historisches Weserbergland - Spuren der Zeit

Reisezeit: Mai 2022  |  von Herbert S.

Rinteln

Im Mittelalter umschloss eine Stadtmauer die Stadt Rinteln, deren Ausbau in der Neuzeit die Stadt zur Festung Rinteln machte. Hiervon zeugt auch heute noch der aktuelle Stadtplan und das im Museum befindliche Modell der Stadt.
Von 1619 bis 1810 war Rinteln zudem Universitätsstadt. Rinteln war Bis zum Jahr 1977 war Rinteln Kreisstadt, zunächst bis 1904 des Landkreises Rinteln, seit 1904 des Landkreises Grafschaft Schaumburg.

Modell in der Eulenburg

Modell in der Eulenburg

Zahlreiche Städte an der Weser haben Pospekte mit der Beschreibung eines historischen Rundgangs durch die Stadt herausgegeben, so auch Rinteln.
Sie beginnt auf dem Marktplatz mit seinen schönen Fachwerkbauten.

Marktplatz

Marktplatz

Das prächtigste Gebäude des Marktes ist der Ratskeller, das frühere Rathaus der Stadt, dessen Anfänge in das 13. Jahrhundert zurückreichen.
Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Fassade im Stil der Weserrenaissance umgestaltet. Seit dem Auszug der Stadtverwaltung im Jahr 1900 dient das Gebäude als Restaurant und Veranstaltungsstätte.

ehemaliges Rathaus

ehemaliges Rathaus

Es handelt sich um zwei nebeneinanderliegende, mit ihren Giebeln dem Markt zugewendete, zweigeschossige Gebäude. Die Schauseite des älteren gleicht den Unkair-Bauten in Stadthagen. Die Staffeln des Treppengiebels tragen kugelbesetzte welsche Giebel. Die Giebelfläche wird lediglich durch die Fenster und scharfkantige Gesimse gegliedert. Die Gesamtfassade beherrschen zwei unterwölbte Ausluchten, die das niedrige Portal flankieren und wiederum mit Halbkreisaufsätzen bekrönt sind (bez. 1583).
Das linke Haus (ca. 1597) hat dagegen einen Volutengiebel, ähnlich denen des Schlosses Varenholz mit den stilistischen Merkmalen der Spätstufe der Weserrenaissance. Während die Giebelfläche schlicht gehalten ist, weist die Mittelauslucht — in der Weserrenaissance seltenes Motiv: Mittelrisalit des Schlosset Varenholz und Auslucht des Rathauses Nienburg — reichen Schmuck auf.

Wenige Schritte vom Marktplatz entfernt erhebt sich als weithin sichtbares Wahrzeichen Rintelns der Turm von St. Nikolai. Die erstmals 1238 erwähnte dreischiffige Hallenkirche mit ihrem um 1795 errichteten, spätbarockem Turmaufbau lohnt einen Besuch.
Im Inneren befinden sich unter anderem die Grabplatte und ein Bildnis des 1632 hier beigesetzten Theologieprofessors und Superintendenten Josua Stegmann, Schöpfer des Kirchenliedes „Ach bleib mit Deiner Gnade“ nach der Melodie von "Christus, der ist mein Leben", von Melchior Vulpius, 1609.

St. Nikolai

St. Nikolai

Im Bürgerhaus, ab 1900 Sitz der Stadtverwaltung, befinden sich heute Standesamt, Stadtarchiv und Tourist-Information. Um 1750 stand hier ein einstöckiger Steinbau mit barockem Mansarddach, dessen nördlicher Teil der damaligen hessischen Festung als Hauptwache diente. Nach der Schleifung der Festung beherbergte der in Fachwerk aufgestockte Bau zeitweilig das Landgericht und das Polizeigefängnis.

Bürgernhaus

Bürgernhaus

Unmittelbar vor dem Kirchplatz erreichen wir eines der schönsten Bürgerhäuser der Stadt. Der reich verzierte Renaissance-Fachwerkbau aus dem Jahr 1620 beherbergte viele Jahre lang das Schaumburgische Heimatmuseum.

altes Museum

altes Museum

Drei steinerne Schweineskulpturen
Beim Gang durch die breite Brennerstraße fallen vor dem Haus Nr. 14 drei steinerne Schweineskulpturen ins Auge. Sie sollen an die regelmäßigen Viehmärkte erinnern, die seit 1740 in Rinteln abgehalten wurden. Hier in der Brennerstraße hatte bis zum Jahr 1969 der Schweine- und Ferkelmarkt seinen Platz.

Schweinemarkt

Schweinemarkt

wiedererrichteter Stadtturm

wiedererrichteter Stadtturm

Am Münchhausenhof findet man ein besonderes Juwel der Weserrenaissance.
Vom Hof sind nur noch das ausluchtartige steinerne Gartenhäuschen und ein schlichtes Wirtschaftsgebäude mit großem, rundbogigem Bossenstein-Portal von 1598 erhalten.

Münchhausenhof

Münchhausenhof

Bossenstein-Portal

Bossenstein-Portal

Der reich gegliederte Erker des aus Übernkirchener Sandstein errichteten Baus ist geschmückt mit Portraitmedaillons der Erbauer, Wappenreliefs und naiven Plastiken, welche Liebe (lucretia romana). Glaube (Fides) und Hoffnung (Spes) darstellen.
Das reizende, dreiachsige „Archivhäuschen" schuf Cord Tönnis (vgl. Detmold, Hameln und Schwöbber) für den aus dem Schwedenfeldzug heimgekehrten Kriegsobersten Hilmar von Münchhausen 1565 in den Formen der Frührenaissance. Drei welsche Giebel, deren Halbkreise mit den Porträtmedaillons des Erbauerehepaares geschmückt sind, bekrönen übereinandergestellt die Schauseite. Auch die Schmalseiten haben Halbkreisaufsätze. Die Fenster sind spätgotisch mit Stabgitterwerk und Vorhangbogen eingefaßt. In der Brüstung erscheinen wieder die Porträts des Erbauerehepaares und dessen Wappen sowie am linken Fensterpfosten eine Lucretia. Eine ganz ähnliche, jedoch zweiachsige Auslucht befindet sich seit 1930 an der Hoffront des Schlosses Wehrden a. d. W. (Graf v. Wolff-Metternich), deren Bekrönung den welschen Giebeln des ,,Archlvhäuschens" genau nachgebildet zu sein scheint. Angeblich gehörten die Halbkreisaufsätze ursprünglich zu einem Gartenpavillon in der alten Gutsparkmauer.

Archivhäuschen

Archivhäuschen

Parkhof
Der Name des ehemaligen Sattelhofes besieht sich auf den angrenzenden Park mit altem Baumbestand. Nachdem 1741 der Oberamtsvogt Bornemann den Hof erworben hatte, verkuftten ihn dessen Erben an Generalleutnant Albreht Christian von Oheimb, den Rintelner Festungsgouverneur. Dieser ließ die alten Gebäude abreißen und die um den Vorhof gelagerte schöne Baugruppe in Fachwerk errichten, Nach einer Nutzung als Sanatorium befindet sich der Parkhof seit 1960 im Eigentum der Firma Eggersmann.

Parkhof

Parkhof

Gegenüber befindet sich der Burghof, ein mächtiger Fachwerkbau aus dem frühen 17. Jahrhundert, in dem heute eine Klinik für psychosomatische Therapie ihren Sitz hat.

Burghof

Burghof

An der Klosterstraße befindet sich das heutige Rathaus. Es wurde 1898 mit einer der Renaissance nachempfundenen Sandsteinfassade errichtet.

Rathaus

Rathaus

In unmittelbarer Nähe des Prinzenhofs gelangen wir an die Jakobi-Kirche, das einzige erhalten gebliebene Bauwerk des ehemaligen Nonnenklosters, in dessen Räume 1621 die Rintelner Universität einzog.

Nach der Aufhebung der Hochschule 1810 dienten die Gebäude als Gymnasium und wurden 1875 für einen Neubau abgerissen.

Jacobikirche

Jacobikirche

Universitäts- und Stadtmuseum Rinteln
Über den Parkplatz hinter dem Rathaus erreichen wir die Eulenburg. Der aus dem 15. Jahrhundert stammende Burgsitz diente im Mittelalter den Prioren des nahen Klosters Möllenbeck als Stadthaus, war ab 1651 Sitz der hessenschaumburgischen Regierung und beherbergt heute das durch seine vielfältigen stadt- und regionalgeschichtlichen Sammlungen sehenswerte Museum.

Burghof- Eulenburg

Burghof- Eulenburg

Bis September 2022 findet eine Sonderausstellung 'Hexenwahn' - Glaube - Macht Angst statt. Neben Exponaten zur Stadtgeschichte ist auch die Dauerausstellung mit dem Thema 'Zwischen Hexenglauben und Wissenschaft' bschäftigt.
Die Universitätsstadt Rinteln war als 'Academia Ernetina' ein wichtiges geistiges Zentrum Norddeutschlands. aber auch im Sommer 1654 eine Stadt im Verfolgungswahnsinn:

In Lemgo begegnen wir dann wieder dem Hexenwahnsinn!

© Herbert S., 2022
Du bist hier : Startseite Europa Deutschland Rinteln
Die Reise
 
Worum geht's?:
Mein 100. Reisebericht auf umdiewelt! 16 historische Städte und acht historische Stätten sind unser Zielgebiet. Ausschlaggebend für unsere Reise war eine umfangreiche Recherche zum Thema Weser-Renaissance, ein Begriff der der Erkenntnis entstammt, dass die Bauten des 16. und 17. Jahrhunderts dieser Region zwar der Renaissance zuzuordnen sind, jedoch einen außerordentlichen Reichtum an ähnlichen Dekorationen aufweisen, die den anderen Regionen abgeht.
Details:
Aufbruch: 04.05.2022
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 17.05.2022
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
Bild des Autors