Test the West
Ritter der heiligen Krokodile
Mittwoch, 14.12.2011
"Allahu Akbar!" schallt es wieder und wieder verzerrt aus einem Megafon und ich werde daran erinnert, dass ich mich in einem Land aufhalte, in dem mehr als 50 Prozent der Einwohner muslimischen Glaubens sind. Warum mir das allerdings um vier Uhr in der Früh ins Gedächtnis gerufen werden muss, weiß wohl nur der große Meister selbst. Ich versuche es zu ignorieren, genau wie das Kindergeschrei aus meinem Nachbarzimmer. Und tatsächlich finde ich nach einiger Zeit den Weg zurück ins Reich der Träume. Etwa drei Stunden später steuert der Smog durch mein Zimmerfenster genau auf meine Nase zu. Ouagadougou ist erwacht. Und das sollte ich auch tun, wenn ich meine Tour zu den heiligen Krokodilen nicht verpassen will.
So ein richtiger Hardcore-Backpacker hat natürlich ein Zimmer mit Außentoilette. Zum Kacken stehen mir nun zwei Möglichkeiten zur Wahl: Variante A ist das klassische Wasserklosett so wie wir es kennen, mit Sitz und Deckel. Da hier jedoch die Farbe braun eindeutig dominiert, entscheide ich mich für Variante B: die so genannte Hocktoilette. Ein Zwitter aus Plumpsklo und WC. Man stellt sich auf die dafür vorgesehenen Trittflächen und muss in der Hocke defäkieren. Im Vergleich zum Plumpsklo hat die Hocktoilette jedoch eine Wasserspülung. Ich kenne diese Variante von südfranzösischen Autobahnraststätten. Ist eigentlich auch hygienischer, allerdings auch etwas gewöhnungsbedürftig.
Nach dem Frühstück steht Romuald pünktlich um acht auf der Matte. Wenn's ums Geschäft geht, gibt's in Afrika auch Uhren. Romuald kann übrigens ein paar Brocken Englisch. Wir fahren auf der Route Nationale 1 in Richtung Bobo Dioulasso und biegen nach zirka 20 Kilometern nach rechts in eine Sandpiste ein. Links des Weges sind die landestypischen runden Lehmhäuser zu sehen. Dazwischen wird gerade eine große Villa in moderner Steinbauweise errichtet. Die Residenz des Dorfchiefs, erklärt mir Romuald. Die touristischen Aktivitäten des 1500-Seelendorfes Bazoulé scheinen wohl langsam Früchte zu tragen.
Heilig sind die Krokodile den Dorfbewohnern deshalb, weil sie in deren Augen wohl ihre Vorfahren verkörpern. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sie einen eher verhätschelten Eindruck machen. Am Eingang kauft man eine Eintrittskarte und ein lebendes Hühnchen. Letzteres wird dann von einem Guide an einen Stock gebunden und dazu verwendet, die Krokodile aus dem Wasser zu locken. Zum Schluss darf man es dann den Reptilien zum Fraß vorwerfen. Eine ziemlich groteske Darbietung. Wer mutig ist, kann sich sogar auf dem Rücken eines Krokos fotografieren lassen. Die Trägheit dieser Tiere und ihre eher überschaubare Größe wollen mir irgendwie so gar keine Angst einjagen, also wage ich einen Ritt.
Auf dem Rückweg machen wir noch eine kleine Stadtrundfahrt und Romuald zeigt mir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt, bevor er mich zurück in mein Hotel fährt.
Am Nachmittag mache ich mich noch einmal zu Fuß auf den Weg in die City. In der Nähe des Place des Nations Unies gibt es einen etwas versteckten kleinen Markt, auf den man mit etwas Verhandlungsgeschick recht günstig ein paar Souvenirs erstehen kann. Das nutze ich aus, immerhin gilt Ouagadougou als Zentrum des westafrikanischen Kunsthandwerks. Vor allem die Bronzefiguren aber auch Silberschmuck sind hier legendär. Ein Jammer, wenn ich nicht mit irgendeinem Erinnerungsstück aus diesem sympathischen Land wieder ausreise.
Dann marschiere ich weiter und verfranze mich irgendwo zwischen Marché Central und dem Stadtfriedhof, doch ich habe noch eine letzte Aufgabe für heute: die "Direction du Contrôle de la Migration" finden. Das ist die Behörde in Ouagadougou, die Gerüchten zufolge das so genannte "Visa des Pays de L'Entente" ausstellt. Hierbei handelt es sich um ein Touristenvisum, das für die fünf frankophonen Staaten Elfenbeinküste, Burkina Faso, Niger, Togo und Benin für eine jeweils einmalige Einreise gültig ist und nur in diesen Ländern ausgestellt wird. Man muss also zunächst mit einem regulären Visum in eines dieser Länder einreisen. Da ich weder genau weiß, wo ich bin, noch wo diese Behörde ist, muss ich wohl oder übel erst zu meinem Hotel zurück und in meinem Lonely Planet nachschlagen; vorausgesetzt, mir gelingt es meinen Weg wieder zu finden.
Das gelingt mir. Mir gelingt es später auch, die Direction du Contrôle de la Migration zu finden, auch wenn es noch mal ein ordentlicher Fußmarsch ist. Dieser war allerdings umsonst, denn wie ich erfahre, werden Anträge nur vormittags entgegen genommen.
Auf dem Rückweg werde ich gleich zwei Mal Zeuge eines Verkehrsunfalls mit Moppedbeteiligung. Der erste auf der Kreuzung zum Boulevard Tensoba Wam Gobi. Hier wird allerdings heftig über die Schuldfrage debattiert. Das heißt: alle Beteiligten sind wohlauf. Der zweite Unfall ereignet sich nur wenige hundert Meter weiter. Ein Mopped streift einen rechtsabbiegenden Pkw. Ein heller Knall, dann fliegen Plastikteile durch die Luft, die dem linken Rücklicht des Pkw zuzuordnen sind. Das Mopped fährt noch zirka 100 Meter weiter und dann rechts ran. Der Beifahrer springt ab, humpelt an den Straßenrand und hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das rechte Schienbein. Das sieht gar nicht gut aus. Scheint so, als hätte er sich eine tiefe Schnittwunde zugezogen. Noch verhindert das Adrenalin, dass große Mengen Blut austreten. Glücklicherweise ist zufällig ein Polizist in der Nähe, der jetzt per Funk einen Krankenwagen anfordert, während herbeigeeilte Straßenhändler seine Wunde mit frischem Trinkwasser kühlen. Mir wird auf einmal ganz anders. Ich mache mir Gedanken, wie das hier wohl abläuft. Krankenversicherungen gibt es hier nicht und die Krankenhäuser selbst sind auch nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Ich hoffe, dass der arme Kerl je wieder auf zwei gesunde Beine kommt.
Aufbruch: | 13.12.2011 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 20.01.2012 |
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