historisches Weserbergland - Spuren der Zeit

Reisezeit: Mai 2022  |  von Herbert S.

Bad Pyrmont: Barntrup

Schloß Barntrup
Bauherrin der Anlage war Anna von Canstein, die 1567 im Alter von 31 Jahren den Söldnerführer Franz von Kerßenbrock (1520–1576) geheiratet hatte. Schon kurz nach dessen Tod begann sie mit dem Bau des jetzigen Schlosses unweit eines schon bestehenden Wirtschaftshofes. Das eindrucksvolle, das Ortsbild bestimmende Herrenhaus entstand 1584–88 nach Plänen des Baumeisters Eberhard Wilkening aus Hameln. Es handelt sich um einen zweigeschossigen Bau mit drei Ecktürmen. An der Hofseite befinden sich ein polygonaler Treppenturm und eine große Utlucht. Der verputzte Außenbau ist reich mit Kerbschnitt-Bossensteinen dekoriert, die innerhalb des Weserraumes hier erstmals in Erscheinung treten. Diese vermutlich dem Rustika-Quader der italienischen Renaissance entlehnte Schmuckform wurde später zu einem charakteristischen Merkmal der so genannten Weserrenaissance.

Eingangsportal - 1577 - sieben Jahre vor der Bautätigkeit

Eingangsportal - 1577 - sieben Jahre vor der Bautätigkeit

Südfront

Südfront

Ursprünglich war das Dach des Herrenhauses mit schweren braunen Sandsteinplatten aus dem Solling belegt, die in der Region früher häufiger als Dachdeckung Verwendung fanden. Erst seit der Restaurierung von 1966/1967 ist das Dach mit roten Dachziegeln eingedeckt.

Der Ostgiebel kündigt schon die Giebel der Hämelschenburg mit ähnlichen Schweifungen der Voluten, sichelförmige Zacken, Kugeln und Obelisken an. Die Giebelflächen werden durch Gebälke, Lisenen und ornamentierte Fenstereinrahmungen gegliedert. Erstmalig erscheinen hier, wie an dem etwa gleichzeitig erbauten Schloß Brake bei Lemgo, die Bossensteine, Zierquadern mit kerbschnittartigen Mustern, und beleben die Lisenen und Mauerkanten. Merkwürdigerweise schließen jedoch diese Zierquadern in Barntrup nicht bündig mit den Lisenenkanten ab, sondern ragen willkürlich und asymmetrisch in die Mauerfläche hinein. Eberhard Wilkening verwendet im Gegensatz zu Hermann Wulff, der in Brake nur einen Bossensteintyp bringt, eine ganze Serie stets wechselnder Muster, die sich jedoch alle aus einem geometrischen System von Zirkelschlägen (Vierpaß) und Quadraten ableiten lassen.

Ostflügel

Ostflügel

Vor die Eingangsfront sind malerisch mit spielerischer Asymmetrie und doch sicherem Gefühl für Proportionen der Treppenturm und eine Auslucht gestellt.

Treppenturm der Südfront

Treppenturm der Südfront

Das Treppenturmportal zeigt ebenfalls schon Formen, die anschließend an der Hämelschenburg wiederkehren. Dorische Dreiviertelsäulen tragen einen bekrönenden, doppelten Aufbau mit den Wappen des Erbauerehepaares.

Treppenturmportal

Treppenturmportal

Hauptschmuckstück ist die zweigeschossige, dreiachsige Auslucht mit Wappenreihen in der oberen Brüstung, Diamantquadern, Löwenköpfen und an Ösen aufgehängten Fruchtgehängen, alles ursprünglich farbig gefaßt.

© Herbert S., 2022
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mein 100. Reisebericht auf umdiewelt! 16 historische Städte und acht historische Stätten sind unser Zielgebiet. Ausschlaggebend für unsere Reise war eine umfangreiche Recherche zum Thema Weser-Renaissance, ein Begriff der der Erkenntnis entstammt, dass die Bauten des 16. und 17. Jahrhunderts dieser Region zwar der Renaissance zuzuordnen sind, jedoch einen außerordentlichen Reichtum an ähnlichen Dekorationen aufweisen, die den anderen Regionen abgeht.
Details:
Aufbruch: 04.05.2022
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 17.05.2022
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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