischen Erbauer nutzten einen alten Schacht der Turmuhr, in dem die Uhrengewichte hingen. Oben bei der Uhr waren die französischen Quartiere, und der Schacht führte von dort bis hinunter ins Kellerhaus.
Ihren eigenen Schacht begannen die Gefangenen im Weinkeller und durchbrachen dort die romanischen Fundamente der Kapelle. Dann stieg ihr Schacht auf und schlängelte sich unter dem Kirchenfußboden von West nach Ost, um ganz im Osten wieder in Höhe des Erdreichs der außen gelegenen Terrasse anzukommen. Als die Wachen das Bauwerk im Januar 1942 entdeckten, waren 44 Meter fertiggestellt. Nur wenige Meter und die Franzosen hätten ihr Ziel erreicht.

Sogar ein Segelflugzeug wurde von britischen Gefangenen ab 1944 auf dem Dachboden des Kirchenhauses gebaut. Während des Krieges kam der Gleiter jedoch nicht zum Einsatz.

Sogar ein Segelflugzeug wurde von britischen Gefangenen ab 1944 auf dem Dachboden des Kirchenhauses gebaut. Während des Krieges kam der Gleiter jedoch nicht zum Einsatz.

Das Modell des Gleiters kam in den 1990er Jahren aus Großbritannien ins Schloss. Es zeigt ihn im Maßstab 1:4.
Im Fluchtmuseum sind weitere Werkzeuge, Ausstattungen und vieles mehr von den abenteuerlichen Fluchtversuchen zu bewundern.

Auch an diese Besichtigung schließt sich ein kleiner Rundgang durch die Stadt an. Wir laufen hinunter zum Marktplatz, an dem Rathaus und eine große Dorfbäckerei aufwändig restauriert sind.

Dagegen macht die Sophienschule äußerlich noch den Eindruck einer Kaderschule der DDR.

Nur wenige Kilometer weiter im Ortsteil Podelwitz ist das Schloß gleichen Namens als Wasserschloß zwar ‚trockengelegt‘, aber bietet trotzdem einen schönen Anblick mit großem Taubenhaus.

Über die Erbauung des Schloß Podelwitz gibt es keinen urkundlichen Nachweis. Bereits 1286 wird ein Heinrich von Schellenberg erwähnt, der von einem damals sicher noch hölzernen Burgbau aus den Schutz der Muldenfurt ' zu sichern hatte. Früher als Wehrburg dienend, vermittelt es noch heute durch die vorhandenen Wassergräben und Brücken den Eindruck einer Wasserburg. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Wasserschloß Podelwitz 1487. Das jetzige Schloß Ist ein Renaissancebau aus dem 15./16. Jahrhundert. Als 1893 ein Anbau hinzugefügt wurde, stellte man fest, dass das alte Fundament auf Eichenstämmen ruht. Die ersten erwähnten Besitzer waren die "von Schellenberg", das Wappen am Eingangsportal ist das von Ullrich Maximilian von Rechenberg.
1850 geht das Schloß Podelwitz In den Besitz der Familien von Reiswitz. Wenzel Freiherr von Reiswitz, der das Schloß 1923 erbte, wurde 1945 durch die Bodenreform enteignet. Das Schloß wurde 1991 durch die Gemeinde mit
Unterstützung von Fördermitteln restauriert.

Es ist heute ein Hotel, das allerdings mit der zugehörigen Heimatschänke nur sonntags geöffnet hat.

1867 wird das an der 'Freiberger Mulde' liegende Muldenschlösschen errichtet. 1893 erfolgte ein Anbau an den rechteckigen Hauptbau.

Muldenschlösschen

Muldenschlösschen

Die benachbarten Häuser und Höfe spiegeln allerdings noch die Zeit vor der Wende wider. Im Ort sind die meisten anderen Gebäude – wie in sehr vielen Orten – noch im alten DDR-Zustand. Offensichtlich fließen die öffentlichen Fördermittel in die öffentlichen Gebäude wie Rathäuser, Museen o.ä.

© Herbert S., 2017
Du bist hier : Startseite Europa Deutschland Colditz
Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir lieben Schlösser und Burgen - der Freistaat hat eine SchlösserLand-Card herausgegeben, die mit 20€ für 10 Tage gültig, Zugang zu nahezu 50 Gebäuden ermöglicht. Die Freiberger und die Zwickauer Mulde vereinigen sich bei Colditz zur Vereinigten Mulde und durchfließen eine der schönsten Regionen von Sachsen. Unser Feriendomizil ist damit zentraler Ausgangspunkt zur Erkundung von ganz Sachsen, inmitten der Metropolen Dresden, Leipzig und Chemnitz.
Details:
Aufbruch: 03.07.2017
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 13.07.2017
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
Bild des Autors