historisches Weserbergland - Spuren der Zeit

Reisezeit: Mai 2022  |  von Herbert S.

Lemgo

Lemgo als Hansestadt
Lemgo war im späten Mittelalter das wirtschaftliche Zentrum und die bedeutendste Stadt in der Grafschaft Lippe. Die Stadt - gegründet von dem Edelherrn Bernhard II. zur Lippe - entstand um 1190 am Kreuzungspunkt zweier Fernhandelswege. Der Marktplatz mit dem Rathaus und den Marktbuden war der zentrale Ort des Handels in der Stadt. Dort boten die Kaufleute Tuche und Leinwand an. Die Kramer verkauften Waren aus aller Welt. Und bei den Hökern gab es Butter, Käse und Fische.
Lemgo wurde bereits 1295 das erste Mal im Umkreis der Hanse erwähnt. Die Hanse war zunächst nur der Begriff für die Gemeinschaft von Kaufleuten an einem fernen Handelsplatz im Ostseeraum und in Nordwesteuropa. Daraus erwuchs die Bezeichnung Hansestadt für diejenigen Städte, deren Kaufleute am hansischen Handel teilnahmen und die auf den Hansetagen auftraten. Der Hanse gehörten sowohl Küsten- und Hafenstädte als auch viele Städte im Binnenland an.

Lemgo um 1663 - Kupferstich von Elias van Lennep

Lemgo um 1663 - Kupferstich von Elias van Lennep

Das Rathaus als bedeutendster profaner städtischer Bau zwischen dem Marktplatz und dem Kirchhof St. Nicolai hat eine Entstehungsgeschichte, die bereits im 15. Jh. mit einer großen zweischiffigen Bürgerhalle einsetzt. Um 1500 stellte man vor dieses schlichte Langhaus, dessen Giebel an der Südseite steht, einen quergestellten Anbau, eine offene Halle mit einer Ratsstube (um 1580 verändert) im Obergeschoß und einem Staffelgiebel, bekrönt von Fialen. 1525 wurde in den Winkel zwischen Lang- und Querbau im Norden das Gebäude der heutigen Ratsapotheke, die jedoch erst 1559 in das Rathaus verlegt wurde, eingefügt (Jahreszahl und Meisterzeichen links unter der Traufe der Marktfront), so daß der Bau heute der Mittelstraße einen Doppelgiebel zuwendet. Das Erdgeschoß des neuen Flügels war zum Marktplatz hin in einem Bogengänge geöffnet.
Das Renaissance-Gesicht erhielt das Rathaus durch weitere Anbauten während der zweiten Hälfte des 16. Jh. 1565 errichtete der Lemgoer Meister Hermann Wulff an der Nordseite des Langhauses, in die Mittelstraße vorgerückt, eine einstöckige Vorhalle bzw. Laube (Meisterzeichen und Jahreszahl 1565 links neben dem Portal), die man 1589 noch mit einem vorkragenden Obergeschoß versah. Die 1962 restaurierte Rathauslaube ist das früheste bekannte Werk Hermann Wulffs und der einfacheren Auslucht von 1569 des Schlosses Blomberg (Abb. 59) nah verwandt. Beide haben rundbogig geschlossene, von kannelierten Pilastern eingefasste Fenster.

Neue Ratsstube von 1589

Neue Ratsstube von 1589

Ratskammerbau mit Staffelgiebel von 1480

Ratskammerbau mit Staffelgiebel von 1480

Apothekenauslucht  von 1612

Apothekenauslucht von 1612

sechs von 10 Büsten berühmter Naturforscher und Ärzte - Rhazes - Claudius Galenus - Hippcrates - Hermes Trismegistos Aegypt - Lullius Hispanus - Geber Arabs

sechs von 10 Büsten berühmter Naturforscher und Ärzte - Rhazes - Claudius Galenus - Hippcrates - Hermes Trismegistos Aegypt - Lullius Hispanus - Geber Arabs

Kornherrenstube von 1589

Kornherrenstube von 1589

die Brüstungsreliefs zeigen weibiiche Figuren Allegorien der Sieben Freien Künste - es fehlt die Rhetorica

die Brüstungsreliefs zeigen weibiiche Figuren Allegorien der Sieben Freien Künste - es fehlt die Rhetorica

Der Bau der Nicolaikirche begann um 1215 als spätromanische Gewölbe-Basilika.
1280-1300 erfolgte der frühgotische Umbau zur Hallenkirche durch den Neubau der Seitenschiffe. 1310-1365 fanden Anbau der Chorapsis und Erweiterung des Chors statt. Der nördliche Turmhelm ist 1569 in Renaissanceformen, der südliche
1663 nach einem Sturmschaden als Spitzhelm neu errichtet worden.
Wie in Höxter gehört einer der beiden Türme ( Nordturm) der Stadt, die ihn von Beginn an als Wächter- und Uhrglockenturm nutzte.

St. Nicolai

St. Nicolai

Geweihleuchter mit der Büste einer vornehmen Dame - wurde im jahr 1400 von dr Witwe Gese Lambrachting für den Allerheiligenaltar gestiftet. Es dürfte der älteste Geweihleuchter überhaupt sein.

Geweihleuchter mit der Büste einer vornehmen Dame - wurde im jahr 1400 von dr Witwe Gese Lambrachting für den Allerheiligenaltar gestiftet. Es dürfte der älteste Geweihleuchter überhaupt sein.

Epitaph für den 1587 verstorbenen Moritz von Donop in St. Nicolai schildert das heilsgeschehen vom Sündenfall bis zur Auferstehung Christi

Epitaph für den 1587 verstorbenen Moritz von Donop in St. Nicolai schildert das heilsgeschehen vom Sündenfall bis zur Auferstehung Christi

Das Haus Wippermann wurde 1576 erbaut. Der Steingiebel zeigt für diese Zeit 'altmodische' gotische Kielbogen , Maßwerk, Fialen und Kreuzblumen als Staffelfüllungen.

Haus Wippermann - Kramerstr. 3/5

Haus Wippermann - Kramerstr. 3/5

Das Ballhaus bildet den südlichen Abschluss des Marktplatzes und wurde 1608/09 als städtsiches Tanzhaus errichtet. Dabei dienten die großen drei- bzw. vierbahnigen Pfostenfenster der Belichtung des Saales.

Ballhaus

Ballhaus

Mittelstraße 56 (Wehrmann)
Erbaut 1556 für den Bürgermeister Johann Koch, den Berater und Freund des Grafen Simon VI. zur Lippe.
An der Fassade des Massivhauses, die nach der letzten Jahrhundertwende verändert worden war, wurde das spätgotische Portal inzwischen wiederhergestellt.
Statt des herkömmlichen Staffelgiebels wurde hier ein lebhaft bewegter Giebelumriß angestrebt. Statt rechteckiger Stufen wechseln senkrechte Linien mit konkaven und konvexen Bögen, die mit Fächern gefüllt sind. Nebeneinander von gotischen und Renaissanceformelementen: Die Giebelspitze wird von einer gotischen Fiale mit Kreuzblume bekrönt.
Mittelstr. 54
Das sogenannte Haus zum Stadtwappen ist ein Saalgeschossbau aus der 2. Hälfte des 13. Jh.
Mittelstr. 52
Der mächtige Stufengiebel des um 1500 für Christian Kleinsorge erricheteten Hauses ist der älteste Ziergiebel eines Lemgoer Bürgerhauses und orientiert sich am Vorbild des Giebels der alten Ratskammer

Mittelstr. 56 - 52

Mittelstr. 56 - 52

Die Steingiebelhäuser Mittelstr. 40/42 wurden 1574/75 für den Kaufmann Hinrich Düvel errichtet. Auffallend ist die Beibehaltung spätgotischer Formen. (vgl. Wippermannhaus)
Die Brüstungsreliefs zeigen die allegorischen Tugenden Spes und Fides

am Haus findet sich das Relief 'Wilde Leute' von 1370/80 (Vorgängerbau)

am Haus findet sich das Relief 'Wilde Leute' von 1370/80 (Vorgängerbau)

Düvelhaus - Mittelstr. 40/42

Düvelhaus - Mittelstr. 40/42

Das Steinhaus mit Fachwerkgiebel Mittelstr. 36 ist das sogenante Planetenhaus, da um 1590/95 errichtet wurde. Der Name stammt von den reichen figürlichen Schnitzereien an den Fachwerkständern des unteren Giebelgeschosses, die die Planeten personifizieren.

Mittelstr. 36

Mittelstr. 36

Jupiter - Mercur- Saturn - Sol - Venus - Mars - Luna

Jupiter - Mercur- Saturn - Sol - Venus - Mars - Luna

Mittelstraße 26 (Haus Sonnenuhr)
Das Steingiebelhaus wurde 1546 im Stil der Spätgotik errichtet. 1591 gelangte Jobst Wippermann „der Reiche" durch Heirat mit Johann Clausings Witwe Katharina von Briel in den Besitz des Hauses. Er ließ 1593 das Nebenhaus (Nr. 24) über der Durchfahrt zum Hof erbauen.

Mittelstr. 26

Mittelstr. 26

Mittelstraße 24
Das dreigeschossige Nebenhaus erhielt im Jahr 1593 Fachwerkobergeschoss und -giebel. Die ehemalige Tordurchfahrt dient heute Passage zur Echternstraße.
Die reichen Schnitzereien der Fassade gehören zu den besten in Lemgo. Sie zeigen eine Mischung aus Rollwerkformen, Blattranken und Füllhörnern, dazu figürliche Darstellungen.

Mittelstr,. 24

Mittelstr,. 24

In den Brüstungen des Obergeschosses finden sich die Wappen Wippermann und von Briel sowie die Profilköpfe eines Mannes (1, Brüstungsbrett) und einer Frau (5. Brüstungsbrett).
In den Giebelgeschossbrüstungen befinden sich am Rand die Darstellung zweier Vögel, in der Giebelspitze zwei kleine Reliefs, die die menschlichen Laster Eitelkeit (Affe mit einem Spiegel) und Gefräßigkeit (fressender Bär) symbolisieren. Eine umfangreiche Instandsetzung wurde 2008 durchgeführt.

Mittelstraße 22
Das Fachwerkgiebelhaus wurde um die Mitte des 16. Jh. erbaut- Im Jahr 1592, als sich das Haus im Besitz des Bürgermeisters Nevelin Tilhenn befand, wurden Obergeschoss und Giebel neu aufgesetzt
Das Gebäude besitzt eine massive Traufenwand und einen älteren steinernen Saalbau.
Bemerkenswert sind die reichen Schnitzereien an der Fassade, die eine nahe Verwandtschaft zu denen des Hauses Mittelstraße 17 (1587 datiert) aufweisen. Besonders üppig erscheinen die Ornamente der Füllhölzer mit Blattfächern, Palmetten, geperlten Voluten, Schlangen und Füllhörnern.

Mittelstr. 22

Mittelstr. 22

Auch bei diesem Steinhaus mit Fachwerkober- und -giebelgeschoss ist die ehemalige Wohn- und Wirtschaftsanlage erhalten. Ältester belegbarer Bewohner war der Kramer Berendt Schnitger d. J. (t vor 1630), der auch die Ämter eines Bauermeisters und Kämmerers bekleidete. Im 19. Jahrhundert befand sich in dem Gebäude eine Bäckerei mit Gastwirtschaft.
Das Haus besitzt wie viele seiner Nachbarn Reste älterer Vorgän¬gerbauten aus dem 15. und 16. Jahrhundert.

Mittelstr. 17

Mittelstr. 17

Die Fassade besitzt die wohl reichsten Schnitzereien Lemgos, mit einer ungewöhnlichen Ornamentvielfalt. Die Schnitzmuster überziehen die Fassade wie ein Teppichornament. In den Brüstungsbrettern findet sich eine reiche Palette von Fächermustern, die sich im obersten Giebelgeschoss zu üppigen Blattranken-Füllungen wandeln.
In den Giebelgeschossen befinden sich noch die Luken mit hölzernen Lüftungsgittern und Läden.

Das Giebelhaus aus Stein und Fachwerk Mittelstr. 13 stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der hintere Kammerbau ist noch älter. Um 1600 bewohnte Dr. Bernhard Höcker, gräflich lippischer Rat und Hofgerichtsassessor, das Haus. Er ließ wohl 1591 die steinerne Straßenfassade errichten, die jedoch im 19. Jahrhundert stark verändert wurde. Bei einer Sanierung im Jahr 1979 erfolgte die Wiederherstellung der Fassadenkomposition und des Saales.

Mittelstr. 13

Mittelstr. 13

Mittelstraße 11
Das Fachwerkgiebelhaus wurde weitgehend um 1631 von dem Kramer Berndt Dreyer errichtet. Die rechte Traufseite stammt noch von dem Vorgängerbau (um 1560). Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch hier die Straßenfront in den beiden unteren Geschossen stark verändert.

Mittelstr. 11

Mittelstr. 11

Mittelstraße 9
Das schmale Fachwerkgiebelhaus stammt ebenfalls aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Seit 1901 befand sich hier das Textilwarengeschäft Steinbach. Die zwei Öffnungen im ersten Giebelgeschoss sind noch mit Klappläden und hölzernen Lüftungsgittern versehen.

Mittelstr. 9

Mittelstr. 9

Hinter den überwiegend giebelständigen Kaufmannshäusern der Gotik und Renaissance, wie sie besonders in der Mittelstraße zu finden waren, befanden sich ehemals tiefe Grundstücke, die bis an die parallel laufenden Straßenzüge reichten. (vgl. Stadtplan)
Auf diesen standen in der Regel Wirtschaftsgebäude, Höfe und Hausgärten, die teilweise noch heute erhalten sind. Oft wurden die rückwärtigen Grundstücke geteilt und vom 16. Jahrhundert an mit bescheidenen Handwerker- und Ackerbürgerhäusern bebaut.

Am Ende der Mittelstr. befindet sich der Kanzlerbrunnen.
Zum Schutze des Lemgoer Bierbraueramtes wurde im Jahre 1604 fremdes Bier mit Steuern belegt. Daraus ereignete sich der Streit um die Tonne.

Kanzlerbrunnen - wir erkennen sofort, das es sich um einen Brunnen des Künstlers Stirnberg handelt, der in unserer Stadt Aachen zahlreiche Brunnen gestaltete

Kanzlerbrunnen - wir erkennen sofort, das es sich um einen Brunnen des Künstlers Stirnberg handelt, der in unserer Stadt Aachen zahlreiche Brunnen gestaltete

© Herbert S., 2022
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mein 100. Reisebericht auf umdiewelt! 16 historische Städte und acht historische Stätten sind unser Zielgebiet. Ausschlaggebend für unsere Reise war eine umfangreiche Recherche zum Thema Weser-Renaissance, ein Begriff der der Erkenntnis entstammt, dass die Bauten des 16. und 17. Jahrhunderts dieser Region zwar der Renaissance zuzuordnen sind, jedoch einen außerordentlichen Reichtum an ähnlichen Dekorationen aufweisen, die den anderen Regionen abgeht.
Details:
Aufbruch: 04.05.2022
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 17.05.2022
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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